Smoky Barrett kommt einfach nicht zur Ruhe: Die FBI-Agentin, die in gerade mal zwei Romanen bisher schon mehr durchgemacht hat als andere Thriller-Ermittler nicht im Verlauf eines halben Dutzends von Büchern, muss auch im dritten Band der Erfolgsreihe von US-Bestsellerautor Cody McFadyen wieder Jagd auf den schlimmsten Abschaum der Menschheit machen. Ihr neuer Einsatz führt Smoky und ihr Team des CASMIRC, der Sondereinheit für die Ermittlung in besonders schlimmen Kindesentführungs- und Serienmörder-Fällen, dabei zunächst einmal raus aus dem heimischen Los Angeles bis ins ferne Virginia – und das auf Befehl von niemand geringerem als dem FBI-Chef persönlich. Der Mord, den es in „Das Böse in uns“ aufzuklären gilt, ist nicht nur besonders rätselhaft, sondern auch von enormer Brisanz: In einem gelandeten Flugzeug wurde die Leiche einer jungen Frau gefunden, die offenbar noch während des Fluges ermordet wurde, und die Tote kann schnell als Lisa Reid, Tochter eines einflussreichen Kongressabgeordneten, identifiziert werden. Smoky Barrett und ihr Team werden bei den Ermittlungen zur absoluten Diskretion verdonnert, denn die Tote wurde als „Dexter“ Reid geboren und befand sich mitten in einer Geschlechtsumwandlung – und dieser Umstand liefert politischen Zündstoff, den der Abgeordnete Reid, aussichtsreicher Kandidat bei der nächsten Wahl des Präsidenten der Vereinigten Staaten, überhaupt nicht gebrauchen kann…

Je mehr Morde, desto besser?

Wer die ersten beiden Bände der Smoky-Barrett-Reihe gelesen hat, der wurde bereits mit den tiefsten Abgründen der menschlichen Seele (und vermutlich auch der des Autors) konfrontiert und hat nicht nur eine Reihe von brutalen Morden, sondern auch psychische Grausamkeiten der schlimmsten Art über sich ergehen lassen (müssen). Da fällt es zugegebenermaßen schwer, den Schockfaktor von „Die Blutlinie“ und „Der Todeskünstler“ noch einmal zu übertreffen, und Cody McFadyen scheint es beim dritten Fall für seine beliebte FBI-Ermittlerin Smoky Barrett zunächst nach dem Motto „Masse statt Klasse“ zu versuchen: auch in „Das Böse in uns“ steht nämlich nicht unbedingt kriminologische Raffinesse im Vordergrund, dafür gibt es aber Tote satt, denn die Todesopfer von Smokys neuem Gegenspieler gehen diesmal in den dreistelligen Bereich – auch wenn nur ein Bruchteil davon Teil der tatsächlichen Handlung ist.

Mehr Sex, weniger Gewalt

Diesem Gigantismus darf man durchaus kritisch gegenüberstehen, zumal die ohnehin schon gerne etwas dick auftragende Thriller-Reihe durch die immer neuen Superlative weiter an Glaubwürdigkeit verliert. So wirkt es fast schon unfreiwillig komisch, wenn der Autor zu Beginn des Buches für Neueinsteiger nochmal die Ereignisse der ersten beiden Bücher zusammenfasst und sich im Leben von Smoky Barrett und ihrem Umfeld in dieser komprimierten Form entgegen jeglicher Wahrscheinlichkeitsrechnung ein Schicksalsschlag an den nächsten reiht – und dennoch: auch im dritten Anlauf schafft es Cody McFadyen wieder, mit einer solide konstruierten und clever inszenierten Geschichte zu fesseln. Manchmal wirkt es allerdings etwas plump, wenn der Autor allzu offensichtlich die voyeuristische Seite der Leserschaft anzusprechen versucht und gemäß des Prinzips „sex sells“ mit stellenweise sehr vulgärer Sprache und sexuellen Enthüllungen schockieren will – zumal die Handlung eigentlich auch so wieder packend genug ist, um über die rund 450 Seiten hinweg zu unterhalten. An diesem oft ein wenig arg plakativen Erzählstil liegt es wohl auch, dass „Das Böse in uns“ im Vergleich zu den Vorgängern – die vor allem durch die enormen seelischen Schmerzen der Charaktere lebten – eine nicht ganz so intensive Wirkung hat. Etwas überraschend ist dabei, dass das Buch zwar in vielerlei Hinsicht dick aufträgt, die expliziten Gewaltdarstellungen diesmal aber stark zurückgefahren wurden – vielleicht wäre das dann aber auch einfach des Guten zu viel gewesen…

