Wenn man sich Smoky Barrett auf die eigene Hochzeit einlädt, darf man sich eigentlich nicht allzu sehr wundern, wenn die langersehnte und bis ins letzte Detail durchgeplante Feier plötzlich durch einen unangenehmen Zwischenfall unterbrochen wird und mal wieder ein Psychopath den vielleicht schlechtesten aller Zeitpunkte dazu wählt, um die FBI-Agentin zu einem weiteren perfiden Spiel herauszufordern. Da Callie Thorne, Smokys beste Freundin und treue Ermittler-Kollegin, aber aus der Vergangenheit einiges gewohnt ist und sich von einem normalen Leben in völliger Sicherheit wohl ohnehin schon lange verabschiedet hat, reagiert sie erstaunlich ruhig, als kurz nach dem Ja-Wort am Strand plötzlich ein schwarzer Mustang mit quietschenden Reifen an der Straße hält und eine mitgenommene, kahl rasierte Frau als besonderes „Hochzeitsgeschenk“ abliefert – und schon befinden sich Smoky Barrett und ihr Team mitten in einem neuen erschütternden Fall.

Smoky Barrett vs. den Abschaum der Menschheit, Runde 4

Ja, auch in „Ausgelöscht“, dem vierten Band der beliebten Smoky-Barrett-Reihe von Cody McFadyen, wird die nach all den Schicksalsschlägen und Torturen durchaus etwas bemitleidenswerte FBI-Agentin mal wieder direkt von einem Wahnsinnigen herausgefordert und man fragt sich schon ein wenig, ob dem Autor a) inzwischen ein wenig die Ideen ausgegangen sind und b) die Irren rund um Los Angeles eigentlich nichts besseres zu tun haben, als sich immer die gleiche Polizistin für ihre wahnsinnigen Spielchen herauszupicken. Und ja, auch diesmal darf man als Kenner der Reihe wieder zwischendurch mal kurz abschalten, wenn McFadyen erneut für alle Späteinsteiger die tragische (und inzwischen natürlich maßlos übertriebene) Lebens- und Leidensgeschichte der Ermittlerin herunterrasselt und mit „Copy & Paste“ auch wieder die fast ganzseitige obligatorische Wegbeschreibung von Smokys Gesichtsnarbe unterbringt – so ärgerlich diese ständigen Wiederholungen für eingefleischte McFadyen-Fans auch sein mögen, Neulinge werden für diese Zusammenfassungen sicherlich dankbar sein.

Friede, Freude, Eierkuchen im Hause Barrett?

Hat man sich aber damit abgefunden, dass die Smoky-Barrett-Reihe inzwischen so wenig mit der Realität zu tun hat wie der HSV mit gutem Fußball und hat auch die Wiederholungs-Passagen ein weiteres Mal überlesen, dann kann man auch mit „Ausgelöscht“ wieder viel Spaß haben – wobei „Spaß“ angesichts der Grausamkeiten, denen Smoky und ihr Team auch in dieser Geschichte begegnen, vielleicht nicht unbedingt der treffende Ausdruck ist. Denn auch der neue Fall ist wieder spannend, wenngleich es für Cody-McFadyen-Verhältnisse diesmal sogar fast schon zahm zugeht. Das beginnt damit, dass die Handlung diesmal nicht mit einem brutalen Mord, sondern „nur“ mit einem Entführungsfall beginnt und auch im weiteren Verlauf lange erstaunlich gewaltarm bleibt. Dazu passt auch, dass diesmal auch in Smokys Privatleben überraschende Harmonie herrscht: Liebes-Urlaub auf Hawaii, glückliches Eheleben mit ihrem frisch vermählten Mann Tommy, keine ermordete Person aus ihrem privaten Umfeld – man könnte fast sagen Smoky hat einen Lauf, wenn man einmal davon absieht, dass ihre Adoptiv-Tochter Bonnie lange nach ihrem verarbeiteten Trauma (der Ermordung ihrer Mutter) plötzlich ein paar beunruhigende Charakterzüge an den Tag legt. Dadurch fehlen zwar diesmal ein wenig die üblichen Reizpunkte und das ganz große private Drama, trotzdem ist es auch mal ganz angenehm, wenn die Arbeit mal verstärkt im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen darf.

Das bewährte McFadyen’sche Erfolgsrezept

Erfreulich ist auch, dass mit dem Computer-Experten Leo eine aus den Vorgängern bekannte (und sehr sympathische) Nebenfigur eine größere Rolle einnehmen darf und frischen Wind ins Team bringt, zudem wirkt auch die Geschichte selbst durch die Einbindung der von ihm durchgeführten Online-Recherche etwas moderner als die ersten Bände, in denen Smoky damals schon von den Socken war, wenn sie für neu eingegangene E-Mails eine automatische Benachrichtigung bekam. Trotzdem folgt auch „Ausgelöscht“ im Großen und Ganzen natürlich wieder dem bewährten Schema: Smoky muss gegen einen Superschurken ran, der wie schon seine Vorgänger glaubt, dass er der Agentin die Grenzen aufzeigen kann und und die vor ihm gescheiterten Psychopathen mit seinen ganz eigenen Grausamkeiten zu übertreffen versucht, es warten die üblichen schmerzhaften Rückschläge auf Smoky und ihr Team, die aber letztlich dann doch eher spurlos an allen vorübergehen und die Hauptfigur nur noch stärker machen und zwischendurch gibt es die gewohnten kurzen Episoden aus dem Hause Barrett zur Auflockerung.

Gewohnt spannend, aber mit den üblichen Schwächen

Das ist auch im vierten Anlauf noch spannend und kurzweilig, allerdings kommt auch „Ausgelöscht“ nicht an den Nervenkitzel des ersten Bandes „Die Blutlinie“ heran. Das liegt hauptsächlich daran, dass man als Leser nach all den Morden, seelischen Abgründen und Schicksalsschlägen für die Hauptfigur inzwischen ein wenig abgestumpft ist und Ereignisse wie diese nicht mehr die ganz große Schockwirkung haben wie noch zu Beginn der Reihe. Zudem fällt es aufgrund der extremen Häufung der schlimmen Ereignisse in Smokys Leben einfach schwer, die Bücher besonders glaubwürdig zu finden, was ebenfalls der Spannung nicht gerade zuträglich ist. Dennoch kommen Smoky-Barrett-Fans auch bei „Ausgelöscht“ wieder auf ihre Kosten, denn Cody McFadyen bleibt seinem Erfolgsrezept treu und bietet all das, was auch schon die ersten drei Bände ausgezeichnet hat: eine spannende Story, schockierende Tiefschläge und eine starke Ermittlerin, die allen Widrigkeiten trotzt und nicht ruht, bevor die Wahnsinnigen dieser Welt entweder im Knast oder im Kühlraum der Pathologie sind.

Ausgelöscht (Smoky Barrett #4)
  • Autor:
  • Original Titel: Abandoned
  • Reihe: Smoky Barrett #4
  • Umfang: 459 Seiten
  • Verlag: Bastei Lübbe
  • Erscheinungsdatum: 14. Oktober 2011
  • Preis Taschenbuch 9,99 €/eBook 8,49 €
Cover:
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Gesamt:
7/10
Fazit:
Cody McFadyen folgt auch im vierten Smoky-Barrett-Band „Ausgelöscht“ dem bewährten Erfolgskonzept und liefert einen weiteren spannenden und schockierenden Thriller ab, allerdings kämpft die Reihe durch die extreme Häufung an Grausamkeiten und Schicksalsschlägen zunehmend mit der Glaubwürdigkeit und könnte auch mal die ein oder andere frische Idee vertragen.

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