Tags: Der Audio Verlag, Dr. John Watson, Erpressung, London, Moriarty, Neues aus der Baker Street, Sherlock Holmes
Genre: Krimi, Thriller
Lange fünf Jahre nach der ersten Staffel ist die Hörspielreihe „Sherlock & Watson: Neues aus der Baker Street“ endlich zurück – zwar noch nicht gleich mit allen fünf neuen Episoden, dafür aber immerhin mit einem Doppelpack zum Auftakt (die restlichen drei Folgen erscheinen im Januar, Februar und März 2021). Nachdem „Die Crumply-Morde oder Das Zeichen der Vier“ den Anfang gemacht hat, geht es in Episode sieben mit dem „Skandal im Bohemia“ weiter. An dem grundlegenden Konzept der Reihe hat sich natürlich auch diesmal nichts geändert, wie gehabt verlegt „Sherlock & Watson“ die legendären Sherlock-Holmes-Erzählungen von Sir Arthur Conan Doyle ähnlich wie die erfolgreiche BBC-Serie „Sherlock“ in die Gegenwart und lässt den berühmten Meisterdetektiv und seinen Kompagnon Dr. John Watson im London des 21. Jahrhunderts ermitteln.
„Ein Skandal in Böhmen“ in moderner Neuinterpretation
Dabei gilt auch weiterhin das Motto „frei nach den Motiven von Sir Arthur Conan Doyle“ und wie der Episodentitel bereits verrät basiert der Fall diesmal auf der Kurzgeschichte „Ein Skandal in Böhmen“, die erstmals im Jahr 1891 erschienen ist. Allerdings ist das Hörspiel erneut keine reine Nacherzählung im neuen Gewand, stattdessen werden eher handelnde Figuren und ausgewählte Handlungselemente des Originals übernommen. Einer dieser Charaktere ist Godfrey Norton, der in der Neuinterpretation als verzweifelter Fernsehmoderator in Erscheinung tritt und sich mit einer für ihn äußerst delikaten Angelegenheit an Sherlock Holmes und Dr. Watson wendet: der vor allem durch Kindersendungen landesweit berühmt gewordene TV-Star wird nämlich mit pikanten Aufnahmen erpresst, die ihm beim munteren und freizügigen Treiben in einem exklusiven Londoner Privatclub zeigen. Die beiden Ermittler sollen Norton nun dabei helfen, den Erpresser ausfindig zu machen und damit zu verhindern, dass der bisher makellose Ruf des Moderators in der Öffentlichkeit ruiniert wird.
Der Kampf um Sherlocks guten Ruf geht weiter
Wie schon zuvor bei „Die Crumply-Morde oder Das Zeichen der Vier“ wird auch dieser Fall wieder rückblickend erzählt, denn Sherlock Holmes gilt nach dem dramatischen Ende der ersten Staffel und dem schicksalhaften Showdown mit seinem Erzfeind James Moriarty weiterhin als tot. Fünf Jahre nach den tragischen Ereignissen kämpft Watson gegen Verleumdungen wie die der Enthüllungsjournalistin Irene Adler, die mit ihren Behauptungen Sherlock Holmes als Verbrecher darstellt, der seine gelösten Fälle nur inszeniert hat, um sich dadurch selbst zu profilieren. Das von einem ganz besonderen Leser seines Blogs initiierte Aufrollen alter gemeinsamer Fälle soll Watson nun dabei helfen, den Ruf seines verstorbenen Freundes wiederherzustellen. Diese Mission scheint sich wie ein roter Faden durch die neue Staffel zu ziehen, denn während es sich bei der ersten Staffel noch vorrangig um eigenständige (Einzel-)Fälle handelte, erstrecken sich gewisse Handlungselemente nun auch über die einzelnen Episoden hinweg und geben diesen dadurch einen festen Rahmen.
Was geschah denn nun wirklich mit Sherlock Holmes?
Diese Neuerung tut der Staffel bisher gut und sorgt für zusätzliche Dramatik, bringt aber auch mit sich, dass innerhalb einer einzelnen Folge nicht alle Ereignisse aufgeklärt werden und offene Fragen zurückbleiben – man muss als Hörer:in also am Ball bleiben, um einerseits den Faden nicht zu verlieren und andererseits irgendwann die vollständige Auflösung zu erfahren. Bisher klappt dies noch ausgesprochen gut, es stellt sich aber mitunter schon die Frage, wie lange die Geheimniskrämerei der Autorin Viviane Koppelmann in Bezug auf DAS große Mysterium der Staffel noch funktioniert – schon jetzt wirkt z.B. Dr. John Watson angesichts der mittlerweile doch sehr offenkundigen Anspielungen zuweilen arg naiv und scheint mitunter ein recht großes Brett vor dem Kopf zu haben. Noch machen diese kleinen Hinweise jedoch Spaß, gleiches gilt auch für den Fall an sich, der besonders Fans der Originalwerke von Sir Arthur Conan Doyle immer wieder mit einigen bekannten Details erfreuen dürfte. Etwas befremdlich ist jedoch, dass manche Elemente oder auch konkrete Szenen wie schon in der Vorgängerfolge zum Teil recht nah an der BBC-Serie „Sherlock“ sind – hier ist der Grat zwischen gelungener Hommage und plumpem Abklatsch manchmal äußerst schmal.
Spannend, geheimnisvoll, atmosphärisch – bisher auch in Staffel 2
Das ist aber Meckern auf hohem Niveau, denn insgesamt ist auch „Skandal im Bohemia“ wieder eine sehr gute Folge geworden, die das moderne Konzept der Reihe erfolgreich fortsetzt und die klassischen Detektivgeschichten sehr gelungen in die Gegenwart transportiert. Erfreulich ist auch, dass die neuen Episoden mit Spielzeiten von 98 (Folge 6) bzw. 102 Minuten (Folge 7) bisher spürbar länger ausfallen als in der ersten Staffel, man bekommt also die geballte Ladung Kopfkino geboten. An der technischen Umsetzung gibt es wie gewohnt nichts auszusetzen, erneut darf man sich über stimmungsvolle Geräuschuntermalung, packende Musik und natürlich eine erstklassige Sprecherauswahl freuen, wobei diesmal vor allem Florian Lukas in seiner Rolle als Dr. Watson brilliert und nicht nur sehr glaubwürdig ernste und melancholische Momente rüberbringt, sondern auch für humorvolle Highlights der Folge sorgt: nämlich als überraschend prüder und verschämter Watson, der angesichts des anzüglichen Milieus der Ermittlungen von dem deutlich toleranteren Sherlock Holmes (und einer ebenfalls sehr aufgeschlossenen Mrs. Hudson!) immer wieder in Verlegenheit gebracht wird – herrlich! Wer Hörspiele mag und sich auch nur im Ansatz für das Universum von Sir Arthur Conan Doyle begeistern kann, für den bleibt „Sherlock & Watson: Neues aus der Baker Street“ also absolutes Pflichtprogramm!
Vielen Dank an Der Audio Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
Weitere Informationen zur Reihe „Sherlock & Watson: Neues aus der Baker Street“
Charaktere: | |
Story: | |
Atmosphäre: | |
Sprecher: |
8/10