Hunger_Rezi

Drei Monate sind vergangen, seit alle Erwachsenen in Perdido Beach plötzlich spurlos verschwanden und die verbleibenden Kinder und Jugendlichen durch eine riesige unsichtbare Barriere von der Außenwelt abgetrennt wurden. Zwar haben Sam, Astrid und ihre Verbündeten inzwischen einen Weg gefunden, das Verschwinden weiterer Jungen und Mädchen bei Vollendung ihres 15. Lebensjahres zu verhindern, dafür müssen sie sich aber nun mit weitaus gewöhnlicheren Problemen herumschlagen: Nahezu alle Nahrungsvorräte sind mittlerweile aufgebraucht oder verrottet und die Überlebenden müssen dringend neue Lebensmittel erschließen, weil sonst innerhalb von wenigen Wochen der Hungertod droht. Allerdings wird dieses Unterfangen nicht nur von äußeren Einflüssen wie dem Befall der Obst- und Gemüsefelder von gefräßigen Parasiten, sondern auch durch die immer noch schwelenden Konflikte zwischen Sams Gefolgschaft und den Schülern der Coates Academy erschwert. Während die Situation in Perdido Beach immer weiter zu eskalieren droht, wird die wohl schlimmste Bedrohung für die Jugendlichen im Verborgenen immer mächtiger…

Die Lage in Perdido Beach spitzt sich zu

Auch drei Monate nach den dramatischen Ereignissen in „Gone“, dem Auftaktband von Michael Grants gleichnamiger Young-Adult-Science-Fiction-Reihe, ist das einst so idyllische kalifornische Küstenstädtchen Perdido Beach im Ausnahmezustand. Von den spurlos verschwundenen Erwachsenen fehlt immer noch jede Spur und ohne politische und gesellschaftliche Ordnung droht sich die Situation mit jedem Tag weiter zu verschlimmern – da hilft es auch kaum, dass die Überleben mittlerweile einen Weg gefunden haben, das Verschwinden weiterer Kinder zu verhindern. Auch in der Fortsetzung „Hunger“ wartet wieder ein neben den Kapitelüberschriften ständig tickender Countdown auf die Leser, der diesmal auf knapp viereinhalb Tage angesetzt ist und damit den Zeitraum der Handlung des zweiten Bandes definiert. Während die Uhr in „Gone“ noch die Zeit bis zur schicksalhaften Vollendung des 15. Lebensjahres des Protagonisten Sam Temple herunterzählte, wird man diesmal über die Art der Bedrohung im Ungewissen gelassen – potenzielle Gefahren gibt es aber zu Genüge.

Der Fluch des unfreiwilligen Erwachsenseins

Das dominierende Thema des zweiten Bandes wird bereits durch den Buchtitel definiert: Hunger. Durch Verschwendung, Sorglosigkeit und mangelnde Voraussicht sind die Essensvorräte in Perdido Beach inzwischen fast vollständig aufgebraucht und die Jugendlichen tatsächlich ernsthaft vom Verhungern bedroht. Und mit lauter unbedarften Kindern, welche die Freiheit ohne Eltern lieber dazu nutzen, den ganzen Tag Videospiele zu spielen statt auf den Feldern Gemüse anzubauen, fällt es natürlich schwer, die dringend nötige Grundversorgung aufzubauen – wie auch Protagonist Sam Temple am eigenen Leib erfahren muss. Überhaupt kommt ihm wohl die schlimmste Rolle zu, denn nach seinen Taten im ersten Band wird von ihm erwartet, sich um alles zu kümmern, sodass Sam schon nach kurzer Zeit von all den wichtigen und nichtigen Anliegen seiner Mitstreiter überfordert ist. Wie schon im Vorgänger schafft es Michael Grant hier auf durchaus beeindruckende Weise, die Sorgen und Alltagsprobleme seiner Helden und Antihelden realistisch und nachvollziehbar darzustellen, zudem wirkt die Situation der Kinder und Jugendlichen durch die umfassende Betrachtung des Lebens in Perdido Beach trotz aller SciFi-Elemente wie der unsichtbaren Barriere, spektakulären Superkräften oder übernatürlichen Bedrohungen sehr glaubwürdig – es gibt hier eben nicht nur aufregende Kämpfe zwischen verfeindeten Lagern, sondern auch Probleme wie die Betreuung der Kleinkinder oder das Aufstellen eines Belohnungssystems zur Motivation der arbeitsscheuen Jugendlichen wollen bzw. müssen bewältigt werden.

Gute Fortsetzung, deren Komplexität gleichzeitig Segen und Fluch ist

Allerdings hat diese Komplexität nicht nur Vorteile: So spannend es auch sein mag, viele verschiedene Charaktere bei ihrem Kampf gegen die kleinen und großen Hindernisse des Alltagslebens in einer Welt ohne Erwachsene zu begleiten – die essentielle Story bleibt dabei leider ein wenig auf der Strecke und schreitet nur sehr langsam voran. So gibt es in „Hunger“ drei Schwerpunkte, die in der Geschichte abgehandelt werden: Der Kampf gegen den Hunger, das Duell um das elementar wichtige Kernkraftwerk der Stadt und das mysteriöse Wesen Gaiaphage, das im Verborgenen immer mehr Kraft gewinnt und zu der vielleicht größten Bedrohung der Kinder und Jugendlichen heranwächst. Und wenn man am Ende des Romans mal ein wenig Bilanz zwischen Ausgangssituation und Ist-Zustand zieht, so ist die Hauptstory auf den fast 600 Seiten dazwischen nicht wirklich viel weitergekommen. Vielleicht wäre es hier besser gewesen, auf ein paar Nebencharaktere zu verzichten und dafür etwas mehr Wert auf die Handlung selbst zu legen. „Hunger“ ist zwar keinesfalls langatmig, eine gewisse Straffung bzw. ein höheres Erzähltempo hätten dem Buch aber meiner Meinung nach gutgetan. Nichtsdestotrotz ist „Hunger“ ohne Frage eine gute Fortsetzung und verliert auch im zweiten Band nichts vom Reiz des interessanten Szenarios und den vielen und überwiegend auch durchaus vielschichtig beschriebenen Charakteren. Man darf auf die weiteren Entwicklungen gespannt sein.

Hunger
  • Autor:
  • Deutscher Titel: Hunger
  • Reihe: Gone #2
  • Umfang: 590 Seiten
  • Verlag: Katherine Tegen Books
  • Erscheinungsdatum: 8. April 2010
  • Preis Taschenbuch 9,48 €/eBook 4,88 €
Cover:
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Gesamt:
7/10
Fazit:
Michael Grants „Hunger“ ist eine gelungene Fortsetzung des Auftaktbandes der „Gone“-Reihe und überzeugt erneut mit einer sehr komplexen und glaubwürdigen Darstellung der Charaktere und ihrer außergewöhnlichen Situation, bei der Vielzahl an Perspektiven und Nebenfiguren kommt der Kern der Geschichte aber insgesamt ein wenig zu kurz.

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