Man kann vom literarischen Schaffen von Sebastian Fitzek halten, was man möchte – eines kann man dem Bestsellerautor jedoch wohl kaum vorwerfen: mangelnde Kreativität. Diese manifestiert sich zwar nicht selten in absurden Handlungskonstrukten und fragwürdigen Gewaltexzessen, hat aber gerade in den Frühwerken Fitzeks auch den ein oder anderen denkwürdigen und überaus gelungenen Plottwist hervorgebracht.

Buch, Hörbuch, Hörspiel, CD – wo überhaupt anfangen?

Bei “Playlist” zeigt sich die schier grenzenlose Vorstellungskraft des Autors aber schon vor der eigentlichen Lektüre, denn dieser Thriller ist nicht einfach nur ein Roman, sondern regelrecht ein crossmediales Erlebnis, das über das simple Lesen weit hinausgeht – wenn man denn möchte. Denn wer auf Multimedia-Inhalte keine Lust hat, kann “Playlist” auch ganz gewöhnlich als Buch konsumieren und es dabei belassen. Wer hingegen alles mitnehmen möchte, der muss sich zunächst einmal durch ein Überangebot an Inhalten arbeiten, denn bei Roman, Musik-CD, Hörbuch, Hörspiel und Premium-CD (für Retro-Fans sogar als Vinyl erhältlich) muss man sich erst einmal einen Überblick verschaffen, wo man überhaupt anfängt und was sich womöglich sogar doppelt.

Spiel mir das Lied vom Tod

Doch worum geht es hier überhaupt? Ausgangspunkt der Geschichte(n) ist das Verschwinden der 15-jährigen Feline Jagow, die zuletzt auf ihrem Schulweg gesehen wurde und seit inzwischen einem Monat vermisst wird. Da vielversprechende Hinweise auf den Verbleib des Mädchens fehlen und die Polizei keine Fortschritte macht, wird der private Ermittler Alexander Zorbach von Felines Mutter um Hilfe gebeten. Und hier kommt der Titel dieses Projekts ins Spiel, denn über Umwege kommt Zorbach auf die Spur des MP3-Players der Teenagerin und einer besonderen und übers Internet gestreamten Playlist, mit der Feline womöglich Hinweise auf ihren Aufenthaltsort zu senden versucht.

Viel Aufwand und namhafte Künstler

Das klingt etwas schräg und wieder mal nach einer von Fitzeks berüchtigten kreativen Freiheiten, allerdings ist die Umsetzung dieser Idee durchaus interessant, denn: die im Verlauf der Handlung immer wieder thematisierte Playlist gibt es nämlich wirklich und wurde sogar extra für dieses Werk mit namhaften Künstler:innen wie Rea Garvey, Kool Savas, Tom Walker, JORIS oder Silbermond produziert. Und diese CD kann sich nicht nur sehen lassen, sondern deckt auch eine recht breit gefächerte Musikpalette ab, sodass hier fast für jede:n etwas Gefälliges dabei sein sollte. Eines haben die Songs aber alle gemeinsam: sie passen musikalisch und textlich hervorragend zu Fitzeks Geschichte und man merkt, dass sich der Autor und sein Team hier wirklich Mühe gegeben haben, einen Mehrwert zu schaffen.

Auch der Autor selbst greift zum Mikrofon

Wem Buch und/oder Hörbuch und Musik-CD aber noch nicht ausreichen, der kann auch noch zur Premium-Variante des Albums greifen und bekommt neben den Songs noch einen insgesamt 35-minütigen Prolog zu “Playlist” geboten, der aufgeteilt in kurze Schnipsel von keinem geringerem als dem Autor selbst gelesen wird – und auch hier macht Sebastian Fitzek seine Sache überraschend gut und kann sein Publikum mit einer lohnenswerten Kurzgeschichte und einem eindringlichen Vortrag gefangen nehmen. Und auch wenn Simon Jäger als Fitzek-Stammsprecher und Erzähler der Hörbuchversion mit all seiner Routine noch in einer höheren Liga spielt, macht die Lesung einen überaus professionellen Eindruck.

Vorsicht bei der Hörspielversion!

Wer davon immer noch nicht genug hat oder direkt mit noch mehr Kopfkino beginnen möchte, der kann auch zur ebenfalls von Jäger erzählten Hörspielfassung greifen, in der mit David Nathan ein weiterer Stimm-Hochkaräter als Ermittler Zorbach mit von der Partie ist. Eine Warnung sei hier jedoch dringend ausgesprochen: denn wer sich als Hörspiel-Routinier bezeichnen würde und sich in der deutschen Sprecher:innen-Szene ein wenig auskennt, sollte “Playlist” zumindest nicht exklusiv in dieser Fassung konsumieren, da der Täter hier trotz verstellter Stimme bereits sehr früh überführt werden kann – hier wäre eine stärkere Verfremdung zwingend notwendig gewesen. Dieser Hinweis sei vor allem an Fans von “Die drei ???” gerichtet, die sich hier sicher nicht hinters Licht führen lassen.

Ist die Geschichte den ganzen Aufwand wert?

Doch was hat “Playlist” neben dem ganzen Vermarktungs-Zirkus überhaupt inhaltlich zu bieten? Und auch hier kann Fitzek insgesamt positiv überraschen, denn auch wenn der deutsche Thriller-Superstar in gewohnter Manier mitunter zur ein oder anderen Übertreibung neigt, wirkt “Playlist” im Vergleich zu manchem Unsinn der jüngeren Vergangenheit fast schon bodenständig und kommt ohne allzu absonderliche Brutalität und die ganz wilden Story-Eskapaden aus. Das ist vielleicht auch darauf zurückzuführen, dass Fitzek hier auch inhaltlich an seine Frühwerke anschließt, wie Fans anhand des Namens der Hauptfigur bereits erkannt haben dürften. Denn Alexander Zorbach war bereits Protagonist in den 2010 und 2011 erschienenen Romanen “Der Augensammler” und “Der Augenjäger” und mit der blinden Psychologin Alina Gregoriev ist auch eine weitere Bekannte von damals wieder mit von der Partie. Durch die inhaltliche Verbindung kommt es offenbar auch zu einer stilistischen Annäherung des Autors an die eigenen Anfänge und auch wenn in “Playlist” längst nicht alles Gold ist, was glänzt, so weiß die Geschichte auf vielen Ebenen zu fesseln und dürfte den ein oder anderen abgerückten Fan womöglich wieder etwas versöhnen – oder zumindest zur Annäherung einladen.

Playlist – Sebastian Fitzek
  • Autor:
  • Sprecher: Simon Jäger
  • Reihe: Zorbach & Gregoriev #3
  • Länge: 8 Std. 57 Min. (ungekürzt)
  • Verlag: Audible Studios
  • Erscheinungsdatum: 27. Oktober 2021
  • Preis 9,95 € im Audible-Flexi-Abo
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Sprecher:
Gesamt:
8/10
Fazit:
Mit seinem Crossmedia-Projekt "Playlist" hat sich Sebastian Fitzek viel vorgenommen, doch die aufwändige Umsetzung weiß zu überzeugen.

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