Ich jage dich_Rezi

Ein wahnsinniger Serienkiller hält die Polizei und die Bevölkerung in Stockholm gleichermaßen in Atem: Der Täter stellt heimlich alleinstehenden Frauen nach und filmt diese in privaten Momenten, bevor er die Videos anschließend bei YouTube hochlädt. Sobald der Film des betroffenen Stalking-Opfers aber im Internet auftaucht, ist es für die Frauen jedoch bereits immer schon zu spät – der Mann hat sie zu diesem Zeitpunkt längst ermordet, und das auf äußerst brutale Art und Weise. Die Polizei sucht verzweifelt nach Hinweisen auf den Täter an den Tatorten und in den Stalking-Videos, tritt bei den Ermittlungen aber auf der Stelle. Der Psychologe Erik Maria Bark erkennt jedoch in der Vorgehensweise des Mörders einen Zusammenhang zu einer früheren Verbrechensserie, bei der er durch seine Aussage damals maßgeblich zu der Verurteilung des Täters beigetragen hat. Nun muss er jedoch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass er damals einen furchtbaren Fehler begangen hat…

Ein wahnsinniger Stalker mordet sich durch Schwedens Hauptstadt

Die Ermittlungen in seinem letzten Fall („Der Sandmann“) endeten für Kriminalkommissar Joona Linna dramatisch, sodass er sich gezwungen sah, seinen Tod vorzutäuschen um das Wohl seiner Familie nicht zu gefährden. Und auch wenn Alexandra und Alexander Ahndoril – das schwedische Autorenpaar hinter dem Pseudonym „Lars Kepler“ – ihren Helden gleich zu Beginn wieder von den Toten erwecken und den Cliffhanger des Vorgängerbandes damit leider auf etwas unspektakuläre Weise auflösen, so steht in „Ich jage dich“, dem fünften Band der Krimireihe, eine andere Figur im Mittelpunkt der Geschichte. Diese entpuppt sich jedoch als alter Bekannter, denn den Psychologen Erik Maria Bark kennt man als Fan der Reihe seit seinem Auftritt als „Der Hypnotiseur“ im gleichnamigen Auftaktband der Serie. Und Erik hat zu Beginn des Buches ein großes Problem, das seinen der eigenen Gesundheit wenig zuträglichen Umgang mit Schmerzmitteln noch übersteigt: Konfrontiert mit den Ermittlungen in einer schrecklichen Serie von Stalking-Fällen mit tödlichem Ausgang kommt dem Psychologen der Verdacht, dass er durch seine unvollständige Aussage vor vielen Jahren möglicherweise den falschen Mann hinter Gitter brachte und der wahre Täter von damals nun seine blutige Mordserie fortsetzt. Der angesehene Arzt steckt also ganz schön in der Klemme und muss gezwungenermaßen mehr oder weniger auf eigene Faust ermitteln, um a) sein schlechtes Gewissen zu entlasten und b) drohenden beruflichen Konsequenzen möglichst aus dem Weg zu gehen.

Ein Joona-Linna-Krimi (fast) ohne Joona Linna?

Warum sich die Autoren entschlossen haben, trotz der frühen Rückkehr ihres Stamm-Protagonisten Joona Linna auf die Karte Erik Maria Bark zu setzen, verwundert ein wenig und scheint mir im Nachhinein auch keine besonders glückliche Wahl gewesen zu sein. Trotz einiger Macken und persönlicher Verwicklungen schafft es der Psychologe nämlich nicht, Linna als Hauptfigur gleichwertig zu ersetzen, was auch am zuweilen nicht nachzuvollziehenden und dadurch häufig nervenden Verhalten Barks liegt, der seine ungünstige Situation durch weiteres Fehlverhalten zusätzlich verschlimmert. Zwar darf auch Joona Linna am Rande in den Ermittlungen mitmischen und spielt somit immerhin eine Nebenrolle, warum die Ahndorils aber mit der Staatsschutz-Mitarbeiterin Saga Bauer eine der interessantesten Figuren der Reihe hier komplett vernachlässigen, ist mir allerdings völlig unverständlich. So wundert es dann auch nicht, dass die Geschichte in „Ich jage dich“ eher schleppend vorankommt.

Solide, aber zu kompliziert erzählt – leider der schwächste Band der Reihe

Dabei ist der Fall gar nicht mal schlecht konzipiert, er wird einfach nur viel zu kompliziert erzählt, sodass die Handlung lange Zeit nicht wirklich Fahrt aufnehmen will. Die Autoren finden auch in ihrer Erzählweise keine wirklich klare Linie, denn während die Ermittlungen die meiste Zeit über eher gemächlich ablaufen, stehen die immer wieder eingesetzten Action-Szenen dazu in einem völligen Kontrast und wirken manchmal wie Fremdkörper – zumal die Ahndorils hier gerne zu argen Übertreibungen neigen und z.B. aus der schwedischen Polizei zeitweise einen blutrünstigen Racheapparat machen, der durch wildes Rumballern sogar zum Ergeben bereite Verdächtige verschreckt. Zudem wird auch bei den Gewaltdarstellungen viel zu dick aufgetragen, sodass viele Szenen einfach unnötig brutal sind. Das ist schade, denn auch wenn „Ich jage dich“ sicher nicht der beste Band der Reihe ist, so ist das Grundgerüst der Story eigentlich gut durchdacht und kann auch mit einer durchaus überraschenden Auflösung punkten. Ohne die ungelenke Erzählweise, unglaubwürdige Action-Einlagen und mit größerer Präsenz der bewährten Charaktere hätte also auch der fünfte Joona-Linna-Band wieder ein sehr guter Schwedenkrimi werden können – so ist es leider „nur“ ein solider Roman, der dann doch in erster Linie für Fans der Reihe interessant ist. An Hörbuch-Sprecher Simon Jäger liegt es jedenfalls nicht, dass „Ich jage dich“ der für mich schwächste Teil der Reihe ist, an dessen Lesung gibt es nämlich wie gewohnt nichts auszusetzen.

Ich jage dich
  • Autor:
  • Sprecher: Simon Jäger
  • Original Titel: Stalker
  • Reihe: Joona Linna #5
  • Länge: 16 Std. 28 Min. (ungekürzt)
  • Verlag: Lübbe Audio
  • Erscheinungsdatum: 12. März 2015
  • Preis 29,95 € (9,95 € im Audible-Flexi-Abo)
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Sprecher:
Gesamt:
6/10
Fazit:
„Ich jage dich“ von Lars Kepler bietet zwar einen durchaus interessanten und gut konzipierten Kriminalfall, die unnötig komplizierte Erzählweise und vor allem die zu geringe Präsenz der bewährten Charaktere machen den fünften Band der Joona-Linna-Reihe jedoch zu einer eher zähen Angelegenheit und damit zum schwächsten Teil der Serie.

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