Buchcover zu
Autor: Veit Etzold
Umfang: 447 Seiten
Verlag: Bastei Lübbe
Erscheinungsdatum: 18. Mai 2012

Klappentext:
Du hast 438 Freunde auf Facebook.
Und einen Feind.

Die Freunde sind virtuell,
der Feind ist real.

Er wird Dich suchen.
Er wird Dich finden.
Er wird Dich töten.

Du hast 438 Freunde auf Facebook.
Und keiner wird etwas merken.

Ein Killer, der wie ein Computervirus agiert: unsichtbar und allgegenwärtig. Er nennt sich der Namenlose, und seine Taten versetzen ganz Berlin in Angst und Schrecken. Hauptkommissarin Clara Vidalis und ihr Team sind in der Abteilung für Pathopsychologie ohnehin schon für die schweren Fälle zuständig, aber die Vorgehensweise dieses Verbrechers raubt selbst ihnen den Atem. Perfide und genial, lenkt er die Ermittler stets auf die falsche Fährte. Und erst allmählich begreift die Kommissarin, dass der Namenlose sein grausames Spiel nicht mit der Polizei spielen will, sondern nur mit einem Menschen: mit ihr, Clara Vidalis. Während die Ermittler noch verzweifelt versuchen, die Identität des Killers aufzudecken, startet der Medienmogul Albert Torino eine neue Casting-Show. Und es gibt jemanden, der diese Show für seine eigenen, brutalen Zwecke nutzen wird: der Namenlose.

Meine Buchbesprechung:
Hauptkommissarin Clara Vidalis arbeitet beim Morddezernat des LKA in Berlin und ist als Expertin für Forensik und Pathopsychologie für die besonders harten Fälle zuständig. Gerade erst hat sie einen wahnsinnigen Serienkiller, der aufgrund seiner blutigen Vorgehensweise von den Medien „Werwolf“ getauft wurde, zur Strecke gebracht und freut sich nun auf ihren verdienten Urlaub. Als wenig später aber ein Umschlag mit einer CD-ROM bei ihr abgegeben wird, wird der Polizistin schnell klar, dass es mit Erholung und Entspannung so schnell erst einmal nichts wird. Auf der CD befindet sich nämlich ein Videoclip, der eine verängstigte junge Frau zeigt, die offenbar von einer weiteren Person bedroht wird. Unter Zwang spricht sie eine verstörende Botschaft in die Kamera, bevor ein Mann ihr anschließend die Kehle durchschneidet. Clara Vidalis und ihre Kollegen reagieren geschockt: Handelt es sich hier um ein Snuff-Video oder zeigt der Film einen tatsächlichen Mord?

Ein verstörender Videoclip versetzt die Polizei in Aufregung – Snuff-Video oder realer Mord?

Währenddessen plant der Medienmanager Albert Torino seinen nächsten großen Coup. Mit seinem neuen Show-Format will er neue Wege gehen und gleichzeitig die Medienlandschaft erschüttern – natürlich alles mit dem Ziel, traumhafte Quoten zu erzielen und das große Geld zu machen. Torino plant nämlich eine neue Generation der Casting-Shows, bei der im Stile von „Germany’s Next Topmodel“ junge Frauen in einem Model-Wettbewerb gegeneinander antreten sollen. Allerdings geht der Medienexperte noch einen Schritt weiter: Die vorwiegend männlichen Zuschauer sollen in einem großen Internetvoting und anschließenden TV-Shows ihren ganz persönlichen Favoriten auswählen – als Belohnung winkt eine heiße Nacht mit der Gewinnerin, der neuen „Miss Shebay“…

Ein Thriller mit Social-Media-Thematik – oder doch nicht?

Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis sich jemand der Social-Media-Thematik in Form eines Kriminalromans widmet. Facebook, Google+ und Co. sind heute kaum noch aus dem Alltag wegzudenken, alleine Facebook nähert sich immer mehr der unglaublichen Marke von einer Milliarde Nutzern. Allerdings hört und liest man in den Medien auch immer wieder von den Gefahren dieser Netzwerke, vor allem Datenschützer bemängeln seit langem den Umgang mit privaten Daten und warnen vor Sicherheitsrisiken. Dieses Thema greift auch der neuen Roman „Final Cut“ von Veit Etzold auf und wird dementsprechend auch clever mit der Marke „Facebook“ als Aufhänger beworben, wie nicht zuletzt der Klappentext zeigt. Allerdings verbirgt sich dahinter eine kleine Mogelpackung – dazu aber später mehr.

