Buchcover
Dass das Leben eines Bestatters durchaus interessant sein kann, hat nicht zuletzt die populäre amerikanische Fernsehserie „Six Feet Under“ unter Beweis bestellt. Auch die Hauptfigur der Thrillerkomödie „Blasses Blut“ von Boris Maggioni verdient sein Geld mit dem Tod anderer Menschen – und einem makabren, aber äußerst lukrativen Nebengeschäft.

Paul Neumann ist Bestatter und hat sich in jahrelanger Arbeit sein eigenes Beerdigungsinstitut aufgebaut. Eigentlich ein zukunftssicherer Job, denn gestorben wird schließlich immer, doch auch das Bestattungsgeschäft bleibt von der Wirtschaftskrise nicht verschont. Wollten Hinterbliebene für ihre verstorbenen Familienangehörigen vor ein paar Jahren noch den edelsten Sarg und die schönste Trauerfeier, so sitzt das Geld heute bei Pauls Kunden nicht mehr so locker. Zudem gibt es im Internet massenhaft preiswerte All-Inclusive-Angebote, sodass Neumann seit geraumer Zeit angestrengt nach alternativen Einkommensquellen sucht.

Ein skrupelloser Bestatter mit fragwürdigen Nebengeschäften

Eher zufällig läuft ihm dann eines Tages ein verschrobener Kunde über den Weg, der gerade seine nicht einmal halb so alte Geliebte verloren hat und sie vor der Beerdigung unbedingt noch einmal sehen möchte – und noch ein wenig mehr. Um es mal auf den Punkt zu bringen: Der Mann will noch ein letztes Mal mit ihr Sex haben – dass die tote (!) Frau eiskalt und die Totenstarre voll ausgeprägt ist, scheint ihn dabei nicht zu stören. Da der Kunde für seinen ungewöhnlichen Wunsch eine Menge Geld auf den Tisch legt, erkennt der clevere (und skrupellose) Bestatter schnell das Potenzial dieser Geschäftsidee. Er gründet Deutschlands erstes Toten-Bordell, die Gestörten rennen ihm die Bude ein und Paul ist seine finanziellen Sorgen auf einen Schlag los. Dummerweise muss er mit seinem illegalen und geschmacklosen Nebengeschäft im Verborgenen agieren und die nächtlichen Aktivitäten in seinem Beerdigungsinstitut geheim halten – was sich vor allem gegenüber seiner nervigen Lebensgefährtin Tanja und deren attraktiver Freundin Wiebke als ziemlich schwierig herausstellt.

Provokant und geschmacklos

Eines muss man dem Autor lassen: Boris Maggioni kennt offenbar keine Hemmungen und liefert mit seinem Roman „Blasses Blut“ eine 200 Seiten lange Provokation der heftigsten Sorte. Nekrophilie wird als salonfähig dargestellt, Rücksicht auf moralische Grenzen oder die Gefühle Hinterbliebener spielen in der absurden Geschichte nahezu keine Rolle. Wen sollte es auch stören? Die Toten sind schließlich tot und die Angehörigen bekommen von der unfreiwilligen Prostitution ihrer geliebten Verstorbenen eh nichts mit – so ist zumindest die Denkweise der Hauptfigur. Der Roman ist dabei klar als Satire ausgelegt, doch ob man so eine geschmacklose Thematik lustig findet oder sich entsetzt abwendet, muss jeder für sich selbst entscheiden (dazu nur so viel: hätte ich vorher den Klappentext des ehemaligen Gratis-eBooks etwas aufmerksamer gelesen, hätte ich mir die Lektüre vermutlich geschenkt…).

Weder lustig noch spannend

Der Tabubruch an sich ist auch nicht das große Problem des Buches, viel schlimmer ist die wirklich haarsträubende Geschichte, die unglaubwürdiger kaum sein könnte. Maggioni vermischt von Anfang an das Nebengeschäft seiner Hauptfigur mit deren Privatleben und stößt Neumann so in ein kompliziertes Beziehungschaos. Hier ist dem Autor keine Idee zu dämlich und so gibt es einen wilden Mix aus Dreiecksbeziehung, Mordkomplott, schmerzhaften Selbstversuchen und vielen weiteren Hirnrissigkeiten. Der Humor Maggionis ist dabei komplett an mir vorbeigegangen und hat bei mir nicht mal zu einem müden Lächeln gereicht, doch auch das kann man mit viel gutem Willen noch als Geschmackssache durchgehen lassen. Der Thrilleranteil des Buches versagt aber unabhängig von persönlichen Präferenzen des Lesers, denn jeder Ansatz von Spannung wird durch eine Reihe völlig unsinniger Wendungen immer wieder im Keim erstickt. Da steckt der Protagonist zum Beispiel wiederholt in einer scheinbar ausweglosen Situation und dem Autor fällt nichts besseres ein, als sich die Geschehnisse im Nachhinein mehrfach so zu drehen, dass alles in einem ganz anderen Licht erscheint. Dass die Logik dabei komplett auf der Strecke bleibt, scheint bei der Entstehung des Buches niemanden gestört zu haben…

Auch sprachlich ist „Blasses Blut“ alles andere als ein literarischer Leckerbissen. Satzgebilde der simpelsten Sorte reihen sich lieblos aneinander, zudem hat sich der Autor für seine Leser noch ein ganz besonderes „Bonbon“ ausgedacht: Maggioni ist offenbar ein ausgesprochener Anapher-Fetischist und „beeindruckt“ ständig mit Passagen, bei denen vier, fünf oder sechs Sätze hintereinander mit den gleichen Wörtern anfangen. Das kann man als originellen Erzählstil auslegen, ich fand es jedoch einfach nur nervig. Genauso wie die unübersichtliche Darstellung von Dialogen: An- und Abführungen mag der Autor offenbar nicht sonderlich und verzichtet durchgehend auf deren Verwendung, sodass man bei Gesprächen mit mehreren Beteiligten kaum die einzelnen Personen unterscheiden kann. Gleiches gilt übrigens auch für Gedanken der Hauptfigur, die in dem Roman als Ich-Erzähler auftritt. Man kann es dem Leser auch unnötig schwer machen…

Fazit:
Haarsträubende Bestatterstory, die mit viel Sex und makrabrer Thematik punkten will, dabei aber dank unglaubwürdiger und selten dämlicher Wendungen auf ganzer Linie versagt. Sprachlich passt sich das Buch leider dem Inhalt an, sodass außer der versuchten Provokation nicht viel hängen bleibt (2/10).

Autor: Boris Maggioni; Umfang: 200 Seiten; Verlag: CreateSpace Independent Publishing Platform; Erscheinungsdatum: 14. Juni 2012; Preis: Taschenbuch 8,91 €, eBook 4,97 €

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