Mit der zunehmenden Ausbreitung von Sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram oder Twitter steigen bei vielen auch die Sorgen um die Sicherheit von persönlichen Informationen oder sogar vor meist anonym verfassten Hassnachrichten, Beleidigungen und Bedrohungen – wer sich im Internet präsentiert, riskiert damit auch, früher oder später zur Zielscheibe zu werden. In ihrem Thriller „R.I.P.“ treibt die isländische Autorin Yrsa Yrsa Sigurðardóttir diese Gefahr auf die Spitze, was vor allem die junge Schülerin Stella auf dramatische Weise zu spüren bekommt. Zunächst erhält sie während ihrer Spätschicht in einem Kino beunruhigende Nachrichten von einem Fremden, wenig später wird sie dann sogar in der Toilette brutal attackiert und misshandelt. Besonders perfide an der Tat: ihr Peiniger filmt das grausame Geschehen und sendet die Videoclips via Snapchat an die Freunde des Mädchens. Als die Polizei alarmiert wird, hat der Täter Stella bereits verschleppt und nur die Spuren im Kino zeugen von dem schrecklichen Verbrechen. Auch wenn die Einsatzkräfte umgehend die Ermittlungen aufnehmen, lassen die Aufnahmen der Überwachungskameras nur einen traurigen Schluss zu: egal ob es der Polizei gelingt, Stella zu finden oder nicht – für das Leben des Mädchens kommt jede Hilfe zu spät…

Der dritte Fall für Kommissar Huldar und Psychologin Freyja

Wie schon bei den beiden Vorgängerromanen „DNA“ und „SOG“ führt Yrsa Sigurðardóttir auch in „R.I.P.“ wieder den Kommissar Huldar und die Kinderpsychologin Freyja zusammen, was Fans der Autorin nicht überraschen wird, auf der anderen Seite aber immer noch verwundert, denn bisher haben sich die beiden völlig gegensätzlichen Charaktere nicht unbedingt für eine weitere Zusammenarbeit empfohlen. Das ist auch beim dritten gemeinsamen Auftritt nicht anders, denn immer noch ist das Verhältnis der beiden äußerst angespannt, was hauptsächlich auf eine wenig erfolgreiche Affäre zwischen Huldar und Freyja zurückzuführen ist – treue Leser:innen erinnern sich noch dunkel an das verhängnisvolle One-Night-Stand aus dem ersten Band. Und es ist wohl in erster Linie dem unnachgiebigen Huldar geschuldet, dass Psychologin Freyja auch diesmal wieder in die Ermittlungen mit hineingezogen wird – und das sicherlich auch wieder nicht völlig ohne Hintergedanken.

Ein Ermittler-„Team“ direkt aus der Hölle

Damit sind wir auch gleich beim größten Kritikpunkt der Reihe, der sich auch in diesem Buch wieder früh offenbart und durch die gesamte Lektüre zieht, denn für viele Leser:innen dürfte noch immer nur schwer nachvollziehbar sein, warum ausgerechnet diese beiden Figuren von ihrer Schöpferin zu Held:innen einer Thrillerreihe auserkoren wurden. Natürlich müssen Ermittlerduos nicht immer völlig harmonisch funktionieren, wenn jedoch die immer gleichen Streitpunkte und Anfeindungen aber wieder und wieder aufgewärmt werden und kaum das simpelste Miteinander möglich scheint, dann ist das in erster Linie sehr anstrengend und oft sogar einfach nur nervig. Leider hat der Konflikt zwischen Huldar und Freyja der Autorin offenbar auch nicht ausgereicht, sodass sich mit Huldars Chefin Erla mittlerweile auch noch eine dritte Figur dazwischendrängt. Und auch hier wird den Beteiligten wieder eine missratene Bettgeschichte zum Verhängnis, was die Zusammenarbeit der drei zu einem reinen Kindergarten werden lässt, in dem keiner dem anderen den Dreck unter den Fingernägeln gönnt. Das wirkt nicht nur sehr künstlich konstruiert, sondern lässt die Hauptfiguren auch völlig unprofessionell erscheinen – schlechte Voraussetzungen also, um im dritten Anlauf endlich auch nur annähernd zu Sympathieträgern zu werden.

Spannender Plot vor einem ersten Hintergrund

Was die Handlung abseits dieser unheilvollen Ménage-à-trois betrifft, spielt Yrsa Sigurðardóttir ihre Erfahrung als Thriller-Autorin aber mit aller Routine aus und präsentiert einen spannenden Fall, der atmosphärisch erzählt wird, für manch schwer verdaulichen Wirkungstreffer sorgt und mit dem „Snapchat“-Killer auf mehrfache Weise den Zahn der Zeit trifft. Denn nicht nur das Ausspionieren von Social-Media-Profilen wird hier zum Thema, auch die Gefahren und Konsequenzen von Mobbing vor allem in Verbindung mit diesen Netzwerken werden zum zentralen Element dieser Geschichte gemacht und der Autorin gelingt es dabei gut, ein differenziertes Bild dieser Problematik zu zeichnen und ihrer Thriller-Handlung einen glaubwürdigen und realitätsnahen Hintergrund zu verpassen.

Eigentlich ein guter Krimi – wenn nur die Figuren nicht wären

Insgesamt hinterlässt „R.I.P.“ also einen sehr ähnlichen Eindruck wie schon die beiden Vorgänger: in Bezug auf den Kriminalfall weiß das Buch ohne große Kritikpunkte zu überzeugen und auch zu fesseln, allerdings werden ein weiteres Mal die Charaktere zu einem regelrechten Abtörner. Wer schon zuvor vom ewigen Gezanke zwischen dem Kommissar und der Psychologin genervt war, der wird diesmal durch die überaus anstrengende Dreiecksbeziehung Huldar/Freyja/Erla wohl nun endgültig das Handtuch werfen, wer über derartige private Eskapaden aber hinwegsehen kann oder an solchem Drama sogar Gefallen findet, kann sich erneut an einem im Grunde guten Kriminalroman erfreuen. Für zukünftige Bände wäre es jedoch wünschenswert, wenn die Hauptfiguren endlich erwachsen werden und die ständigen Streitigkeiten hinter sich lassen würden, denn auch nach dem dritten „Huldar & Freyja“-Fall bleibt von den beiden Protagonist:innen abgesehen von ihrem kindischen Verhalten wenig in Erinnerung – das kann Yrsa Sigurðardóttir eigentlich besser.

R.I.P. (Kommissar Huldar & Psychologin Freyja #3) – Yrsa Sigurðardóttir
  • Autor:
  • Original Titel: Aflausn
  • Reihe: Huldar & Freyja #3
  • Umfang: 448 Seiten
  • Verlag: btb Verlag
  • Erscheinungsdatum: 24. Juni 2019
  • Preis Geb. Ausgabe 20,00€/Taschenbuch 10,00 €/eBook 9,99 €
Cover:
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Gesamt:
7/10
Fazit:
Auch mit "R.I.P." liefert die isländische Bestsellerautorin Yrsa Sigurðardóttir im Grunde genommen wieder einen spannenden Thriller, der jedoch wie schon die beiden Vorgängerromane durch das kindische Verhalten der weiterhin überhaupt nicht harmonierenden Hauptfiguren getrübt wird.

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