24 Stunden_Rezi

Es scheint wie der perfekte Plan: Ein Entführer-Trio zieht einmal im Jahr einen großen Coup durch und kidnappt jeweils während des alljährlichen Ärztekongresses in Mississippi das Kind eines wohlhabenden Arztes. Während einer der Täter die Geisel an einen geheimen Ort verschleppt, kümmert sich ein zweiter um die verzweifelte Mutter, während das dritte Mitglied der Verbrecherbande hunderte von Meilen entfernt den Vater in Schach hält. Anschließend sollen die Eltern ein vergleichsweise niedriges und dadurch leicht zu beschaffendes Lösegeld überweisen und erhalten ihren entführten Sprössling danach unversehrt wieder zurück. Innerhalb von 24 Stunden ist die Entführung vorbei, ohne unberechenbare Lösegeldübergabe und für die Täter praktisch frei von jedem Risiko. Der neueste Coup des Trios bringt jedoch unerwartete Komplikationen mit sich, denn zum einen ist das entführte Mädchen dringend auf lebenswichtige Medikamente angewiesen, zum anderen haben die Entführer die Rechnung ohne den Widerstand der Eltern gemacht…

Mississippi als Schauplatz eines Entführungs-Dramas

Der Thriller „24 Stunden“ aus dem Jahr 2000 ist der zweite Band des Mississippi-Zyklus von US-Bestsellerautor Greg Iles, erzählt jedoch wie schon der erste Teil „@E.R.O.S.“ wieder eine völlig eigenständige Geschichte ohne Bezug zum „Vorgänger“. Diesmal steht eine Entführung im Mittelpunkt der Geschichte, deren Verlauf von Isles innerhalb der titelgebenden Zeitspanne von einem Tag fast minutiös erzählt wird. Das neueste Opfer eines gerissenen Entführer-Trios, das nach dem immer gleichen Schema bereits fünf Kidnappings erfolgreich und von den Strafverfolgungsbehörden unbehelligt durchgezogen hat, ist die junge Abby Jennings, Tochter eines erfolgreichen Arztes und dessen Frau Karen. Während Vater Will auf dem Ärztekongress in Biloxi sein neues Medikament präsentiert, ahnt er noch nicht, welches Grauen sich zur gleichen Zeit im Haus der Familie abspielt: Abby wird entführt und seine Frau von einem Mann bedroht. Erst als Will in die Fänge einer jungen und attraktiven Frau – dem dritten Mitglied der Bande – gerät, wird ihm die schreckliche Situation seiner Familie bewusst: Zahlen die Jennings nicht das geforderte Lösegeld, wird Abby sterben.

Ein Thriller mit hoher Wertschätzung der Charaktere

Dass man es bei „24 Stunden“ mit einer eher ungewöhnlichen Entführung zu tun hat, zeigt sich bereits in den ersten Kapiteln des Buches: Die Täter überraschen mit einer ungewohnten Offenheit und fühlen sich mit ihrer Routine so sicher, dass sie gegenüber ihren Opfern sogar ihre Identität preisgeben – in der Gewissheit, dass diese auch nach der Übergabe zu viel Angst um ihr Kind haben, um die Täter noch nachträglich anzuzeigen. Ebenfalls unerwartet ist die völlige Transparenz der Entführung: Alle Beteiligten, sowohl Kidnapper als auch die Familie Jennings, stehen in permanentem Kontakt zueinander und sind fast immer über die Schritte der jeweils anderen informiert. Viel zu berichten gibt es anfangs dabei aber eigentlich nicht, denn nach der dramatischen Verschleppung Abbys passiert erst einmal relativ wenig. Denn hat sich die Situation erst einmal beruhigt und ist jeder der involvierten Personen über seine Situation im Bilde, wird zunächst erst einmal geredet. Wie schon in „@E.R.O.S.“ nimmt sich Greg Iles nämlich auch diesmal wieder viel Zeit für die Charakterisierung seiner Protagonisten und offenbart in den stets von einer unterschwelligen Spannung geprägten Gesprächen viel über die Hintergründe der Beteiligten, deren persönliche Situation und die jeweilige Motivation für ihr Handeln. Dabei tun sich sowohl bei den Entführern als auch hinter der Fassade der nach außen scheinbar perfekten Ärztefamilie wieder jede Menge Abgründe auf, die oft ebenso spannend sind wie der eigentliche Ablauf des Kidnapping selbst.

Spannender Entführungsthriller mit etwas überspitztem Finale

Das Buch wäre aber dennoch langweilig, wenn auch die 6. Entführung des Trios wieder nach Plan verläuft und so bietet der Plot natürlich eine packende Wendungen, welche die Spannung kontinuierlich in die Höhe schrauben, bis die Geschichte schließlich in einem furiosen und hochdramatischen Finale gipfelt. Dass dabei nicht immer alles hundertprozentig glaubwürdig abläuft und vor allem die Eltern angesichts der großen Lebensgefahr für ihre Tochter manchmal ein wenig zu risikobereit erscheinen, sei Iles im Sinne der Spannung verziehen. Schließlich dient „24 Stunden“ in erster Linie der Unterhaltung, da lassen sich kleinere Ungereimtheiten und Logiklöcher verschmerzen, zumal der Roman schon in Bezug auf die Charaktere für einen Thriller unerwartet viel Tiefgang besitzt. Insgesamt ist Iles’ Mississippi also auch diesmal eine Reise wert, langweilig wird es bei diesem Buch nämlich garantiert nicht. Da auch Uve Teschner als Sprecher der Hörbuchfassung wieder zur Höchstform aufläuft, ist „24 Stunden“ für Thriller-Fans somit absolut eine Empfehlung wert.

24 Stunden
  • Autor:
  • Original Titel: 24 Hours
  • Reihe: Mississippi #2
  • Länge: 12 Std. 55 Min. (ungekürzt)
  • Verlag: Audible GmbH
  • Erscheinungsdatum: 8. August 2012
  • Preis 24,95 € (9,95 € im Audible-Flexi-Abo)
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Sprecher:
Gesamt:
8/10
Fazit:
Greg Iles’ Entführungs-Thriller „24 Stunden“ überzeugt mit einer spannenden und wendungsreichen Story und sorgfältig ausgearbeiteten Charakteren, auch wenn es der Autor gerade im dramatischen Schlussakt mit der Glaubwürdigkeit nicht mehr ganz so genau nimmt.

Kommentar verfassen: