One to go_Rezi

Gerade als Anwalt sollte man eigentlich wissen, dass man im angetrunkenen Zustand kein Auto fahren und während der Fahrt auch nicht die Hand am Handy haben sollte – da Tom Booker aber beim Autofahren genauso wenig verantwortungsbewusst ist wie bei der Erziehung seiner kleinen Tochter Janie, kommt es eines Tages wie es kommen musste: Tom tippt während der Fahrt eine SMS, kommt von der Fahrbahn ab und bringt auch einen entgegenkommenden Van aus der Spur, der daraufhin von der Washingtoner Memorial Bridge zu stürzen droht. Als wäre das noch nicht schlimm genug, sitzen in diesem Wagen auch noch Janie und ihre Freundinnen, die von Toms Ex-Schwägerin gerade zu einer Veranstaltung gefahren werden, zu der eigentlich der Anwalt selbst seine Tochter hätte begleiten sollen. Es droht also die Katastrophe, doch da Tom Booker eben das Glück hat, nur eine Romanfigur zu sein, bekommt er in dem Mystery-Thriller „One to go – Auf Leben und Tod“ von seinem Schöpfer Mike Pace eine unverhoffte zweite Chance: Wie im Film friert die Szenerie plötzlich kurz vor dem Unglück ein und zwei Abgesandte des Teufels nähern sich, die dem Anwalt einen Deal vorschlagen: er kann die vier Insassen des Fahrzeuges vor dem Tod retten, wenn er im Gegenzug alle zwei Wochen einen Menschen tötet. Kommt er seiner Pflicht nicht nach, sterben die Todgeweihten Unfallopfer eben doch noch.

Zum Mörder werden, um das eigene Kind zu retten?

Zwei Dinge werden bei „One to go“ gleich zu Beginn klar: der Autor verliert keine Zeit mit Vorgeplänkel und wirft Hauptfigur und Leser direkt mitten hinein ins Geschehen – und man sollte bei dem Buch keinen besonders hohen Realitätsgrad erwarten. Das macht aber auch nichts, denn die Ausgangssituation der Geschichte ist durchaus reizvoll: Würde man vier wildfremde Menschen opfern, um einen geliebten Menschen vor dem Tod zu retten? Mike Paces Protagonist Tom Booker ist vermutlich nicht der einzige, der diese Frage ohne großes Zögern mit „Ja“ beantworten würde, allerdings hat der Deal mit dem Teufel (bzw. seinen zwielichtigen Abgesandten) für ihn einen großen Haken: er muss selbst zum vierfachen Mörder werden, um seine kleine Tochter nicht zu verlieren.

Ein betrunkener Unsympath als Hauptfigur?

Ein solcher Gewissenskonflikt verspricht Spannung – zumindest bei einer Hauptfigur mit einer gewissen sozialen Kompetenz und respektablen Moralvorstellungen. Tom Booker tut jedoch alles dafür, möglichst viele Sympathiepunkte zu verspielen: er ist in der Vergangenheit nicht gerade als toller Vater aufgefallen und hat seine Karrie meist über seine Familie gestellt (woran wenig überraschend auch seine Ehe zerbrochen ist), hat einen äußerst lockeren Umgang mit Alkohol und scheut nicht davor zurück, in angetrunkenem Zustand Auto zu fahren, betrachtet Frauen in erster Linie als netten Zeitvertreib nach der Arbeit und glänzt auch sonst zumeist als egoistisches, verantwortungsloses und oberflächliches Arschloch. Das ist gerade deshalb verwunderlich, weil der Anwalt aus der gerade noch verhinderten Beinahe-Katastrophe zu Beginn eigentlich einen entsprechenden Denkzettel hätte mitnehmen und sein Verhalten im Anschluss vielleicht einmal überdenken müssen – Fehlanzeige. Das macht es einem als Leser nicht gerade einfach, sich mit dem Protagonisten zu identifizieren oder gar mitzufiebern.

