Der Mann der_Rezi

In Tornedalen, mitten in der tiefsten schwedischen Provinz an der Grenze zu Finnland, sorgt ein brutaler Mord für Entsetzen in der sonst so friedlichen und beschaulichen Region: Eine Pflegeangestellte der örtlichen Gemeinde macht bei einem ihrer Hausbesuche eine grausame Entdeckung, als sie plötzlich die Leiche des 89-jährigen Martin Udde in dessen Schlafzimmer auffindet. Der alte Mann wurde mit einer Fischgabel erstochen und aufgeschlitzt, Blut und Eingeweide des Opfers sind zum Teil über das gesamte Bett verteilt. Der Täter hat anscheinend zudem sogar einen Teil der Innereien auf dem Küchenherd anbrennen lassen, sodass der von einer drückenden Hitze und einem unerträglichem Gestank erfüllte Tatort selbst für hartgesottene Polizisten schwer zu verdauen ist. Für die noch junge Stockholmer Polizistin Therese Fossnes ist der Fall also eine echte Herausforderung, zumal sie nicht nur einem eiskalten Mörder auf die Spur kommen, sondern sich auch mit den kulturellen Eigenheiten der Region und ihrer Bewohner auseinandersetzen muss…

Mord in der schwedischen Provinz

Der Schwede Mikael Niemi zählt zu den erfolgreichsten Autoren seines Landes und feierte nach einigen Kinder- und Jugendbüchern mit dem Roman „Populärmusik aus Vittula“ seinen großen Durchbruch, der ihm im Jahr 2000 sogar den August-Preis, den renommiertesten schwedischen Literaturpreis, einbrachte. Während sein Erfolgsroman in erster Linie für schrägen Humor und berührende Tragik steht, geht es in seinem 2006 erschienenen Roman „Der Mann, der starb wie ein Lachs“ trotz des durchaus etwas amüsant anmutenden Titels deutlich düsterer zur Sache. Die Geschichte beginnt nämlich mit dem Mord an einem fast 90-jährigen alten Mann, der brutal mit einer Fischgabel ermordet und teilweise regelrecht ausgeweidet wurde und dessen Leiche bei brütender Hitze bis zu ihrer Entdeckung unappetitlich vor sich hin verwest ist. Da man in der Provinz Nordschwedens solche Gewalteskalationen nicht gewohnt und die örtliche Polizei für einen solchen Mordfall nicht aufgestellt ist, wird die junge Polizistin Therese Fossnes aus der Hauptstadt Stockholm in den hohen Norden geschickt und soll dort in Zusammenarbeit mit den Kräften vor Ort die grausige Tat aufklären. Verdächtige gibt es anscheinend genug, denn der verbitterte Alte hat sich in seinem langen Leben offenbar so einige Feinde gemacht und damit fast die gesamte Region gegen sich aufgebracht.

Mehr Sprachstudie statt Kriminalroman

Wie schon „Populärmusik aus Vittula“ spielt auch Niemis erster Kriminalroman in der Heimat des Autors, dem kleinen Örtchen Pajala im Tornedalen-Tal an der Grenze zum Nachbarland Finnland. Tornedalen gilt aufgrund der Zugehörigkeit zu zwei Staaten als „Europaregion“ und hat eine bewegte Historie vorzuweisen, welche die Region bis zum heutigen Tag nachhaltig geprägt hat. So hat sich in diesem Gebiet mit dem Dialekt „Meänkieli“ – ein sehr eigenwilliger Mix aus Schwedisch und Finnisch, der auch als Tornedalfinnisch bezeichnet wird – sogar eine eigene Sprache herausgebildet, die für Nicht-Einheimische wie Niemis Protagonistin Therese oft nur mithilfe von Übersetzern zu verstehen ist. Wer sich nun (völlig zu Recht) fragt, warum ich so ausführlich auf diese kulturelle Besonderheit eingehe, dem sei gesagt, dass genau diese Thematik eine zentrale Rolle in dem Roman einnimmt und sogar deutlich wichtiger ist als die eigentliche Story des Buches. Mikael Niemi scheint seine Heimat sehr am Herzen zu liegen und er ist offenbar gewillt, seinen Lesern diese ganz spezielle Kultur auch näherzubringen, was bei diesem extremen Schwerpunkt aber fast schon aufgezwungen wirkt. So war es einerseits für mich als Schwedenkrimi-Fan zwar interessant, mal in die Eigenheiten des schwedischen Nordens einzutauchen, zumal der rund um den Meänkieli-Dialekt entstandene Konflikt auch durchaus eine solide Grundlage für einen Krimiplot bietet, allerdings verliert der Autor bei all der Heimatliebe aber den Rest seiner Geschichte völlig aus den Augen. Dem Kriminalfall selbst wird kaum Beachtung geschenkt, stattdessen wird die Story mit einer eher befremdlichen Liebesgeschichte verwässert und man am laufenden Band mit finnischen Wörtern und Sätzen bombardiert, welche die Lektüre zusätzlich erschweren und deren Platzierung für das deutsche Publikum überhaupt keinen Wert hat. Viel ärgerlicher sind aber die gerade zum Ende hin teilweise völlig abstrusen und sinnfreien Passagen, bei denen man nie so wirklich weiß, ob diese nun tatsächlich die Realität darstellen oder nur ein missratener Kunstgriff des Autors sind.

Nur für besonders eingefleischte Schweden-Fans zu empfehlen

So ist „Der Mann, der starb wie ein Lachs“ wohl selbst für eingefleischte Skandinavien-Fans nur sehr bedingt zu empfehlen. Der Krimiplot selbst zählt zu den schwächsten, die ich in diesem Genre bisher erlebt habe und auch die Charaktere sind entweder völlig belanglos oder wirken unnahbar, was beides auch für die weibliche Hauptfigur gilt. Man muss schon ein sehr hartgesottener Sprachliebhaber sein um in den ständigen kulturellen Ausschweifungen Mikael Niemis aufzugehen und sich von dem Roman fesseln zu lassen, wer hingegen lediglich einen spannenden schwedischen Krimi sucht, ist hier völlig an der falschen Adresse, denn Spannung will während der rund 350 Seiten zu fast keinem Zeitpunkt wirklich aufkommen.

Der Mann, der starb wie ein Lachs
  • Autor:
  • Original Titel: Mannen som dog som en lax
  • Umfang: 352 Seiten
  • Verlag: btb
  • Erscheinungsdatum: 27. Februar 2008
  • Preis Taschenbuch 9,99 €/eBook 8,99 €
Cover:
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Gesamt:
4/10
Fazit:
Mikael Niemis „Der Mann, der starb wie ein Lachs“ ist trotz des brutalen Mordfalls als Ausgangssituation kein wirklicher Kriminalroman, sondern erweist sich eher als recht zähe Kulturstudie einer schwedisch-finnischen Region, für die man schon ein sehr ausgeprägtes Interesse für Sprachen mitbringen muss, um sich an diesem mühsamen und zum Ende hin auch noch völlig wirren Roman zu erfreuen.

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