Eine Kommissarin auf Rachefeldzug

Hauptfigur des Thrillers ist die junge Kommissarin Clara Vidalis, die gleich in ihrer ersten Szene einen bemerkenswerten Auftritt hinlegt. Der Leser begleitet nämlich eine ihm zunächst unbekannte Frau in eine Berliner Kirche, wo sie zielstrebig den Beichtstuhl aufsucht – wie an jedem 23. Oktober seit 20 Jahren. Damals ist ihre kleine Schwester entführt, missbraucht und ermordet worden und die Beichtende gibt sich immer noch eine große Mitschuld an dieser Tragödie. Schließlich hätte sie die Achtjährige von der Musikschule abholen sollen, ist aber nicht gekommen – stattdessen lief das Mädchen ihrem Mörder in die Arme. Daraufhin hat die Frau im Beichtstuhl Rache geschworen und ist der Polizei beigetreten. Während der Priester ihr von Vergebung erzählt, bleibt seine Gesprächspartnerin fest entschlossen: Sie wird den Mörder ihrer Schwester eines Tages töten. Anschließend verlässt die Frau den Beichtstuhl und wird dem Leser als Clara Vidalis, Hauptkommissarin beim Morddezernat des LKA Berlin und Expertin für Forensik und Pathopsychologie vorgestellt. Durch diese Szene wird dem Leser bereits viel über den Hintergrund, die Motivation und den entschlossenen Charakter der Hauptfigur verraten – so klare Ansagen bekommt man in Kriminalromanen selten.

Brutal und eklig – manchmal zu viel des Guten

Anschließend entwickelt Veit Etzold seine Story und kommt auch hier schnell zur Sache: ein blutiges Video mit einem grausamen und kaltblütigen Mord und kurz darauf das Auffinden einer mumifizierten Leiche – der Autor zeigt schnell wo es langgeht. Dabei fällt direkt der für einen deutschen Thriller ziemlich hohe Ekelfaktor auf, denn Etzolds Roman ist nichts für zartbesaitete Gemüter. Detailliert beschreibt der Autor, wie Kehlen aufgeschlitzt werden, Leichen in ihren Wohnungen monatelang vor sich hinvegetieren und von Käfern ausgesaugt werden und andere Grausamkeiten, die nicht immer leicht verdaulich sind. Allerdings hatte ich des öfteren das Gefühl, dass diese Brutalität vor allem dazu eingesetzt wird, um den Leser möglichst viel zu schockieren – denn in diesem Ausmaß ist es für die Handlung eigentlich nicht notwendig.

Die Mogelpackung „Facebook-Thriller“

Recht schnell kommt dann auch der Social-Media-Aspekt zum Tragen: Wie sich herausstellt, ging der Mörder bei seinen Taten nämlich äußerst geschickt vor. Im Internet sammelte er zunächst detaillierte Hintergrundinformationen über seine Opfer, bis er schließlich über soziale Netzwerke oder Dating-Portale Kontakt zu ihnen aufnahm. Nach dem Tod übernahm er dann die virtuelle Identität der Frauen und Männer und aktualisierte z.B. ihre Facebook-Profile, damit den Angehörigen die Abwesenheit der Betroffenen nicht auffiel. Ob es allerdings die Eltern einer jungen Frau nicht verwundert, wenn ihre Tochter Hals über Kopf zu einer spontanen Weltreise aufbricht und sich nur mit einer unpersönlichen Mail abmeldet, sei hier einmal dahingestellt – glaubwürdig ist das in meinen Augen nicht immer. Das war es dann aber eigentlich auch schon mit dem Social-Media-Thema, denn im weiteren Verlauf spielt das nämlich kaum noch eine Rolle. Die werbewirksame „Facebook“-Aufmachung des Buches ist zu großen Teilen Augenwischerei – so wichtig ist der Aspekt bei weitem nicht und wird dem reißerischen Klappentext keinesfalls gerecht.