Eine Ansammlung absurder Zufälle

Nun muss ein Thriller nicht gerade über Sympathieträger in den Hauptrollen verfügen um spannend zu sein, allerdings sollte dann aber zumindest die Story zu fesseln wissen. Auch hier tut sich Mike Pace jedoch leider schwer, was für mich vor allem an der enormen Unglaubwürdigkeit seiner Geschichte lag – und damit meine ich nicht die fantastischen Elemente wie Tom Bookers Pakt mit dem Teufel. Natürlich ist gleich am Anfang klar, dass man es hier nicht mit einem realistischen Thriller zu tun hat, das bedeutet aber nicht automatisch, dass die Handlung völlig ins Absurde abdriften muss. In „One to go“ folgt jedoch ein unglaubwürdiger Zufall auf den nächsten, sodass sich Tom Booker während seiner Bemühungen, seine Tochter vor dem Tod zu bewahren, noch so dämlich anstellen kann – irgendwie fällt ihm immer noch eine Lösung des Problems in den Schoß, sodass er sich weiter betrunken durch die Geschichte stümpern darf. Gerade für einen aufstrebenden Anwalt in einer der meist angesehenen Kanzleien in Washington geht Booker bei seiner Mission fast schon schmerzhaft amateurhaft vor, was die Handlung trotz der interessanten Ausgangsidee immer wieder ins Lächerliche zieht.

Reizvolle Ausgangsidee, schwache Umsetzung

Somit gelingt es „One to go – Auf Leben und Tod“ leider fast nie, ernsthafte Spannung aufzubauen, da man schon früh das Gefühl bekommt, dass in brenzligen Situationen ohnehin immer ein weiterer haarsträubender Zufall die Situation rettet. Zudem erweckt der Roman häufig den Eindruck, sich zwischen den Genres nicht so richtig entscheiden zu können, wodurch sich ein wenig überzeugender Mix aus Mystery-Thriller, Fantasy-Action, Justizdrama und Lovestory ergibt, bei dem die verschiedenen Zutaten alle nicht so wirklich zusammenpassen wollen. Zusammen mit der äußerst unsympathischen Hauptfigur und einem häufig etwas plump wirkenden Schreibstil ergibt sich somit ein Roman, dem man zwar ein gewisses Unterhaltungspotenzial nicht abstreiten kann, welches aber leider zu großen Teilen auch auf den nicht zu verleugnenden Trash-Faktor der Geschichte zurückzuführen ist, der sich gerade in dem irrwitzigen Showdown offenbart. Das ist ein wenig schade, denn mit ein wenig mehr Seriosität und einer glaubwürdigeren Geschichte hätte „One to go“ ein durchaus spannender Mystery-Thriller rund um einen interessanten moralischen Konflikt werden können – so bleibt leider nur ein kurzweiliger, aber ziemlich absurder Unterhaltungsroman, der wohl nicht lange in Erinnerung bleiben wird.

One to go – Auf Leben und Tod
  • Autor:
  • Original Titel: One to go
  • Umfang: 359 Seiten
  • Verlag: Luzifer-Verlag
  • Erscheinungsdatum: 2. September 2016
  • Preis Taschenbuch 13,95 €/eBook 2,99 €
Cover:
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Gesamt:
5/10
Fazit:
Mike Paces Mystery-Thriller „One to go – Auf Leben und Tod“ bietet eine vielversprechende Ausgangssituation mit einer reizvoller Gewissensfrage, durch die absurd konstruierte Story geht dem Roman jedoch jegliche Glaubwürdigkeit und Seriosität verloren, sodass zu keinem Zeitpunkt wirklich Spannung erzeugt wird – die unsympathische, verantwortungslose und oberflächliche Hauptfigur tut dabei ihr Übriges.

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5 Antworten zu diesem Beitrag

  • Der Klappentext klingt sehr spannend! Schade, dass es dem Autor nicht gelang. Die Hauptfigur würde mir auch nicht gefallen.

  • Ich hatte es mir vorgemerkt und dann am Rande deine Meinung dazu gelesen und nun les ich alles und denk mir -> NOPE – Nopedinope – nö 😛
    Das is wohl was für ne lustige Leserunde – wie hier unten in den Kommis schon geschrieben aber allen greift man sich nur an den Kopf und rauft die Haare 😀

    • Also langweilig war es wirklich nicht aber hauptsächlich deshalb weil man sich die ganze Zeit darüber aufregen konnte wie bescheuert und unglaubwürdig die Handlung eigentlich ist 😀