Fünf Jahre sind vergangen, seit Der Audio Verlag im Herbst 2015 den Detektivgeschichten von Sir Arthur Conan Doyle ein neues Gewand verpasst und die Hörspielreihe „Sherlock & Watson: Neues aus der Baker Street“ an den Start geschickt hat – aufwendig produziert und mit vielen bekannten Schauspielern und Sprechern prominent besetzt, allen voran Johann von Bülow als Meisterdetektiv Sherlock Holmes und Florian Lukas in der Rolle seines kongenialen und treuen Freundes Dr. John Watson. In fünf Fällen ermittelten die beiden damals ähnlich wie Benedict Cumberbatch und Martin Freeman in der BBC-Serie „Sherlock“ im London der Neuzeit, frei nach den Motiven der Originalgeschichten aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Nach dem dramatischen Ende der ersten Staffel war es jedoch ruhig geworden um die Hörspielproduktion, doch rund viereinhalb Jahre nach Veröffentlichung der fünften Folge dürfen sich Fans der Reihe nun endlich über das langerwartete Comeback von „Sherlock & Watson“ freuen – zunächst mit zwei neuen Episoden im Oktober 2020, bevor dann im Januar, Februar und März 2021 die drei restlichen Fälle der zweiten Staffel folgen.

Sherlock Holmes – genialer Detektiv oder kriminelles Mastermind?

Die fünf Jahre zwischen erster und zweiter Staffel werden so auch in der Serie aufgegriffen und so ist es in „Die Crumply-Morde oder Das Zeichen der Vier“ nun schon ein halbes Jahrzehnt her, dass Sherlock Holmes in einem dramatischen Showdown mit seinem Erzfeind Moriarty auf der Feier seines 40. Geburtstages ums Leben gekommen ist. Doch auch lange nach seinem Tod ist Sherlock Holmes‘ Name noch in aller Munde, zumal die skrupellose Enthüllungsjournalistin Irene Adler alles daran setzt, den Ruf des einst so bewunderten Detektivs posthum zu beschmutzen – so soll dieser das Duell mit Moriarty nur inszeniert haben und in Wahrheit selbst für dessen Verbrechen verantwortlich gewesen sein. Während sich die Öffentlichkeit gierig auf die üblen Gerüchte stürzt, hält einer seinem Freund auch im Tod noch unermüdlich die Treue: Dr. John Watson, der den Vorwürfen keinen Glauben schenkt und um das Ansehen seines einstigen Partners kämpft. Doch die Trauer und die Schmutzkampagne haben Watson müde gemacht und so will er nicht nur fünf Jahre nach Sherlocks Tod seinen Blog endgültig einstellen, sondern lebensmüde sogar seinem alten Freund ins Jenseits folgen…

Sorge um Dr. Watson und eine Reise in die Vergangenheit

Wer also nach dem dramatischen Ende der ersten Staffel nun auf eine muntere Wiederauferstehung des Meisterdetektivs und ein freudiges Wiedersehen der beiden Titelfiguren gehofft hat, wird mit einem doch recht deprimierenden Auftakt schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Vor allem Hörer:innen, die mit den Originalgeschichten Sir Arthur Conan Doyles (oder der BBC-Serie) vertraut sind, warten nach fünf langen Jahren vermutlich auf die Beantwortung einiger offener Fragen, doch auch hier ist Geduld angesagt, denn inhaltlich betrachtet ist die sechste Episode eher ein Schritt zurück als ein Schritt nach vorn. Zum Ende seines Blogs (und vielleicht sogar seines Lebens?) lässt John Watson sich von einem seiner Leser nochmal eine letzte Erzählung eines ganz besonderen Falls entlocken, der seinem Publikum nicht nur eine wilde Geschichte über eine Mordserie, Linksterroristen, Bankräuber und sogar Doppelagenten präsentiert, sondern auch die Anfänge einiger besonderer Beziehungen schildert – zuvorderst die erste Begegnung zwischen Watson und seiner späteren Frau Mary, die hier als Klientin der beiden Bewohner der Baker Street 221B auftritt. Wie der Titel der Episode bereits verrät basiert die Geschichte diesmal sehr vage auf dem Sherlock-Holmes-Klassiker „Das Zeichen der Vier“, hat aber bis auf ein paar übernommene Namen und die Tatsache, dass Mary Morstan/Watson im Zentrum des Falls steht eher wenig mit dem Original von Sir Arthur Conan Doyle gemein.

Nach fünf Jahren Wartezeit ein gelungenes Comeback

Insgesamt ist „Die Crumply-Morde“ somit womöglich noch nicht ganz das, was sich Fans nach der langen Wartezeit erhofft haben, dennoch darf man die sechste Episode ohne Frage als gelungenes Comeback bezeichnen – und in Bezug auf die Spannung ist es ja sicherlich auch ein kluger Schachzug, die Hörer:innen bei gewissen Punkten noch weiter auf die Folter zu spannen und im Ungewissen zu lassen. Packend ist die Folge auch so und aufmerksame Zuhörer:innen dürfen ihre Neugier so lange mit kleinen Hinweisen und Andeutungen zumindest etwas stillen, hier sind vor allem wieder die „Tarnnamen“ von Watsons Blog-Kommentator:innen äußerst vielsagend, auch wenn dem etwas naiven Verfasser der Beiträge diese Indizien selbst zu entgehen scheinen. Auf technischer Seite gibt es weiterhin wenig bis nichts zu meckern: Johann von Bülow und Florian Lukas haben sich als Sprecher der beiden Hauptfiguren inzwischen längst etabliert und auch die weitere Stammsetzung der ersten Staffel ist wieder versammelt mit am Start, dabei darf man sich diesmal besonders über eine größere Rolle von Britta Steffenhagen als zukünftige Mrs. Watson freuen. Die Geräuschuntermalung bleibt auch in dieser Folge erstklassig und zum Glück wurde auch die famose Titelmusik für die neue Staffel beibehalten. Inhaltlich ist also bei diesem Staffelauftakt vielleicht noch ein klein wenig Luft nach oben, abgesehen davon ist aber auch „Die Crumply-Morde oder Das Zeichen der Vier“ wieder großes und mitreißendes (Erwachsenen-)Kino für die Ohren – eine gelungene Rückkehr von „Sherlock & Watson: Neues aus der Baker Street“!

Vielen Dank an Der Audio Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
Weitere Informationen zur Reihe „Sherlock & Watson: Neues aus der Baker Street“

Sherlock & Watson: Die Crumply-Morde oder Das Zeichen der Vier
  • Autor:
  • Sprecher: Johann von Bülow, Florian Lukas, Stefan Kaminski, Udo Schenk u.v.m.
  • Reihe: Sherlock & Watson: Neues aus der Baker Street #6
  • Länge: 1 Std. 38 Min.
  • Verlag: Der Audio Verlag
  • Erscheinungsdatum: 23. Oktober 2020
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Sprecher:
Gesamt:
8/10
Fazit:
Nach fünf langen Jahren des Wartens sind "Sherlock & Watson" endlich wieder da: (noch) nicht mit den langersehnten Antworten auf offene Fragen, aber mit einer spannenden Reise in die Vergangenheit der Charaktere und gewohnt opulenter akustischer Umsetzung – ein gelungenes Comeback!

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