Autor: Yrsa Sigurdardottir
Umfang: 384 Seiten
Verlag: Fischer
Erscheinungsdatum: November 2006

Klappentext:
Der deutsche Student hat ein schreckliches Geheimnis.
Es ist vierhundert Jahre alt.
Und hat ihn gerade das Leben gekostet.

In der Universität von Reykjavík wird die Leiche eines jungen Deutschen gefunden. Der Geschichtsstudent war fasziniert von alten Hexenkulten, und sein Mörder hat ihm ein merkwürdiges Zeichen in die Haut geritzt. Aber die isländische Polizei glaubt an einen Drogendelikt und verhaftet einen Dealer. Die Eltern des Opfers misstrauen den Ermittlungen: Sie beauftragen die junge Anwältin Dóra Guðmundsdóttir, den Fall noch einmal aufzurollen. Und auf der Suche nach dem wahren Mörder findet Dóra über dunkle Rituale mehr heraus, als ihr lieb ist …

Meine Buchbesprechung:
Dora Gudmundsdottir ist Anwältin in einer kleinen Kanzlei in der isländischen Hauptstadt Reykjavik und alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. Eines Morgens erhält sie im Büro den Anruf von Amelia Guntlieb, einer wohlhabenden Frau aus Deutschland, die sie mit einem außergewöhnlichen Fall beauftragen möchte. Ihr Sohn, Harald Guntlieb, studierte am Historischen Institut der Universität von Island und ist vor kurzem einem Mord zum Opfer gefallen. Zwar hat die örtliche Polizei wenig später den vermeintlichen Täter – einen Drogendealer aus dem Freundeskreis Haralds – verhaftet, doch die Familie Guntlieb bezweifelt, dass es sich dabei um den wahren Mörder handelt. Da Dora der deutschen Sprache mächtig ist, soll sie im Auftrag der Guntliebs eigene Ermittlungen anstellen. Obwohl die Anwältin eher im Vertragsrecht zuhause ist, nimmt sie den Fall nach kurzem Zögern an, denn ihre Auftraggeberin stellt ihr ein äußerst lukratives Honorar in Aussicht.

Alleinerziehende Anwältin muss den Mord an einem deutschen Studenten aufklären

Fortan konzentriert sich Dora ausschließlich auf den Mordfall Harald Guntlieb und bekommt dabei Unterstützung von dem Deutschen Matthias Reich, einem Vertrauten der Familie. Dieser klärt sie über die bisherigen Ermittlungen auf und macht sich mit der Anwältin zusammen auf Spurensuche. Wie sich herausstellt, war der Ermordete sehr interessiert an der Geschichte der Hexenverfolgungen und unter anderem Mitglied in einem kleinen Verein, der sich mit magischen Ritualen beschäftigt. Dora und Matthias vermuten einen Zusammenhang zwischen dem Mord und dem Fachgebiet des Studenten, denn in die Leiche hat der Täter ein mysteriöses Zeichen hineingeritzt, welches wie eine geheimnisvolle Rune aussieht…

Auftakt der „Dora Gudmundsdottir“-Serie aus der Feder der „Geisterfjord“-Autorin

„Das letzte Ritual“ ist der erste Kriminalroman aus der Feder der isländischen Autorin Yrsa Sigurdardottir, die im letzten Jahr mit ihrem Mystery-Thriller „Geisterfjord“ für Aufsehen gesorgt hat. Allerdings erschien das Buch bereits im Jahr 2005 und stellt den Auftakt der Reihe um die Anwältin Dora Gudmundsdottir dar, aus der bis heute schon fünf Romane erschienen sind. Zuvor war die Isländerin vor allem als Autorin von Kinderbüchern in Erscheinung getreten.

Isländisch-deutsches Ermittlerduo mit Biss und Herz

Im Fokus der Geschichte steht wie erwähnt die Anwältin Dora, die überraschend mit der Morduntersuchung im Fall Harald Guntlieb beauftragt wird. Das ist zwar eigentlich nicht ihr Spezialgebiet, doch den lukrativen Auftrag kann sie als alleinerziehende Mutter einfach nicht ausschlagen. Kurz darauf trifft sie auch schon auf Matthias Reich, ihren Partner bei den Ermittlungen. Dieser wird anfangs ein wenig als Klischee-Deutscher dargestellt: stocksteif, in der Bürokratie zuhause, sein Englisch hat einen harten Akzent und zum Lachen geht er in den Keller. Glücklicherweise ist das jedoch nur der erste Eindruck, denn umso vertrauter Dora und Matthias durch die gemeinsame Arbeit werden, desto mehr taut der undurchsichtige Berater auf. Plötzlich gibt es zwischen den beiden hitzige Wortduelle mit beißendem Sarkasmus, in denen keiner der beiden Protagonisten zurückstecken will. Während der Hintergrund des Deutschen immer ein wenig geheimnisvoll bleibt und man so gut wie nichts über seine eigentliche Arbeit oder sein Privatleben erfährt, kommt bei der Anwältin Dora auch der familiäre Aspekt nicht zu kurz: Das Verhältnis zum Ex-Mann ist angespannt, der pubertierende Sohn zieht sich immer mehr zurück und die aufgeweckte Tochter fordert die volle Aufmerksamkeit ihrer Mutter. Hier kann Dora neben der energischen und forschen Ermittlerin auch ihre menschliche Seite zeigen, wodurch sie als Hauptfigur sehr sympathisch wird.

