Wer bisher noch keinen Roman der beiden Schweden Jerker Eriksson und Håkan Axlander Sundquist – die ihre Bücher unter dem gemeinsamen Pseudonym “Erik Axl Sund” schreiben – gelesen hat, der sollte vermutlich auch nicht gerade mit “Waldgrab” damit anfangen. Das liegt nicht etwa daran, dass die Geschichten der beiden nicht lohnenswert seien, sondern an einer unverkennbaren Eigenwilligkeit in ihrem Stil – nicht unbedingt sprachlich, sondern eher in der Art und Weise, wie die Romane inhaltlich aufgebaut sind und über die einzelnen Bände hinweg ein komplexes Gesamtbild erschaffen.

Ein weiteres Puzzlestück eines komplexen Story-Mosaiks

Theoretisch könnte man “Waldgrab” auch als eigenständige Geschichte konsumieren, denn die drei Bücher der hierzulande als “Kronoberg-Reihe” laufenden Serie haben gar nicht mal so viel gemein und erzählen auch keine fortlaufende Handlung. So hat der dritte Band auch diesmal wieder eine andere Hauptfigur als die vorhergehenden, in diesem Fall nämlich vorrangig den Polizisten Jimmy Schwarz – wobei dieser eigentlich auch wieder nur einer unter vielen ist, denn so richtig wollten sich die beiden Autoren wohl auch hier nicht festlegen. Als bekanntes Gesicht ist in “Waldgrab” zum Beispiel auch wieder die Kommissarin Jeanette Kihlberg mit von der Partie, die Protagonistin der “Victoria-Bergman-Trilogie” aus der Feder des gleichen Autorenduos.

Eine Mordserie, ein mysteriöses Kind und ein umstrittener Autor

Dieser Wechsel zwischen den Hauptfiguren ist für eine Romanreihe unkonventionell, verdeutlicht aber bereits ganz gut, dass sich “Erik Axl Sund” nicht wirklich in Schubladen stecken lässt und die beiden ihr ganz eigenes Ding machen. So beginnt “Waldgrab” zwar noch recht Genre-typisch mit dem Fund einer Leiche, richtet den Fokus dann aber zunehmend auf ein rätselhaftes Kind, das wie aus dem Nichts in den Straßen Stockholms auftaucht und immer wieder die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich zieht. Dazu gesellt sich dann noch ein etwas exzentrischer Autor, der mit seinem polarisierenden Roman durch die Medienlandschaft Schwedens tingelt. Und auch dieses viel diskutierte Werk ist hier vertreten und bricht immer wieder durch kurze Auszüge die Gegenwartshandlung auf.

Inhaltlich oft sperrig und nicht immer spannungsgeladen

Es geht also gewohnt ungewöhnlich zu und so wird anfangs lange auch nicht wirklich klar, in welchem Kriminalfall die beteiligten Personen überhaupt unterwegs sind. Dadurch vergeht rund ein Drittel des Buches ein wenig orientierungslos, bis die Geschichte erst einmal ansatzweise interessant wird und langsam Spannung aufbaut. Vor allem die “Buch im Buch”-Nebenhandlung mit eher historischem Setting nimmt sehr viel Raum ein, ist jedoch oft langatmig und lenkt immer wieder störend vom Hauptfall ab. Diese Kapitel wirken zudem inhaltlich so unpassend und befremdlich, dass ihr einziger Zweck – nämlich der groß anlegte Plottwist – früh zu erahnen ist. Hat man diesen dann vorzeitig entlarvt, zieht sich das Finale dann doch arg in die Länge und kann die beabsichtigte Wirkung nicht mehr voll entfalten.

Gewohnt unbequemer, aber stellenweise langatmiger Schweden-Krimi

Trotz der insgesamt eher enttäuschenden Geschichte sind die Stärken des Autorenduos aber auch bei “Waldgrab” in Teilen erkennbar, denn auch hier bekommt man wieder einen Kriminalroman geboten, der sich traut eigene Wege zu gehen und nicht dem klassischen Schema folgt – allerdings sind die Schritte von Erik Axl Sund eben mitunter gewöhnungsbedürftig. Zu dem unkonventionellen Vorgehen zählt hier übrigens auch die Einführung eines Transgender-Charakters, der auf spannende Weise in das Universum von Erik Axl Sund integriert wird und sogar auf gewisse Weise den Bogen zur ersten Trilogie spannt. Auch hier gilt also wieder: wer Abwechslung von gewöhnlichen Skandinavienkrimis sucht, düstere und deprimierende Geschichten reizvoll findet und sich nicht scheut, in menschliche Abgründe zu blicken, wird in der Romanwelt von Jerker Eriksson und Håkan Axlander Sundquist vielleicht fündig – auch wenn “Waldgrab” nicht die emotionale Wucht früherer Bände entfalten kann.

Waldgrab (Kronoberg #3) – Erik Axl Sund
  • Autor:
  • Original Titel: Vit Melankoli
  • Reihe: Kronoberg #3
  • Umfang: 496 Seiten
  • Verlag: Goldmann
  • Erscheinungsdatum: 18. Januar 2023
  • Preis Broschiert 15,00 €/eBook 9,99 €
Cover:
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Gesamt:
6/10
Fazit:
Ein weiterer unkonventioneller und unbequemer Kriminalroman aus dem Universum von Erik Axl Sund, der diesmal jedoch oft etwas sperrig und spannungsarm ausfällt.

Kommentar verfassen: