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Aloysius Pendergast hat herausgefunden, dass seine Frau nicht bei einem Unfall ums Leben kam, sondern gezielt ermordet wurde. Doch auf den FBI-Agenten wartet noch eine weitere große Überraschung…

Eine Warnung direkt vorweg: „Revenge: Eiskalte Täuschung“ ist nicht nur der insgesamt elfte Teil der Pendergast-Reihe des Autorenduos Douglas Preston und Lincoln Child, sondern auch gleichzeitig das zweite Buch der Helen-Trilogie, einer dreiteiligen Mini-Serie innerhalb der Gesamtreihe. Nachdem die Autoren dieses Prinzip schon erfolgreich bei den Büchern fünf bis sieben („Burn Case“, „Dark Secret“ und „Maniac“) angewendet haben, als Pendergasts Bruder Diogenes im Mittelpunkt der Geschichte stand, drehen sich die Bücher zehn bis zwölf nun um ein weiteres Familienmitglied des Agenten: Seine Frau Helen, die vor Jahren bei einem gemeinsamen Jagdausflug in Afrika von einem Löwen zerfleischt wurde. Wer den direkten Vorgänger „Fever: Schatten der Vergangenheit“ also noch nicht gelesen hat, sollte diese Rezension vielleicht besser meiden, auch wenn ich mich bemühen werde, nicht allzu viel der vorangegangenen Ereignisse zu spoilern.

Zweiter Teil der Helen-Trilogie um Pendergasts Frau

Es ergibt ohnehin keinen Sinn, „Revenge“ ohne die vorherige Lektüre von „Fever“ zu lesen, denn wie man schon in den ersten Kapiteln des Buches feststellen wird, leisten Preston und Child für Neueinsteiger keinerlei Hilfestellung. Hier wäre es zumindest schön gewesen, wenn man an manchen Stellen gezielt noch mal das ein oder andere aus dem Vorgänger aufgegriffen und erneut kurz zusammengefasst hätte, da zwischen den Erscheinungsterminen der (zugegeben in recht hoher Frequenz veröffentlichten) Bücher immer ein paar Monate liegen und man sicherlich nicht mehr jedes wichtige Detail präsent hat oder sich auf Anhieb an alle Nebenfiguren und ihre Funktion erinnert. Die beiden Autoren treiben dies sogar noch auf die Spitze, indem sie permanent auf Ereignisse aus Pendergasts Vergangenheit anspielen, die zwar selten für die gegenwärtige Story relevant sind, aber einem trotzdem ständig das Gefühl geben, irgendwie von der Geschichte ausgeschlossen zu werden. Fans der Reihe werden zwar wissen, worauf die Autoren hinauswollen, wer aber nicht alle Bücher der Reihe kennt, hat hier keinerlei Möglichkeit, diese Referenzen zu verstehen und wird systematisch ausgegrenzt.

Wirrer Beginn ohne Präsenz der Titelfigur

Davon abgesehen fällt der Plot in „Revenge“ aber auch über weite Strecken sehr wirr aus und ist ohne erkennbare Richtung. Wie aus dem Nichts tauchen immer wieder Nebenfiguren auf, deren Bedeutung und Handlungen für die Geschichte völlig irrelevant erscheinen und die durch ihr Auftreten nicht nur für Verwirrung sorgen, sondern auch den Erzählfluss des Hauptstrangs (sofern dieser denn überhaupt vorhanden ist) ständig unterbrechen. Erschwerend kommt für die Handlung noch hinzu, dass die Leser aufgrund des Prologes – immerhin eine der wenigen spannenden und packenden Szenen der ersten Buchhälfte – im ersten Viertel der Geschichte fast vollständig auf die Titelfigur verzichten müssen. Und ohne die schillernde Präsenz des eigenwilligen FBI-Agenten Aloysius Pendergast ist die Story nun einmal nur halb so viel wert.

