Sie sehen dich
Autor: Harlan Coben
Sprecher: Detlef Bierstedt
Länge: 12 Std. 40 Min. (ungekürzt)

Inhaltsbeschreibung von audible.de:
Tia und Mike Baye haben ein Spionageprogramm auf dem Computer ihres sechzehnjährigen Sohns Adam installiert. Aus Sorge. Denn seit sich Adams bester Freund Spencer Hill sich das Leben genommen hat, zieht sich Adam so sehr in die Welt des Internets zurück, dass seine Eltern fürchten, ihr Sohn könnte ihnen komplett entgleiten.
Doch noch bevor sie ein klärendes Gespräch mit Adam führen können, beginnt der Horror für die Bayes: Adam kommt nicht von der Schule nach Hause, und am selben Tag filtert die Spy-Software eine alarmierende Nachricht aus seinem Maileingang: „Verhalte dich ruhig, dann passiert dir nichts!“ In der Zwischenzeit stößt Spencers Mutter Betsy in einem Internetforum, das Spencers Mitschüler zu seinem Andenken eingerichtet haben, auf ein beunruhigendes Foto: Spencer in der Nacht seines Todes. Er war nicht allein – und er hatte Angst.
Auch wenn sie es nicht genau erkennen kann, ist sich Betsy sicher, dass es sich bei dem Unbekannten auf dem Foto um niemand anderen als Adam handelt. Schließlich muss sie zusammen mit den anderen Eltern erkennen, dass etwas zutiefst Böses in ihre Gemeinschaft Einzug gehalten hat. Wie weit sind Tia und Mike Baye bereit zu gehen – zum Schutz ihres Kindes?

Zum Hörbuch:
Nach dem Selbstmord seines Freundes Spencer Hill ist der Teenager Adam Baye immer verschlossener geworden. Er verbringt den Großteil seines Tages am Computer in den Weiten des Internets und seine Eltern Tia und Mike haben kaum noch Zugang zu ihm. Aus Sorge, Adam könnte eine ähnliche Entwicklung durchlaufen wie sein toter Freund, lassen die Bayes ein Spionageprogramm auf dem Computer ihres Sohnes installieren, welches sie fortan über alle virtuellen Ereignisse auf dem Laufenden hält: ein- und ausgehende E-Mails, mysteriöse Chats und aufgerufene Internetseiten.

Besorgt über die Resultate des Programms wollen Tia und Mike ein klärendes Gespräch mit Adam führen, doch bevor es dazu überhaupt kommen kann, verschwindet der Teenager plötzlich spurlos. Mike macht sich sofort auf die Suche nach seinem Sohn und verfolgt seine Spuren bis zu einem zweifelhaften Club für Jugendliche. Doch bevor er seine Nachforschungen vertiefen kann, wird er auf der Straße von Unbekannten brutal zusammengeschlagen.

Unterdessen quält sich die Mutter des toten Spencer mit Selbstvorwürfen, gibt sie sich doch mit die Schuld am Suizid ihres Sohnes. Auf einer Gedenkseite im Internet, die Spencers Freunde für ihn eingerichtet haben, macht sie zudem eine beunruhigende Entdeckung. Sie stößt auf ein Foto, welches Spencer kurz vor seinem Tod zeigt. Doch er ist nicht alleine auf diesem Bild – die unbekannte Person im Hintergrund hat starke Ähnlichkeit mit dem verschwundenen Adam. Was geschah also wirklich am Abend von Spencers Tod? Nahm ihr Sohn selbst die tödliche Überdosis Medikamente, oder wurde er sogar ermordet?

Die Polizistin Lauren Muse steckt derweil in den Ermittlungen rund um zwei verschwundene Frauen. Zudem wird kurz darauf die grausam entstellte Frauenleiche einer Prostituierten gefunden. Fieberhaft fahndet sie nach der Identität der Toten und stößt dabei auf ein Netz der Gewalt.

Wie man also sieht, ist der Roman vom Aufbau her absolut Coben-typisch. Viele verschiedene Handlungsstränge, die auf den ersten Blick scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Dabei trifft der Hörer auf alte Bekannte aus vorherigen Coben-Romanen, wie z.B. besagter Chef-Ermittlerin Muse oder Staatsanwalt Paul Copeland, welcher die Hauptfigur des Buches „Das Grab im Wald“ war.

Leider kann ein Großteil der Handlungsstränge nicht überzeugen. Die Geschichte um den verschwundenen Adam Baye und seine Eltern ist insgesamt recht unspektakulär, da schnell klar wird, dass Adam freiwillig abgehauen ist. So begleitet man dann den Vater bei seiner verzweifelten Suche. Diese Story hat jedoch nicht das Potenzial, über mehrere Stunden die Aufmerksamkeit des Hörers zu binden.

