Autor:Camilla Grebe, Åsa Träff
Umfang: 448 Seiten
Verlag: btb
Erscheinungsdatum: 17. Oktober 2011

Klappentext:
Siri Bergmann, Psychotherapeutin in Stockholm, kennt die Abgründe männlicher Gewalt aus eigener Erfahrung. Deshalb übernimmt sie die Betreuung einer Selbsthilfegruppe geschlagener Frauen nur mit gemischten Gefühlen ‚ als Freundschaftsdienst für einen guten Kollegen. Die Geschichten der Teilnehmerinnen sind erschütternd.

Aber stimmen sie auch?

Meine Buchbesprechung:
Ein regnerischer Nachmittag in Stockholm: Die fünfjährige Tilde spielt seelenruhig unter dem Küchentisch, während ihre Mutter das Mittagessen zubereitet. Plötzlich klopft es an der Wohnungstür, erst leise, dann immer fordernder. Tildes Mutter öffnet die Tür, in der Annahme, ihr neuer Freund würde nach Hause kommen. Als nächstes hört das Mädchen laute Schreie, bis der Körper ihrer Mutter neben ihr auf dem Küchenboden aufschlägt. Wie von Sinnen tritt der fremde Mann auf die Frau ein, bis diese sich nicht mehr bewegt. Als ein Zeitungsjunge die Leiche einige Zeit später findet, malt Tilde immer noch neben einer riesigen Blutlache…

Frauen als Opfer männlicher Gewalt

Zwei Monate zuvor: Die Psychotherapeutin Siri Bergmann und ihre Kollegin Aina werden von einem befreundeten Professor gebeten, eine Selbsthilfegruppe zu betreuen, die aus Frauen besteht, welche Opfer männlicher Gewalt geworden sind. Siri reagiert zunächst verhalten, ist sie doch selbst vor wenigen Monaten in die Fänge eines Stalkers geraten und nur knapp mit dem Leben davongekommen. Schließlich willigt sie aber doch ein und trifft sich fortan regelmäßig mit fünf völlig unterschiedlichen Frauen, die aber alle eines gemeinsam haben: ihre leidigen Erfahrungen mit gewaltvollen Übergriffen, mit denen jedes Gruppenmitglied auf seine eigene Art und Weise umzugehen versucht.

Der zweite Auftritt der Stockholmer Psychotherapeutin Siri Bergmann

„Das Trauma“ ist der zweite Roman des schwedischen Geschwisterpaares Camilla Grebe und Åsa Träff und dreht sich wie schon der Vorgänger „Die Therapeutin“ um die Psychotherapeutin Siri Bergmann. Seit den dramatischen Ereignissen des ersten Buches sind nun ein paar Monate vergangen und Siri hat langsam wieder ihren Weg zurück ins Arbeitsleben gefunden, auch wenn sie es nach Ansicht ihrer Kollegen noch viel ruhiger angehen und nicht direkt wieder so viele Patienten übernehmen sollte. Außerdem trifft man auf weitere bekannte Gesichter, wie Siris Kollegen Aina und Sven oder ihr Lebensgefährte Markus.

Mühsame Vergangenheitsbewältigung in Form einer Selbsthilfegruppe

Eine weitere Parallele zu „Die Therapeutin“ ist der gemächliche Beginn, denn die Autorinnen lassen sich anfangs viel Zeit, um ihre Geschichte vorzubereiten. Nach dem verstörenden und blutigen Prolog mit der Ermordung der jungen Mutter steht dann erst einmal der Alltag der Psychologin im Mittelpunkt. Der Leser begleitet die Hauptfigur bei ihrer therapeutischen Arbeit und nimmt praktisch als Beobachter an ihren Sitzungen teil. Das Hauptaugenmerkt liegt dabei auf der erwähnten Selbsthilfegruppe, die über ihre traumatischen Erlebnisse berichtet – bestehend aus der impulsiven Kattis, der zurückhaltenden Sofie, der sportlichen Malin, der pensionierten Sirkka und der erfolgreichen Karrierefrau Hillevi. Nach und nach lassen Camilla Grebe und Åsa Träff ihre Figuren ihr jeweiliges Trauma enthüllen, welches von häuslichen Schlägen bis zu brutaler Vergewaltigung reicht. Neben den traurigen Einzelschicksalen zieht das Szenario seinen Reiz vor allem aus der interessanten Figurenkonstellation, da die Gruppenmitglieder zwar charakterlich völlig verschieden sind, als Therapiegruppe aber trotz unterschiedlicher sozialer Hintergründe sehr gut harmonieren. Außer den fünf Frauen lernt man dann noch das Paar Mia und Patrick kennen, das sich seit geraumer Zeit in einer ernsten Beziehungskrise befindet. Diese kurzen Episoden sind zwar nicht uninteressant, dienen aber lediglich als Gegenpol zur Selbsthilfegruppe und sind für die Handlung an sich nicht wirklich relevant.

