Der Sandmann_Rezi

Mitten in der Nacht wird von der schwedischen Polizei ein offenbar geistig verwirrter Mann aufgegriffen, der völlig orientierungslos auf den Eisenbahngleisen herumstolpert. Wie sich herausstellt, handelt es sich bei ihm um Mikael Kohler-Frost, eines der vermeintlichen Opfer des berüchtigten Serienkillers Jurek Walter, der seit Jahren in der Isolationszelle einer psychiatrischen Klinik weggesperrt ist. Mikael wurde vor 13 Jahren zusammen mit seiner Schwester Felicia entführt und sowohl die Polizei als auch der Vater der beiden hatten längst jede Hoffnung aufgegeben, die Vermissten jemals lebendig wiederzusehen. Das Auftauchen Mikaels kommt folglich einer Sensation gleich, zumal dieser aussagt, dass auch Felicia noch am Leben sei und sich in der Gewalt des „Sandmanns“ befinde. Kriminalkommissar Joona Linna sieht sich dadurch in seiner Theorie bestätigt, dass Jurek Walter seine Taten damals nicht alleine begangen hat und setzt alles daran, die schrecklichen Verbrechen nun endlich vollständig aufklären und Felicia Kohler-Frost rechtzeitig aus der Gewalt ihres Peinigers befreien zu können…

Kriminalkommissar Joona Linna trifft auf seinen schlimmsten Gegenspieler

„Der Sandmann“, der vierte Band der Joona-Linna-Reihe aus der Feder des schwedischen Autorenpaares Alexandra und Alexander Ahndoril (veröffentlicht unter dem gemeinsamen Pseudonym „Lars Kepler“) beginnt wenig überraschend genau da, wo der gelungene Cliffhanger des Vorgängers „Flammenkinder“ die Leser und Hörer zurückgelassen hat: In der Einzelzelle des Serienmörders Jurek Walter in einer psychiatrischen Klinik, wo das Personal nur unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen mit dem Mann in Kontakt tritt. In wenigen Sätzen wird noch einmal die besondere Bedrohung betont, die vom Mörder ausgeht und somit fast schon ein regelrechter Mythos um diesen inzwischen merklich gealterten Mann erzeugt, der bis zu seinem Lebensende in Gewahrsam bleiben wird. Jede Sekunde in der Nähe Jurek Walters stellt demzufolge bereits ein hohes Risiko dar, da diesem nachgesagt wird, dass er mit nur wenigen Worten und Gesten andere Menschen in den Selbstmord treiben könne – mit Sicherheit ein wenig dick aufgetragen, aber der unheimliche Auftakt verfehlt dennoch nicht seine Wirkung und erzeugt gleich eine bedrohliche Atmosphäre.

Einige Wiederholungen für Kenner der Reihe

Leider dauert es anschließend eine ganze Weile, bis „Der Sandmann“ diese intensive Stimmung auch nur ansatzweise wieder erreicht, denn die Handlung entwickelt sich zunächst eher behäbig. Es wird noch einmal ausführlich die kriminelle Karriere von Jurek Walter wiederholt, was für Neueinsteiger zwar notwendig, für Leser des dritten Buches aber fast schon kalter Kaffee ist. Auch Joona Linnas spezielle Beziehung zu dem Serienmörder, der auch für den schmerzlichen Verlust seiner Familie verantwortlich ist, wird ein weiteres Mal verdeutlicht, sodass nun auch dem letzten klar sein sollte, dass der Ermittler mit finnischen Wurzeln alles tun wird, um Walters Taten und die Verwicklung eines möglichen Komplizen diesmal restlos aufzuklären und damit vielleicht doch noch ein Wiedersehen mit Frau und Kind herbeizuführen.

Spannendes Szenario, aber nicht immer gelungene Umsetzung

Im Prinzip hat der vierte Band dieser Krimireihe alle Zutaten, um zum bisherigen Höhepunkt der Serie zu werden: Ein wirklich beängstigender Serienkiller, ein Ermittler, der aufgrund seiner persönlicher Motivation auch vor extremen Maßnahmen nicht zurückschreckt, kurze und knackige Kapitel mit vielen kleinen Cliffhangern und mit der psychiatrischen Klinik ein Schauplatz, der sich für einen psychologischen Thriller bestens eignen würde. Grundsätzlich bietet „Der Sandmann“ auch wieder eine gute und spannende Geschichte, die bei mir gerade durch die Schlusssszene des letzten Bandes hervorgerufenen hohen Erwartungen konnte das Buch aber letztlich leider zu selten erfüllen. Das liegt vor allem am oft einfach zu schwerfälligem Spannungsaufbau, den hin und wieder schlicht zu billigen Schockeffekten und vielen kleinen Ungereimtheiten. So ist es z.B. logisch nur schwer nachvollziehbar, wie ein gefürchteter Psychopath wie Jurek Walter nur unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen behandelt wird, sich dann aber frei unter seinen Mitinsassen bewegen darf. Auch die Tatsache, dass man ausgerechnet eine weibliche Ermittlerin verdeckt in eine Klinik einschleust, in der sie dem Zugriff von Serienmördern und Vergewaltigern zu großen Teilen schutzlos ausgeliefert ist, erscheint mir äußerst unglaubwürdig. Zu guter letzt war mir dann auch die Auflösung und speziell der arg konstruierte Lebenslauf Jurek Walters doch etwas zu weit hergeholt, sodass mich Keplers vierter Band insgesamt zwar gut unterhalten hat, leider aber nur zu selten den erhofften Nervenkitzel bieten konnte.

Der Sandmann
  • Autor:
  • Sprecher: Simon Jäger
  • Original Titel: Sandmannen
  • Reihe: Joona Linna #4
  • Länge: 14 Std. 15 Min. (ungekürzt)
  • Verlag: Lübbe Audio
  • Erscheinungsdatum: 14. Februar 2014
  • Preis 29,95 € (9,95 € im Audible-Flexi-Abo)
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Sprecher:
Gesamt:
7/10
Fazit:
Spannender Serienmörder-Krimi, der mit einem beängstigenden Gegenspieler punktet, bei der Story aber einige logische Schwächen offenbart und letztlich etwas überkonstruiert ist.

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