Interessanter Kriminalfall mit einer Lektion in isländischer Kirchenhistorie

Auch der Kriminalfall ist interessant, wird sorgfältig aufgebaut und die Suche nach dem Mörder bleibt über die gesamte Distanz spannend, zumal der Leser des öfteren auf eine falsche Fährte geführt wird. Allerdings ist die Thematik des Buches schon ein wenig speziell und hat mich persönlich nicht immer voll mitgerissen. Das liegt vor allem daran, dass rund um die Hexenverfolgungen einiges an isländischer Geschichte aufgefahren wird, welche aber überwiegend den kirchlichen Bereich umfasst. Hier geht es dann um Ereignisse und Rituale aus dem 15. und 16. Jahrhundert und um historische Persönlichkeiten wie z.B. ehemalige Bischöfe und ihren Beitrag zur kirchlichen Historie. Das ist an manchen Stellen etwas langatmig und aufgrund der nicht immer einfachen isländischen Namen gelegentlich auch verwirrend, da es manchmal schwierig ist, die Zusammenhänge korrekt im Gedächtnis zu behalten.

Angenehmer flüssiger Schreibstil mit ungewohnter Anrede in Dialogen

Der Schreibstil von Yrsa Sigurdardottir ist durchweg sehr angenehm und besticht immer wieder durch interessante Dialoge. Etwas befremdlich ist dabei jedoch die Tatsache, dass in Gesprächen fast immer die in Island übliche Du-Form gewählt wird, selbst wenn sich die Personen zum ersten Mal treffen und unabhängig vom sozialen Status. Dies ist ungewohnt, auf diese Besonderheit wird aber in einer Anmerkung am Buchanfang extra hingewiesen. Gelegentlich hat die Autorin am Ende des Kapitels auch kleine Cliffhanger eingestreut, die allerdings nicht so wirkungsvoll sind wie im hochspannenden „Geisterfjord“.

Schlussfazit:
„Das letzte Ritual“ von Yrsa Sigurdardottir ist ein spannender Kriminalroman mit ungewöhnlicher Thematik und einem sehr interessanten und sympathischen Ermittlerduo, welche sich hervorragend ergänzt und auch durch so manches Wortgefecht Reizpunkte setzt. Den historischen Einfluss rund um den Bereich des Hexenkultes und mysteriöser Rituale muss man allerdings mögen, sonst könnte manche Erläuterung die Geduld des Lesers arg strapazieren.

Spannender Nord-Krimi – aber nicht mit „Geisterfjord“ vergleichbar

Außerdem sollte man nicht den Fehler machen, ein zweites „Geisterfjord“ von diesem Titel zu erwarten. „Das letzte Ritual“ ist weder Thriller noch Mystery und im Gegensatz zu der etwas paranormalen Geistergeschichte durch und durch bodenständig. Es handelt sich schlicht und einfach um einen Kriminalroman vor der Kulisse der isländischen Hauptstadt, der Freunde von nordischen Krimis sicherlich ansprechen dürfte. Allerdings werden die Erwartungen durch den reißerischen Klappentext („schreckliches vierhundert Jahre altes Geheimnis“) ein wenig zu hoch angesetzt, so spektakulär wie angekündigt ist die Auflösung letztendlich nicht. Trotzdem werden die aufgeworfenen Fragen zu einem zufriedenstellenden Abschluss gebracht. Ich habe mich von dem Buch jedenfalls gut unterhalten gefühlt und hoffe, dass auch im nächsten Band „Das gefrorene Licht“ wieder das isländisch-deutsche Duo an den Start geht und nicht nur die Anwältin alleine, denn das schlagfertige Gespann Dora Gudmundsdottir/Matthias Reich hat durchaus Potenzial.

Meine Wertung: 8/10

Informationen:
„Das letzte Ritual“ von Yrsa Sigurdardottir ist im Fischer Verlag erschienen und hat einen Umfang von 384 Seiten. Das Buch ist für 7,95 € als Taschenbuch erhältlich. Weitere Infos gibt es auf der Verlags-Homepage.

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