Cover des Buches
Autor: Steinar Bragi
Umfang: 256 Seiten
Verlag: Verlag Antje Kunstmann
Erscheinungsdatum: 29. August 2011

Klappentext:
Die junge Künstlerin Eva Einársdottir trifft sich in New York mit einem isländischen Banker, der ihr eine Förderung ihres nächsten Dokumentarfilms in Aussicht gestellt hat. Es geht ihr nicht gut. Beruflich nicht, und auch privat steht sie vor einem Scherbenhaufen: Hrafn, ihre große Liebe, hat sich von ihr abgewendet und ist zurück nach Island gegangen. Er ist mit dem plötzlichen Tod ihrer kleinen Tochter nicht fertig geworden. Und sie auch nicht. Sie betäubt sich mit Alkohol und Zigaretten und kann nur daran denken, Hrafn wieder zurückzuholen. Im Gespräch mit dem Banker erzählt sie mehr von sich, als sie will, und er bietet ihr an, sein verwaistes Luxusappartement in Reykjavik zu hüten. Ein Glücksfall. Aber als sie dort ist, hat Eva immer mehr das Gefühl, dass man sie in eine Falle gelockt hat. Dass sie das Objekt einer perfiden Inszenierung ist, in der die Grenzen zwischen Realität, Albtraum und Kunst zunehmend verschwimmen…
Wie ein Thriller beginnt der Roman des jungen isländischen Autors Steinar Bragi und zeichnet das vielleicht radikalste Bild Islands vor der Finanzkrise – ein Land, in dem unter der Oberfläche des letzten Booms immer das Unheimliche, der Wahnsinn und das Grauen lauern.

Zum Roman:
Eva Einársdottir ist gerade aus New York nach Island zurückgekehrt und zieht in ein luxuriöses Appartment in Reykjavik ein. Dieses gehört nicht ihr selbst, sondern einem in Amerika lebenden Banker namens Emil Thórsson. Wie man später erfährt finanziert Thórsson Evas nächsten Dokumentarfilm und stellt ihr die Wohnung vorübergehend zur Verfügung. Bezahlen muss sie dafür nichts, sie soll lediglich nach den Pflanzen gucken und sich um die Katze kümmern. Als die Künstlerin jedoch ihre Wohnung im obersten Stock eines modernen Hochhauses betritt, ist sie zunächst verwirrt. Grünzeug gibt es dort nämlich überhaupt nicht, und auch eine Katze sucht sie vergebens. Doch nicht nur das kommt ihr merkwürdig vor. Im Fernsehen findet sie einen Kanal, der das Bild einer Überwachungskamera zeigt. Diese zeigt die Lobby des Hauses und nachts bietet der Portier den Bewohnern sogar eine kleine Showeinlage, indem er vor laufenden Kameras masturbiert. Am meisten beunruhigt Eva jedoch eine Maske im Schlafzimmer, eine Art Vertiefung in der Wand genau über dem Kopfende des Bettes.

Bei ihren ersten Erkundungen des Gebäudes trifft sie auf eine ihrer Nachbarinnen, eine ältere Frau namens Bergthóra. Diese kennt keinerlei Hemmungen und lädt sich direkt zu Eva in die Wohnung ein. Die junge Frau ist sich nicht sicher, ob sie sich über die Gesellschaft der Alten freuen soll oder ob sie das Verhalten Bergthóras zu aufdringlich findet. Irgendwie ist ihr die Nachbarin nicht geheuer, zudem erfährt sie in den gemeinsamen Gesprächen weitere beunruhigende Dinge. Offenbar lebte vor Eva eine andere junge Frau in der Luxuswohnung, die sich aber vor kurzem das Leben genommen hat. Dabei hatte der New Yorker Banker ihr noch erzählt, die Vormieterin wäre lediglich für längere Zeit verreist.

Eva fühlt sich in dem Appartment schnell einsam und sehnt sich nach ihrem Freund Hrafn, der ebenfalls von Amerika nach Island zurückgekehrt ist. Die beiden stecken jedoch gerade in einer Beziehungspause und Hrafn reagiert kaum auf Evas Anrufe. Ihrem Freund ist vor allem ihr übermäßiger Alkoholkonsum auf Dauer zu viel geworden, außerdem müssen beide noch ein traumatisches Erlebnis verarbeiten. Ihr gemeinsames Kind ist nämlich einen plötzlichen Kindstod gestorben.

Dies ist mehr oder weniger die Handlung der ersten Romanhälfte. Es passiert nicht wirklich viel, man begleitet die Hauptfigur lediglich in den ersten Tagen nach ihrem Einzug und erfährt nach und nach mehr über ihre nicht besonders erfreuliche Vergangenheit. Spannung wird hier nur sehr unterschwellig erzeugt, denn schnell wird klar, dass mit der Luxuswohnung irgendetwas nicht stimmt. Als Eva dann auch noch mit Porno-E-Mails belästigt und von einem geheimnisvollen Mann verfolgt wird, sollte dies auch dem letzten klargeworden sein. So richtig beunruhigt ist die Protagonistin aber nicht, denn diese kämpft viel mehr mit sich selbst. Ihre Beziehung zu Hrafn macht ihr schwer zu schaffen und auch der Alkohol ist weiterhin sehr verlockend. Auch wenn hier für einen Thriller deutlich zu wenig Spannung aufgebaut wird – atmosphärisch ist das Ganze schon. Sowohl die kahle und wenig möblierte Wohnung als auch die Stadt Reykjavik selbst wirken kalt und unfreundlich. Zusammen mit Evas Einsamkeit ergibt das eine ziemlich düstere und unwirtliche Grundstimmung.