Nicht ohne Schwächen, aber immer noch packend & verstörend

Bestimmendes Leitmotiv des dritten Bandes ist eindeutig die Religion, wobei der Fokus – wenig überraschend – vor allem auf dem Thema „Sünde“ liegt. So nimmt nicht nur die katholische Kirche einen nicht unbedeutenden Anteil der Geschichte ein, auch an Smoky Barrett selbst geht dieser stark religiös motivierte Fall nicht spurlos vorbei, sodass sie auch sich selbst, ihre eigenen moralischen Verfehlungen und ihr durch die täglich erlebte Gewalt stark unterkühltes Verhältnis zu Gott hinterfragt. Gerade letzteres muss man nicht unbedingt mögen, man kann Cody McFadyen aber wahrlich nicht vorwerfen, dass er die charakterliche Entwicklung seiner Protagonisten nicht vorantreiben würde. Das wird auch dadurch unterstützt, dass „Das Böse in uns“ rund zwei Jahre nach dem zweiten Band der Reihe spielt und sich in den Leben der Charaktere in der Zwischenzeit durchaus das ein oder andere verändert hat. Auch das trägt dazu bei, dass Smoky Barretts dritter Auftritt trotz der angesprochenen Schwächen wieder ein packender Thriller ist, den man sich gerade als Fan der vorherigen Bücher nicht entgehen lassen sollte.

Das Böse in uns (Smoky Barrett #3)
  • Autor:
  • Sprecher: eBook 8,49 €
  • Original Titel: The Darker Side
  • Reihe: Smoky Barrett #3
  • Umfang: 445 Seiten
  • Verlag: Bastei Lübbe
  • Erscheinungsdatum: 24. April 2010
  • Preis Taschenbuch 9,99 €
Cover:
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Gesamt:
8/10
Fazit:
Cody McFadyen leistet sich im dritten Smoky-Barrett-Band „Das Böse in uns“ zwar einige kleine Schwächen und übertreibt es ein wenig mit den Superlativen, die Geschichte weiß aber dank der erneut cleveren Inszenierung wieder zu fesseln und treibt auch erfolgreich die Charakterentwicklung voran.

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5 Antworten zu diesem Beitrag

  • McFadyen rockt eben! Vor allem sein Einzelband „Der Menschenmacher“ & ich hoffe für müssen auf einen weiteren Smokey-Band nicht mehr lange warten, wobei der Aktuellste mich leider nicht packen konnte …

    • Ich fand den fünften Band auch etwas schwächer als die anderen, aber bei weitem nicht so enttäuschend wie die breite Masse – ich hatte da ehrlich gesagt auch schon gar nicht mehr mit einem Erscheinen gerechnet 😀

      Du machst mich jetzt aber schon neugierig auf „Der Menschenmacher“, den habe ich bisher immer links liegen lassen weil es eben kein Smoky-Barrett-Thriller ist und die meisten Rezensionen dazu auch eher durchwachsen auszufallen scheinen, aber vielleicht sollte ich dem Buch doch mal eine Chance geben! 🙂

      • Kann dir den Einzelband nur empfehlen – ich fand das Buch genial – aber wie sooft ist das auch Geschmackssache 😉

        Nee, mit dem Erscheinen hatte ich auch nicht mehr gerechnet 😀 Und bin ohne Kenntnisse andere ans Lesen gegangen, brauch ich bei nem McFadyen nicht 😉 Aber catchen konnte es mich leider nicht gänzlich …

  • Hey Sebastian!
    Du erinnerst mich mal wieder daran, dass ich die Reihe dringend weiterlesen sollte. Nachdem der aktuellste Teil (Nr.5??) aber so gar nicht gut weggekommen ist, ist meine Motivation irgendwie gen Null gesunken.
    Hast Du die Rezension jetzt erst geschrieben oder hast Du tatsächlich Teil 3 jetzt erst gelesen, weil ich meine mich zu erinnern, dass Du den neuen Teil doch schon gelesen hast, oder?

    Alles Liebe, Nelly

    • Ehrlich gesagt ist die Rezension jetzt fast anderthalb Jahre lang in meinen Entwürfen versauert weil ich im Rahmen der Smoky-Barrett-Leserunde nicht mehr dazu gekommen bin, sie zu veröffentlichen 😀

      Wo bist du denn in der Reihe stehen geblieben? Band 1-4 waren eigentlich alle sehr gut, der fünfte ist nach der langen Pause vielleicht an der zu hohen Erwartungshaltung gescheitert – ich fand ihn aber bis auf ein paar Längen im Mittelteil gar nicht so schlecht 😉