Ein merkwürdiger Pendergast-Auftritt

Doch selbst wenn dieser dann endlich auch aktiv an der Geschichte teilnehmen darf, hat Pendergast nur selten die prägnante Ausstrahlung, die man von ihm eigentlich gewohnt ist. Aus dem immer zwischen Genialität, Charme und Arroganz schwankenden FBI-Agenten ist ein kühler und scheinbar gewissenloser Rächer geworden, dem alle Mittel Recht sind, um die Wahrheit über Helens Tod aufzudecken. Die Autoren hätten das Drama um seine Frau eigentlich dazu nutzen können, um nach so vielen Auftritten endlich auch mal die persönliche und vielleicht sogar verletzliche Seite Pendergasts zu zeigen, schließlich geht es hier vermutlich um den einzigen Menschen, den dieser jemals geliebt hat. Stattdessen betrügt, erpresst, foltert und schießt sich der Agent nahezu völlig emotionslos durch das Buch, ohne dass man ihm als Leser dabei näher kommen könnte. Am schlimmsten ist jedoch, dass dabei fast alle menschlichen Züge der Figur verloren gehen und es so schwerfällt, ihr überhaupt noch große Sympathien entgegenzubringen. Das kann auch der überraschende Gastauftritt einer beliebten Figur aus einem der früheren Bücher nicht wirklich ausgleichen.

Absurder Plot ohne Horror & Mystery, dafür aber mit billigen Klischees

Leider stellt dann die Fortsetzung der Story um Helen Esterhazy Pendergast ebenfalls keinen Glanzpunkt in der Geschichte der Serie dar. Dass man bei den Pendergast-Büchern keine realistischen Storys erwarten darf, sollte inzwischen eigentlich allen klar sein – hier geht Unterhaltung eindeutig vor Logik. „Revenge“ ist aber so wild und absurd, dass man zwischenzeitlich einfach nur noch mit dem Kopf schütteln möchte. An die Unsterblichkeit der Hauptfiguren hat man sich ja mittlerweile gewöhnt, sodass es kaum noch überrascht, wenn diese auch zum wiederholten Mal eine ausweglose Situation oder lebensbedrohliche Verletzung mehr oder weniger unbeschadet überstehen. Dass sich Preston und Child dann aber noch dazu herablassen, billige Nazi-Klischees in den Plot zu integrieren, schlägt dem Fass dann aber den Boden aus. Zudem habe ich wie schon im Vorgänger die Mystery- und Horror-Elemente vermisst, welche die Reihe eigentlich über all die Jahre hinweg ausgezeichnet hat.

Versöhnliches Schlussviertel

„Revenge“ könnte also eine echte Enttäuschung sein – wenn das gute Schlussviertel nicht einiges davon aufwiegen würde. Hier wird die Story endlich straffer, Zusammenhänge werden ersichtlich und das dramatische Finale bietet auch die lange vermisste Spannung. Wie schon zu erwarten war, endet „Revenge“ dann auch mit einem netten Cliffhanger, der trotz der eher mäßigen Qualität des Buches dann doch wieder zum Lesen des nächsten Teils („Fear: Grab des Schreckens“) anstachelt – schließlich will man nun auch wissen, wie sich die Ereignisse endlich restlos aufklären. Und auch wenn Douglas Preston und Lincoln Child mit dem elften Teil der Reihe sicherlich nicht allzu viele Fans gewonnen haben dürften, werden Pendergast-Fans den Büchern wohl trotz des sich abzeichnenden Abwärtstrends zunächst weiter treu bleiben.

Fazit:
Eher mäßiger und oft wirrer Mittelteil der Helen-Trilogie, der mit dem spannenden Schlussakt dann aber doch noch versöhnlich stimmt (6/10).

Revenge
Autoren: Douglas Preston, Lincoln Child; Sprecher: Detlef Bierstedt; Originaltitel: Cold vengeance; Spieldauer: 12 Std. 49 Minuten (ungekürzt); Anbieter: Argon Verlag; Veröffentlicht: 22. Dezember 2011; Preis: 24,95 € (9,95 € im Flexi-Abo).

Link zum Hörbuch

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3 Antworten zu diesem Beitrag

  • Es beruhigt mich, dass ich nicht die Einzige bin, die mit diesem Teil nicht so recht was anzufangen wusste. Für mich war es der bisher schlechteste Teil der Pendergast-Serie.

    LG
    Tina

    • Ich glaube ich fand den 8. Band „Cult“ (der mit der Kreuzfahrt) insgesamt am schwächsten, aber „Revenge“ zählt auch wirklich nicht zu den Glanzlichtern der Reihe…

      Leider ist zwischendurch immer mal wieder ein schwächeres Pendergast-Buch dabei, trotzdem würde ich aber jedem empfehlen kein Buch auszulassen, um keine Entwicklung in den Geschichten der Charaktere zu verpassen.

Pings: