Grafik zum Kriminalroman Wintersonnenwende von Pascal Engman und Johannes Selåker. Links ist das Buchcover mit blauer Stadtansicht und pinker Schrift zu sehen. Rechts daneben stehen in weißer und pinker Schrift die Angaben: „Pascal Engman & Johannes Selåker – Wintersonnenwende – Wolf & Berg #2“. Im Hintergrund verläuft ein strukturierter Farbverlauf von Dunkelblau zu Magenta mit einer schwach sichtbaren Stadtansicht. Unten stehen Verlag und Erscheinungsjahr: „Ullstein | 2024“.Mit „Wintersonnenwende“ legen Pascal Engman und Johannes Selåker den zweiten Teil ihrer Krimireihe rund um den traumatisierten Ermittler Tomas Wolf und die ehrgeizige Journalistin Vera Berg vor. Der Roman knüpft unweit der Ereignisse des Vorgängers „Sommersonnenwende“ an, der im Sommer 1994 spielte und u. a. mit seiner besonderen Atmosphäre und einer gesellschaftlich aufgeladenen Stimmung beeindruckte. Im Nachfolgeband wird die Geschichte nun in der Silvesternacht 1994/95 fortgesetzt: Eine junge Frau flieht nackt durch den Schnee, kurz darauf wird ihr Freier tot aufgefunden – hingerichtet mit einem gezielten Kopfschuss. Während Wolf und sein Kollege Zingo im Stockholmer Rotlichtmilieu ermitteln, folgt Vera einer anderen Spur – einem mysteriösen Vermisstenfall, der das unmittelbare persönliche Umfeld von Tomas betrifft und diesen womöglich in arge Schwierigkeiten bringen könnte.

Winterliche Düsternis statt Sommermärchen

Das Autorenduo Engman/Selåker bleibt auch bei der Fortsetzung seinem Setting der 1990er treu, lässt reale Ereignisse (wie das Unglück der Ostseefähre „Estonia“) einfließen und kreiert erneut einen Kriminalfall mit politischem und gesellschaftlichem Tiefgang. Während „Sommersonnenwende“ stark von der in vielerlei Hinsicht aufgeheizten Stimmung des schwedischen Jahrhundertsommers 1994 (u. a. mit dem Amoklauf des Attentäters Mattias Flink und dem Sommermärchen der Fußball-Nationalmannschaft bei der WM in den USA) profitierte, wirkt „Wintersonnenwende“ im direkten Vergleich deutlich düsterer, kälter und beklemmender. Der frostige Jahreswechsel bildet dabei die perfekte Kulisse für eine Geschichte, die tief in die menschlichen Abgründe eindringt. Die winterliche Szenerie wird ebenfalls eindringlich beschrieben, lässt jedoch die mitreißende Nostalgie und das lebendige Zeitgefühl des Vorgängers etwas vermissen. Die historischen Bezüge sind zwar wieder gut eingebettet, wirken insgesamt aber weniger präsent und atmosphärisch als die knisternde WM-Stimmung des ersten Bandes. Dennoch trägt die Kulisse ihren Teil zur authentischen Grundstimmung des Romans bei.

Figuren mit Ecken, Kanten und Abgründen

Tomas Wolf bleibt auch im zweiten Band eine zutiefst ambivalente Figur. Gezeichnet mit posttraumatischen Belastungsstörungen von seinen Erlebnissen im Bosnienkrieg, ringt der Ex-Nazi weiterhin mit seinen inneren Dämonen und ist alles andere als ein klassischer Sympathieträger – gerade deshalb aber so faszinierend. Vera Berg zeigt sich ebenfalls komplex und vielschichtig: ehrgeizig, kühl kalkulierend und oft egoistisch, aber auch getrieben von einem tiefen Gerechtigkeitssinn. Beide Hauptfiguren bewegen sich moralisch in Grauzonen, was ihre Handlungen nicht immer rational nachvollziehbar, aber durchweg spannend macht. Auch Nebenfiguren wie der umtriebige Zingo gewinnen weiter an Profil und Tiefe und es findet insgesamt eine gelungene Weiterentwicklung der nicht selten schwierigen Charaktere statt.

Spannungsreich und erschütternd

Die Handlung von „Wintersonnenwende“ ist von Beginn an fesselnd und führt Leser:innen tief in finstere menschliche Abgründe wie die „Straße der Schande“, dem wohl schlimmsten Straßenstrich Europas. Besonders diese Schilderungen aus dem Rotlichtmilieu und die Gewalt gegen Frauen sind schwer zu verdauen und nicht unbedingt für ein zartbesaitetes Publikum geeignet. Hier zeigen Engman und Selåker schonungslose Härte – nicht aber zur reinen Effekthascherei, sondern um die Brutalität der Realität ungeschönt abzubilden. Auch dank dieser düsteren Thematik bleibt die Spannung hoch, und das dramatisch inszenierte Finale bringt die verschiedenen Handlungsstränge wirkungsvoll zusammen. Vor allem die winterliche Kulisse verleiht dem Showdown dabei eine besondere Intensität, die noch eine Weile nachhallt.

Ein packender zweiter Band mit kleinen Schwächen

„Wintersonnenwende“ ist eine gelungene Fortsetzung, die ihre Figuren konsequent weiterentwickelt und erneut mit einem intensiven Kriminalfall überzeugt. Zwar fehlt dem zweiten Teil etwas von der herausragenden atmosphärischen Strahlkraft des Vorgängers, doch die düstere, bedrückende Grundstimmung und die erschütternde Geschichte sorgen dennoch für einen guten Spannungsbogen. Wer bereits den ersten Band mochte, wird hier ebenfalls auf seine Kosten kommen, denn auch der zweite Thriller von Pascal Engman und Johannes Selåker bietet fesselnde Unterhaltung für Fans von Nordic Noir mit komplexen Charakteren, düsterer Atmosphäre und politischen Hintergründen.

Wintersonnenwende – Pascal Engman & Johannes Selåker
  • Autor:
  • Original Titel: Skammens väg
  • Reihe: Tomas Wolf & Vera Berg #2
  • Umfang: 384 Seiten
  • Verlag: Ullstein
  • Erscheinungsdatum: 26. September 2024
  • Preis Broschiert 17,99 €/eBook 9,99 €
Cover:
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Gesamt:
8/10
Fazit:
Fesselnder und kompromisslos düsterer Krimi mit starken Figuren, der atmosphärisch aber nicht ganz an den Vorgänger heranreicht.

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