Spannende Story, aber mit einigen Ungereimtheiten

Trotzdem ist die Story nicht schlecht, man bekommt nur nicht unbedingt das geboten, was man vor der Lektüre wahrscheinlich erwartet hat. Spannend geschrieben ist die Mörderjagd auf jeden Fall und das hohe Erzähltempo sowie einige Wendungen lassen auch keine Langeweile aufkommen, allerdings trüben ein paar vermeidbare Fehler den Lesegenuss ein wenig. Da ist zum einen die Nebenhandlung mit dem Medienmanager Albert Torino und seiner neuen TV-Show. Die Daseinsberechtigung dieser Mini-Story ist mir bis zum Schluss nicht ganz klar geworden. Denn obwohl die Konzeption und Durchführung des „Shebay“-Formats einen nicht geringen Teil des Buches einnimmt, so ist das Resultat doch eher mau – das hätte man am Ende auch anders gestalten können. Dann gibt es da noch eine Reihe von kleinen Unglaubwürdigkeiten, über die man sich als Leser schon von Zeit zu Zeit wundern muss. Da werden dann plötzlich Käfer zu DNA-Langzeitspeichern, in Krankenhäusern werden neuerdings bei Blutproben direkt DNA-Profile erstellt (ob das mal nicht gegen irgendwelche Persönlichkeitsrechte verstößt?) oder ein Konzernchef eines Online-Videoportals hat – warum auch immer – das Kennwort für den Administratorbereich, das eigentlich nur die Programmierer benötigen – lauter Kleinigkeiten, die zwar alle keine großen Patzer sind, aber doch nicht immer plausibel klingen.

Ausbaufähige Hauptfigur & zu perfekte Täteranalysen

Auch die Charakterzeichnung lässt bei „Final Cut“ zu wünschen übrig. Zwar erfährt man auf den ersten Seiten recht viel über die weibliche Hauptfigur, danach bleibt man aber über die gesamte Länge mehr oder weniger auf dem gleichen Wissensstand. Denn bis auf das Kindheitstrauma rund um die ermordete Schwester bleibt die Figur der Clara Vidalis ungewöhnlich blass. Selbst die Tatsache, dass der Killer offenbar gezielt mit der Polizistin Kontakt aufnimmt und sie in sein perfides Spiel mit einbezieht, kann der toughen Ermittlerin keine weiteren Facetten entlocken. Dann gibt es da auch noch den besserwisserischen Profiler, der aufgrund seiner Faszination für Shakespeare super-originell „MacDeath“ genannt wird. Zwar sind die Analysen des Psychologen nicht uninteressant, doch dass der Mann mit seinen Vermutungen von Anfang bis Ende ohne Fehler haargenau ins Schwarze trifft, ist eine weitere der vielen Unglaubwürdigkeiten. Es fehlte nur noch, dass „MacDeath“ anhand der Leichen auch gleich den Namen des Killers hätte ableiten können…

Schlussfazit:
„Final Cut“ ist gewiss kein schlechter Thriller, dafür liest er sich einfach zu flüssig und spannend ist die Geschichte auch. Allerdings trüben viele Kleinigkeiten den guten Gesamteindruck. So sind die Figuren nicht gut genug ausgearbeitet, es gibt zu viele Ungereimtheiten und die Story ist einfach unnötig brutal. Nichts gegen blutige Details oder eklige Szenen, doch hier ist die Gewalt oft einfach reiner Selbstzweck und für die Geschichte in diesem Ausmaß keinesfalls notwendig.

Solider Thriller mit unnötigen Mängeln

Am meisten habe ich mich aber darüber geärgert, dass die Thematik rund um soziale Netzwerke und Internetkriminalität einfach viel zu kurz kommt und der Inhaltsbeschreibung sowie der Promotion rund um das Buch überhaupt nicht gerecht wird. „Final Cut“ ist keineswegs ein Facebook-Thriller, wie man es nach dem Klappentext zurecht erwarten darf, sondern ein weitestgehend gewöhnlicher Thriller, der sich überwiegend um ganz andere Themen dreht. Ich habe mich aber wie gesagt gut unterhalten gefühlt und somit landet das Buch bei mir trotz offenkundiger Schwächen immer noch im befriedigenden Wertungsbereich.

Meine Wertung: 7/10

Informationen:
„Final Cut“ von Veit Etzold ist bei Bastei Lübbe erschienen und hat einen Umfang von 447 Seiten. Das Buch ist für 8,99 € als Taschenbuch erhältlich. Weitere Infos gibt es auf der Verlags-Homepage.

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