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Während Lincoln Rhyme in einer Spezialklinik auf seine Operation wartet, muss er nebenher in einem Entführungsfall aushelfen.

Eigentlich ist der seit einem Dienstunfall fast vollständig gelähmte Ex-Detective gemeinsam mit seiner Assistentin und Lebensgefährtin Amelia Sachs nur nach North Carolina gereist, um sich dort einer speziellen Operation zu unterziehen, von der er sich eine minimale Verbesserungs seines Zustandes erhofft. Als der örtliche Sheriff aber von der Anwesenheit des genialen Ermittlers erfährt, bittet dieser Rhyme um Mithilfe in einem spektakulären Fall: Ein 16-jähriger Außenseiter soll einen Mord begangen und ein Mädchen entführt sowie eine weitere junge Frau in das Sumpfgebiet des Paquenoke-Flusses verschleppt haben. Da die Deputys aufgrund der geografischen Begebenheiten verzweifeln, soll Lincoln Rhyme mit seinen begnadeten Fähigkeiten als Tatortermittler die Ermittler auf die Spur des Jungen bringen. Eine dramatische Verfolgungsjagd beginnt…

Lincoln Rhyme auf Verbrecherjagd in den Sümpfen North Carolinas

In „Der Insektensammler“, dem dritten Teil seiner erfolgreichen Romanreihe um den gelähmten Ermittler Lincoln Rhyme, schickt Bestsellerautor Jeffery Deaver seinen Protagonisten nicht im heimischen New York, sondern in der Sumpflandschaft North Carolinas auf Verbrecherjagd. Zwischen den Vorbereitungen auf seine (wenig erfolgversprechende) Spezial-OP muss er dort die Verfolgung eines gefährlichen Jugendlichen aufnehmen. Jener Garett Hanlon gilt im ganzen Ort als Sonderling, der sich statt mit Menschen lieber mit giftigen Insekten umgibt und sich daher den titelgebenden Namen „Der Insektensammler“ eingefangen hat. Garett wird vom Autor schnell als irrer Psychopath dargestellt, und bei dem ihm zur Last gelegten Taten kann man dann auch schnell den Überblick verlieren: Entführung, Mord, fahrlässige schwere Körperverletzung, noch eine Entführung und zudem macht man den 16-Jährigen auch noch für den Selbstmord eines kleinen Jungen verantwortlich – wenn Deaver hier mal nicht etwas dick aufgetragen hat…

Spannende Ausgangssituation…

Nichtsdestotrotz verheißt die Ausgangssituation große Spannung, zumal die unberechenbaren Tücken des Sumpfes die ohnehin schon mühsame Spurensuche noch einmal deutlich erschweren und das Leben zweier Menschen in ständiger Gefahr ist. Die Ermittlungen gehen dabei nach dem bewährten Prinzip voran: Lincoln Rhyme lässt sich Beweisstück für Beweisstück vorlegen und findet in jedem noch so unbedeutenden Stück Erde wichtige Hinweise auf den Täter. Seine Partnerin Amelia Sachs übernimmt dann die Feldarbeit und fungiert als verlängerter Arm des gelähmten Ermittlers – so weit, so gut.

… aber langatmige und überraschungsarme Umsetzung

Leider gestaltet sich die Story dann aber bei weitem nicht so packend, wie man es sich am Anfang erhofft hat. Das große Problem ist hier die zu eindeutige Faktenlage, denn der Fall ist von Anfang an viel zu offensichtlich: Es geht einzig und allein darum, den 16-jährigen Entführer in den Sümpfen ausfindig zu machen und die verschleppten Mädchen sicher zu bergen. Folglich stolpern die Charaktere über mehr als zwei Drittel der Handlung durch Sumpf- und Waldgebiet, wobei die Perspektive zwischen Garett und seinen Verfolgern ständig wechselt. Da man dem Täter permanent über die Schulter schauen darf, gibt es aber auch keine alternativen Verdächtigen und ganz einfach keine Überraschungen, bis Deaver irgendwann doch dazu übergeht, die Schuld des Jungen in Frage zu stellen – obwohl man diesen zuvor die ganze Zeit über bei der Entführung begleitet hat.

Haarsträubende Auflösung

Völlig unglaubwürdig wird es dann aber im Schlussteil der Geschichte: Man ist von Jeffery Deaver den obligatorischen Storytwist am Ende inzwischen schon gewohnt, was der Autor beim „Insektensammler“ aber vom Stapel lässt, kann man jedoch beim besten Willen nicht mehr ernst nehmen. Plötzlich überschlagen sich die Ereignisse und immer wenn man denkt, es könnte nicht mehr absurder kommen, belehrt Deaver seine Leser eines besseren. Vor allem Amelia Sachs wird von einer ausweglosen Situation in die nächste gejagt – mit jeweils absolut lächerlichem Ausgang. Normalerweise mag ich Deavers Bücher gerade wegen der überraschenden Auflösungen, aber so etwas Albernes wie bei diesem Roman habe ich schon lange nicht gelesen.

Tiefpunkt der Lincoln-Rhyme-Reihe

Von den bisher neun in Deutschland erschienenen Lincoln-Rhyme-Thrillern habe ich nun bis auf zwei alle gelesen – und „Der Insektensammler“ ist leider eindeutig der schwächste Teil der Reihe. Der Plot besteht zu drei Vierteln aus einer viel zu langen und viel zu offensichtlichen Verfolgungsjagd und zu einem Viertel aus haarsträubendem Schwachsinn. Ja, es ist immer noch recht unterhaltsam geschrieben und ja, das Spurenlesen von Lincoln Rhyme macht immer noch Spaß und ist faszinierend – das kann aber alles nicht über die abstruse Story und die völlig beliebigen Nebenfiguren, die man auch am Ende immer noch nicht auseinanderhalten kann, hinwegtäuschen. Da auch die Story um Rhyme und Amelia trotz der vermeintlich bedeutenden Operation kaum vorangebracht wird, kann man den dritten Band der Rhyme-Reihe durchaus überspringen, ohne groß etwas verpasst zu haben.

Fazit:
Schwächster Teil der Lincoln-Rhyme-Reihe, der zunächst große Längen aufweist und am Ende ins Absurde abdriftet (6/10).

Insektensammler
Autor: Jeffery Deaver; Originaltitel: The Empty Chair; Sprecher: Dietmar Wunder; Spieldauer: 13 Std. 44 Minuten (ungekürzt); Anbieter: Random House Audio, Deutschland; Veröffentlicht: 19. Januar 2012; Preis: 24,95 €.

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