Ähnlich sieht es bei der Mutter des Suizid-Opfers aus. Auch hier kommt kaum Schwung in die Geschichte. Zudem ähneln sich die verschiedenen Plots zu sehr, irgendwie geht es immer um die Probleme zwischen Eltern und ihren Kindern. So passierte es mir mehrmals, dass ich die Namen durcheinander brachte, weil sich die der Protagonisten so sehr ähnelten. Dann gibt es da außerdem noch den verzweifelten Lehrer, der sich seit einem Zwischenfall im Unterricht, bei dem er eine Schülerin mit ihrem Damenbart aufzog, schwere Vorwürfe macht und in einer mittelschweren Lebenskrise steckt.

Der Kriminalfall um die beiden verschwundenen Frauen bietet leider ebenfalls wenig Spannung, da der Hörer von Anfang an weiß, dass sie einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen sind. Außerdem kennt man von Beginn an die Identität des Täters, sodass kaum noch Fragen offen bleiben. So geht es für den Hörer eigentlich nur noch um die Motive des Killers und die Frage, wie die Morde in den großen Gesamtrahmen der Geschichte passen.

Am Ende des Hörbuches werden dann – wie man es von Harlan Coben kennt – alle Plots miteinander verbunden. Normalerweise erfolgt dies ja mit einem angenehmen Überraschungseffekt und mit einer gewissen Glaubwürdigkeit. Wie Coben hier die Fäden aber zusammenführt, erscheint doch äußerst fragwürdig. Da ist dann der Lehrer plötzlich der Schwager des Killers und so weiter. Zudem sind die Motive für den Doppelmord ebenfalls nicht stark genug. Auch die Auflösung der Geschichte um die beiden Teenager ist unspektakulär und vorhersehbar. Es scheint am Ende fast so, als hätte sich der Autor in seinen verschiedenen Handlungssträngen verrannt und müsste diese nun krampfhaft miteinander verknüpfen. Das hat man von Coben wirklich schon besser gesehen.

Zum Sprecher:
„Sie sehen dich“ wird – keine große Überraschung – wie alle Coben-Titel von Detlef Bierstedt vorgelesen. Der Synchronsprecher von George Clooney spult hier routiniert sein Programm ab, ohne jedoch wirklich besonders positiv aufzufallen. Damit passt er sich also gut in den Gesamteindruck des Hörbuches ein. Nicht wirklich schlecht – hat man aber auch schon deutlich besser gehört.

Mein Fazit:
Der Titel des Hörbuches, „Sie sehen dich“, klingt nach einer spannenden Verschwörungstheorie mit Spionage-Elementen frei nach dem Big-Brother-Prinzip. Leider geht es dabei aber vorrangig um die Spy-Software, die von den Eltern des flüchtigen Jugendlichen eingesetzt wird. Auch die Inhaltsbeschreibung hängt die Erwartungen zu hoch: So habe „etwas zutiefst Böses in ihre Gemeinschaft Einzug gehalten“. Dafür ist die finale Auflösung dann aber zu gewöhnlich. Zwar wirft der Plot einige interessante Fragen auf, z.B. was das Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und ihren Kindern betrifft. Doch diese Themen alleine schaffen es nicht, den Hörer über knapp 13 Stunden zu fesseln. Gemessen am recht hohen Harlan-Coben-Maßstab war dieser Titel für mich also eher eine kleine Enttäuschung. Ehrlich gesagt ist „Sie sehen dich“ meiner Meinung nach sogar das schwächste der bisher von mir gehörten Coben-Titel (und das sind immerhin schon neun Stück). Neueinsteiger in die Harlan-Coben-Romane würde ich da eher die Hörbücher um Myron Bolitar oder den quasi-Vorgänger „Das Grab im Wald“ ans Herz legen. „Sie sehen dich“ bietet leider lediglich durchschnittliche Thriller-Unterhaltung ohne wirklichen Thrill.

Meine Wertung: 5/10

Informationen:
Das Hörbuch hat eine Länge von 12 Stunden und 40 Minuten und ist ungekürzt für 24,95 € bei audible.de erhältlich (9,95 € im Flexi-Abonnement). Eine auf knapp sechs Stunden gekürzte Fassung gibt es bereits für 11,95 €. Der Trailer zu „Sie sehen dich“ ist unten eingebettet, weitere Informationen gibt es auf der Detail-Seite bei audible.de

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