Laut dem „Global Peace Index 2016“ gilt Island als das sicherste Land der Welt und wird nur alle paar Jahre Mal von einem Mordfall erschüttert, trotzdem hat der kleine Staat mit nur 330.000 Einwohnern bereits eine Vielzahl sehr erfolgreicher Kriminalautoren hervorgebracht, die mit ihren Büchern nicht nur die Bestsellerlisten stürmen, sondern die so friedliche Insel auch als eines der beliebtesten Krimi-Settings etabliert haben. Zu dieser illustren Gesellschaft mit Autoren wie Arnaldur Indriðason oder Ragnar Jónasson zählt auch die Isländerin Yrsa Sigurðardóttir, die nicht nur mit ihrer Reihe um die Anwältin Þóra Guðmundsdóttir, sondern auch einigen eigenständigen Romanen wie dem Grusel-Thriller „Geisterfjord“ viele Fans gewonnen hat. Diesen präsentiert die Autorin mit ihrem neuen Roman „DNA“ nun eine weitere neue Krimireihe, die natürlich wieder in ihrer Heimat Island spielt.

Mord mit dem Staubsauger

Dabei ist zunächst gar nicht einmal unbedingt ersichtlich, wer in dieser Serie dazu auserkoren ist, die Hauptrolle(n) zu übernehmen, denn „DNA“ besteht gerade zu Beginn des Buches aus relativ viel Stückwerk. Als mögliche Protagonisten bewerben sich dabei zum einen Kommissar Huldar, der fast schon gegen seinen Willen eine Beförderung hinter sich hat, nun Leiter seiner Ermittlungsabteilung ist und direkt mit einem erschütternden Mord konfrontiert wird: eine junge Mutter wird nachts in ihrem eigenen Bett brutal mit einem Staubsauger ermordet (ja, richtig gelesen, denn Yrsa Sigurðardóttir zeigt sich in Bezug auf die Tötungsmethoden hier von ihrer kreativen Seite) und Huldar muss die Verantwortung für die Ermittlung übernehmen. Kandidatin Nr. 2 ist die Psychologin Freyja, die in einer Einrichtung für Kinder arbeitet und von der Polizei zum Mordfall hinzugezogen wird, um die siebenjährige Tochter des Opfers zu befragen, die den gewaltsamen Tod ihrer Mutter unter dem Bett versteckt hautnah miterlebt hat. Während zwischen diesen beiden Perspektiven immerhin direkt ein Zusammenhang erkennbar ist, wirft der Handlungsstrang um den Amateurfunker Karl lange Zeit Rätsel auf: der einsame Vorzeige-Nerd wirkt so gar nicht wie der Held einer Krimireihe und ist in erster Linie damit beschäftigt, den Tod seiner Mutter zu verarbeiten und die rätselhaften Zahlenbotschaften eines geheimnisvollen Radiosenders zu entziffern.

Hauptfiguren mit ausbaufähigem Serien-Potenzial

Trotz des aufsehenerregenden Mordes tut sich Yrsa Sigurðardóttir zu Beginn recht schwer mit ihrer Geschichte, was auch an den oben erwähnten Charakteren liegt. Diese wirken ein wenig blass und eignen sich auch nicht unbedingt als Sympathieträger, zudem sorgt nicht nur der Konflikt zwischen Huldar und Freyja, deren Zusammenarbeit in diesem Fall eine pikante Vorgeschichte hat, für Nebenkriegsschauplätze, die dem Erzählfluss ein wenig in die Quere kommen. Hier stimmt nicht nur die Chemie zwischen den Figuren nicht recht, auch auf den Leser will der Funke nicht so wirklich überspringen.

Geduld wird belohnt

„DNA“ plätschert dadurch in der ersten Hälfte etwas vor sich hin, doch die Stärke des Romans kommt dann, wenn langsam erste Zusammenhänge zwischen den einzelnen Handlungssträngen erkennbar werden und auch die zunächst sehr wirr und handlungsfremd wirkende Story um Funker Karl immer mehr ihre Daseinsberechtigung bekommt. Plötzlich lässt sich erkennen, warum die Autorin ihre Geschichte mit solch langer Anlaufzeit aufgebaut hat, denn es ist im Schlussdrittel wirklich spannend zu sehen, wie sich die einzelnen Puzzleteile ineinander fügen. Es lohnt sich also, Geduld mitzubringen und dran zu bleiben, denn Yrsa Sigurðardóttir liefert eine exzellente und überraschende Auflösung des Falls, die zwar vielleicht erst einmal etwas weit hergeholt erscheint, mit Blick auf den geografischen Hintergrund der Geschichte aber möglicherweise gar nicht so unrealistisch ist.