Wenig Krimi, viel psychologisches Drama

Wer nach der ersten Szene und dem Klappentext nun auf einen spannenden Krimi hofft, der wird vermutlich etwas enttäuscht werden. „Das Trauma“ ist vielmehr ein Sozialdrama, indem die Suche nach dem Mörder der Frau über weite Strecken im Hintergrund steht. Stattdessen widmen sich die Autorinnen den Abründen der Gesellschaft an sich und den zwischenmenschlichen Beziehungen im Speziellen. Zwar dreht sich vieles in der Geschichte um Liebe, doch das Buch ist bei weitem kein Liebesroman. Romantik sucht man als Leser vergebens, es geht eher um die daraus resultierende Abhängigkeit, durch die man sich zu irrationalen Handlungen hinreißen lässt. Denn trotz der Gewalt, welche die Frauen in ihrem Leben erleben mussten, geben sie sich oft selbst die Schuld an ihrer Opferrolle und nehmen ihre Partner in Schutz. Wie eine solche Wahrnehmung entsteht, das wird in diesem Roman auf psychologischer Ebene glaubwürdig vermittelt. Hier kann das Autorinnenduo wohl vor allem auf die Berufserfahrung von Åsa Träff zurückgreifen, die hauptberuflich selbst als Psychologin tätig ist.

Kaum Weiterentwicklung im Vergleich zum Vorgänger

Bei der ausführlichen Charakterzeichnung der Figuren bleibt die eigentliche Handlung leider manchmal etwas auf der Strecke. Gerade in der ersten Hälfte geht es storytechnisch kaum vorwärts und man wartet förmlich auf den Moment, indem sich die Geschichte wieder auf den anfänglichen Mord zubewegt. Das Buch ist dabei zwar zu keinem Zeitpunkt langweilig, doch Spannung will beim Lesen lange Zeit nicht wirklich aufkommen. Im Vergleich zum Vorgänger steht „Das Trauma“ vor allem atmosphärisch doch deutlich zurück, wenn man nur mal an die oft unterschwellig unheimlichen Passagen in Siris einsamen Haus am Meer zurückdenkt. Etwas nervig ist auch, dass alle wichtigen Figuren im Verlauf des Buches Beziehungsprobleme durchleben. Das kann man mal bei ein oder zwei Charakteren einfließen lassen, aber wenn ständig irgendwelche zwischenmenschlichen Krisen auf dem Tagesplan stehen, ist das auf Dauer ganz schön anstrengend. Besonders schade fand ich, dass sich gerade die Hauptfigur charakterlich kaum weiterentwickelt hat. Das andauernde Beziehungshickhack um Siri, Markus und ihren verstorbenen Ehemann war schon im Vorgänger überpräsent und wird im zweiten Buch weiter fortgeführt. Mit ihrem wankelmütigen Verhalten sammelt die weibliche Protagonisten so nicht gerade Sympathiepunkte.

Schlussfazit:
„Das Trauma“ von Camilla Grebe und Åsa Träff ist ein gelungenes Psychodrama, welches für meinen Geschmack aber über weite Strecken einfach zu ruhig und unspektakulär verläuft. Das Selbsthilfegruppen-Szenario ist zwar interessant und wurde auch gut umgesetzt, doch abgesehen davon ist die Geschichte oft etwas schleppend und abwechslungsarm. Gerade in Bezug auf die Hauptfiguren hätte ich mir doch eine Weiterentwicklung erhofft, doch alle haben mehr oder weniger immer noch die Probleme aus dem Vorgänger.

Gelungenes Psychodrama, aber deutlich schwächer als der starke Vorgänger

Während mich „Die Therapeutin“ noch sehr begeistern konnte, so bin ich vom Nachfolger leider insgesamt ein wenig enttäuscht. Der Krimiplot ist in der ersten Hälfte kaum vorhanden und so fehlt es der Handlung deutlich an Spannung. Dafür kann die Auflösung der Geschichte überzeugen und bietet gerade im Epilog noch eine gelungene Wendung – die aber dann auch nicht mehr ganz überraschend kommt. Wer lieber ruhige Krimis bzw. Dramen mag, die eher über die psychologische Schiene kommen, dem könnte „Das Trauma“ gefallen, da gerade die Dynamik der Selbsthilfegruppe zu den großen Stärken des Buches gehört. Einen düsteren und packenden Thriller darf man aber nicht erwarten, denn gerade im Vergleich zum Vorgänger schneidet der zweite Band um Siri Bergmann merklich schwächer ab.

Meine Wertung: 7/10

Informationen:
„Das Trauma“ von Camilla Grebe und Åsa Träff ist im btb Verlag erschienen und hat einen Umfang von 448 Seiten. Das Buch ist für 14,99 € als Paperback erhältlich. Weitere Infos gibt es auf der Verlags-Homepage.

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