In der Mitte der Geschichte gibt es dann jedoch plötzlich einen Bruch. Eva lässt sich völlig gehen, was in einer durchzechten Nacht endet. Die Künstlerin hat einen totalen Filmriss und kann sich am Morgen danach an nichts erinnern. Offensichtlich ist in der Nacht jedoch ziemlich viel schiefgelaufen, denn ihr (Ex-)Freund berichtet ihr wütend von merkwürdigen Anrufen und SMS, in denen Eva damit gedroht hat, sich das Leben zu nehmen. Ab diesem Moment verliert die Künstlerin völlig die Kontrolle und muss kurz darauf feststellen, dass sie die Wohnung nicht mehr verlassen kann. Irgendjemand hat sie in dem Appartment eingesperrt und zwingt sie fortan zu abartigen Sexualpraktiken. Ein nicht enden wollender Albtraum beginnt…

Von diesem Moment an geht es mit dem Eva und dem Roman rapide bergab. War die erste Hälfte noch relativ gelungen, ist der zweite Teil nur noch abstrus und abstoßend. Es kommt zu körperlichen und seelischen Vergewaltigung übelster Sorte, die meiner Meinung nach die Grenze des Erträglichen übersteigen. Als dann noch ein wehrloses Kind in die perversen Spiele hineingezogen wird, musste ich mich schon überwinden, das Buch nicht angewidert zur Seite zu legen. Fast noch schlimmer als die Schilderung der Grausamkeiten finde ich die Darstellung der Hauptfigur und ihre Reaktion auf die Demütigungen. Offenbar findet sie den Missbrauch gar nicht so schlimm. Zwar wehrt sie sich anfangs noch, nach einer ersten Bestrafung wegen Zuwiderhandelns ist sie jedoch völlig willenlos und gefügig. Und da ihre Peiniger ja auch immer schön die Wohnung putzen und aufräumen sowie für abwechslungsreiche Ernährung sorgen, lässt sich die Situation ja aushalten (so kommen die Aussagen und Überlegungen der Hauptfigur zumindest rüber).

Ich finde es fast schon unglaublich, was hier vom Autor für ein Frauenbild erzeugt wird. Dies gipfelt dann in der Figur des Künstlers Joseph Novak, der mit seiner Kunst regelmäßig für Aufregung und Diskussionsstoff sorgt. Dazu tragen vor allem Aussagen bei wie „wenn ein Mann eine Frau vergewaltigt, weist er sie nur darauf hin, wo sie in der Gesellschaft wirklich steht“ oder „Für jede Frau die ins Parlament einzieht […] werden tausende Pornofilme produziert, in welchen Frauen wieder auf ihren Platz getellt werden, ohne Macht, unterwürfig und gedemütigt“.

Gekrönt wird das Ganze dann von einer völlig konfusen beziehungsweise nicht vorhandenen Auflösung, welche eigentlich eine Frechheit ist. Was der Autor damit aussagen möchte, weiß wohl nur Steinar Bragi selbst. Das was er sich da am Ende zusammenschreibt, geht über die Bezeichnung „surreal“ weit hinaus und ergibt in meinen Augen einfach keinen Sinn. Vielleicht bin ich aber auch nicht gebildet genug, um hinter die intellektuelle Aussage dieses Romans zu kommen…

Mein Fazit:
„Frauen“ von Steinar Bragi besteht eigentlich aus zwei Hälften. Teil 1 ist relativ ruhig mit einer eher unterschwelligen Bedrohung, dafür aber durchaus atmosphärisch und unterhaltsam. Ab der Mitte wird es jedoch abartig, abstoßend und menschen- bzw. vor allem frauenverachtend. Hier wird meiner Meinung nach eindeutig eine Grenze überschritten. Zudem ist mir das Ende und damit die Aussage des Romans völlig schleierhaft und für mich persönlich nicht nachvollziehbar und sinnfrei. Das ist schade, vor allem weil Bragis Schreibstil an sich eigentlich recht angenehm ist und man das Buch recht flüssig lesen kann. Allerdings möchte ich auch darauf hinweisen, dass „Frauen“ bei den „professionellen“ Kritikern durchaus positiv aufgenommen und für diverse Preise nominiert wurde. Vielleicht stehe ich mit meiner Meinung also auch mehr oder weniger alleine da. Ich kann das Buch jedenfalls leider nicht weiterempfehlen.

Meine Wertung: 3/10

Cover des Buches Informationen:
Der Titel „Frauen“ von Steinar Bragi ist im Verlag Antje Kunstmann erschienen und hat einen Umfang von 256 Seiten. An dieser Stelle auch vielen Dank an den Kunstmann Verlag und Bloggdeinbuch.de, die mir das Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben!

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3 Antworten zu diesem Beitrag

  • Das du mit deiner Meinung nicht ganz alleine bist, haben wir ja schon festgestellt 🙂 Jedenfalls hat der Autor es geschafft Diskussionen auszulösen – vielleicht war das ja sein Ziel?

    LG

    Tina

  • Hier ist auch noch jemand deiner Meinung *wink* 🙂
    Im Kontext der Isländischen Situation und Geschichte ergab das Buch im nachhinein dann doch noch ein wenig Sinn, was es aber nicht besser machte.

    Ich fand die Figuren schrecklich unsympatisch und hätte Eva am liebsten rechts und links eine gescheuert *g*