Ein solider Reihenauftakt mit Anlaufschwierigkeiten

Yrsa Sigurðardóttir gelingt mit „DNA“ zwar noch nicht der ganz große Wurf, die Isländerin bekommt nach einer zähen und spannungsarmen ersten Hälfte jedoch noch rechtzeitig die Kurve und steigert sich zu einem packenden Finale, das dann doch noch neugierig auf eine Fortführung der Reihe macht. Den Beweis, dass die Charaktere das Potenzial zu Serienfiguren haben, bleibt die Autorin zwar noch ein wenig schuldig, die starke Schlussphase lässt jedoch darauf hoffen, dass die Zusammenarbeit zwischen den Protagonisten beim nächsten Mal nicht ganz so holprig ablaufen wird.

DNA (Huldar & Freyja #1)
  • Autor:
  • Original Titel: DNA
  • Reihe: Huldar & Freyja #1
  • Umfang: 480 Seiten
  • Verlag: btb Verlag
  • Erscheinungsdatum: 26. September 2016
  • Preis Geb. Ausgabe 19,99 €/eBook 14,99 €
Cover:
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Gesamt:
7/10
Fazit:
Der neue Reihenauftakt der Isländerin Yrsa Sigurðardóttir verliert sich anfangs ein wenig in den vielen Erzählperspektiven und kommt auch durch die etwas blassen Hauptfiguren recht spät in Schwung, in der zweiten Hälfte wird "DNA" dann aber dank der cleveren Zusammenführung der Geschichten doch noch zu einem packenden Kriminalroman mit guter Auflösung.

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7 Antworten zu diesem Beitrag

  • Hallo,

    wie die Geschmäcker doch verschieden sind.
    Ich bin direkt sehr gut in die Geschichte reingekommen und mir hat das Buch auch durchweg gut gefallen. Aber deine Rezi ist gut und hat mich nochmal über die Geschichte nachdenken lassen. 😉

    Liebe Grüße
    Diana

    • Danke dir! 😉

      Ja, ich fand den Einstieg leider etwas schwierig, weil mich keiner der Handlungsstränge anfangs so wirklich gepackt hat und ich auch mit den Hauptfiguren nicht ganz so viel anfangen konnte.

      Das letzte Drittel hat mir aber wirklich sehr gut gefallen und ich werde auch auf jeden Fall den nächsten Band der Reihe wieder lesen!

  • Von Maraia am 19. Mai 2017 um 16:32

    Ich bin froh, dass ich DNA zu Ende gelesen habe. Es hat sich tatsächlich gelohnt. Ich hoffe nur, dass der zweite Band von Anfang an spannender ist. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Charaktere mir ans Herz wachsen werden.

    • Ja, ich fand die Charaktere bisher auch eher uninteressant und müsste nicht unbedingt mehr über sie lesen, aber ich finde die Geschichte von Band 2 klingt vom Klappentext her auf jeden Fall spannender als die vom ersten Band!

  • Ein wenig widersprechen muss ich ja schon 😉 Das es sich zu Beginn besonders bei dem Protagonisten Karl nicht leicht erkennen ist, wohin dies führen soll stimmt wohl und ich habe auch ein, zwei Kapitel um ihn herum gebraucht – aber gerade das sich erst spät die Fäden miteinander verweben gefiel mir besonders gut. Freyja und Huldar haben zwar ihre Probleme, miteinander und allein aber ich sie nehmen nicht den Raum ein sondern sind eine Nebengeschichte und schon beim lesen hoffte ich aufgrund ihrer verzwickten „Beziehung“ auf einen Folgeband. Ich war fast von Beginn an gefesselt und freue mich schon sehr auf Band 2 – mal sehen wie kreativ die Autorin dann wird 😉

    Komm fein ins Wochenende!

    • Ja, ich fand es auf jeden Fall auch gut, wie am Ende alle Handlungsstränge zusammengeführt wurden und mit der Auflösung hätte ich nie gerechnet. Meiner Meinung nach sind die Hauptfiguren bisher aber noch ziemlich austauschbar und für mich (noch) nicht unbedingt Figuren, über die ich gerne mehr lesen möchte und die eine Reihe tragen können.

      Der Klappentext für Band 2 klingt aber schon mal spannend (für mich sogar interessanter als die Geschichte des ersten Buches), daher werde ich mir „SOG“ auf keinen Fall entgehen lassen! 🙂