Wonder_Rezi

August Pullman ist kein gewöhnlicher Zehnjähriger. Er ist mit schweren Entstellungen im Gesicht zur Welt gekommen und musste sich seit seiner Geburt zahlreichen schmerzvollen Operationen unterziehen, dank derer es August mittlerweile zwar gesundheitlich besser geht, die aber sein Gesicht trotz mehrerer korrigierender Eingriffe letztlich dennoch stark deformiert belassen haben. Aufgrund der vielen Krankenhausaufenthalte war es dem Jungen bisher nie möglich, eine normale Schule zu besuchen und so wurde er lediglich zuhause von seiner Mutter unterrichtet. Mit nun zehn Jahren hat August den Ärzte-Marathon aber endlich überstanden, sodass seine Eltern darüber nachdenken, ihren Sohn nun wie alle anderen Kinder auch zur Schule zu schicken, da sie annehmen, dass dieser Schritt in die Normalität August bei seiner Entwicklung helfen würde… Dieser ist davon aber gar nicht begeistert und hat große Angst vor den Reaktionen der anderen Schüler. Letzlich kann er sich aber doch dazu überwinden und beginnt sein erstes Jahr an einer richtigen Schule…

Der tägliche Kampf eines außergewöhnlichen Jungen

Um es gleich einmal vorweg zu nehmen: „Wonder“ von Raquel J. Palacio ist ein tolles Buch mit einer tollen Hauptfigur. Der zehnjährige August Pullman ist einer dieser Charaktere, die man am liebsten über die gesamte Länge der Geschichte in den Arm nehmen möchte – und das aus den unterschiedlichsten Gründen. Man möchte ihn vor den erschrockenen Blicken seiner Mitmenschen beschützen, ihm in schwierigen Situationen Trost spenden, ihn auf seinem schweren Weg ermutigen oder ihm einfach nur zeigen, dass er ein wirklich großartiger Junge ist. Denn es gehört viel Kraft und viel Mut dazu, sich mit einem solch gravierenden und für alle sichtbaren Handicap den Reaktionen der anderen zu stellen und Tag für Tag mit der Gewissheit zu leben, dass August diesen Blicken bis zum Ende seines Lebens ausgesetzt sein. Natürlich kommt hier auch ein bisschen der Mitleidsbonus zum Tragen, allerdings ist „Auggie“ auch abgesehen davon einfach ein toller kleiner Kerl, der trotz allem wunderbar über sich selbst lachen kann.

Clever erzählte und sehr kurzweilige Geschichte

R.J. Palacio erzählt Augusts Geschichte vorrangig aus der Sicht der Hauptfigur selbst, folglich ist „Wonder“ sprachlich eher einfach gehalten – schließlich erzählt hier ein Zehnjähriger aus seinem Leben. Die Kapitel sind sehr kurz und erstrecken sich meist nur über eine bis drei Seiten, sodass man sich beim Lesen insgesamt sehr zügig von einem Ereignis zum nächsten hangelt. Gut gelungen ist auch der Schachzug der Autorin, neben August auch die anderen Charaktere der Geschichte zu Wort kommen zu lassen, so erfährt man z.B. auch, wie seine Schwester oder sein bester Freund den Umgang mit diesem außergewöhnlichen Jungen erleben.

Im Kern eine doch recht gewöhnliche Außenseiter-Story

„Wonder“ ist ein absolutes Wohlfühlbuch, das berührt, zum Schmunzeln bringt und wirklich sehr gut unterhält. Allerdings kann ich nicht ganz in die überschwänglichen Kritiken einstimmen, denn meiner Meinung nach bietet Palacios Roman zwar einen außergewöhnlichen Protagonisten, aber keine außergewöhnliche Story. Es wäre zu hart zu sagen, dass die Geschichte vor sich hinplätschert, denn sie ist wirklich zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise langweilig oder uninteressant, aber ich habe beim Lesen die ganze Zeit auf ein richtiges Highlight gewartet – leider vergeblich. Ich dachte ständig „Jetzt muss doch gleich mal etwas Dramatisches passieren“, doch alles in allem kommt „Wonder“ überraschenderweise ohne wirkliche Konflikte aus – im Prinzip bietet das Buch eine ganz normale Außenseiterstory, die Außenseiterrolle ist hier nur vielleicht ein wenig extremer. Es gibt zwar viele Momente, die bewegen und große Empathie für August oder Wut auf intolerante Mitschüler hervorrufen – für die ganz großen Emotionen reicht es für mich aber nicht. Außerdem wäre es in meinen Augen z.B. auch spannend gewesen, bei den vielen Erzählperspektiven auch mal eine „böse“ Figur zu begleiten und nicht nur die stets unglaublich verständnisvollen und sich sorgenden Personen aus Augusts nahem Umfeld. Hier hätte man gerne das überflüssige Kapitel aus der Sicht vom Freund der Schwester weglassen und durch eines aus Mobber-Sicht ersetzen können.

Ein wirklich schönes Wohlfühlbuch – aber auch nicht viel mehr

Jedoch bitte nicht falsch verstehen: „Wonder“ von R.J. Palacio ist ein wirklich schönes und gut geschriebenes Buch, dessen Hauptfigur man wohl noch lange in Erinnerung behalten wird. Die Frage ist nur, ob dies für die letztlich sehr gewöhnliche und unspektakuläre Geschichte ebenfalls gelten wird…

Wonder
  • Autor:
  • Deutscher Titel: Wunder
  • Umfang: 315 Seiten
  • Verlag: Corgi Childrens
  • Erscheinungsdatum: 3. Januar 2013
  • Preis Taschenbuch 5,50 €/eBook 4,99 €
Cover:
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Gesamt:
8/10
Fazit:
Bewegendes Buch mit einer außergewöhnlichen Hauptfigur, das bei genauerem Hinsehen aber eine doch recht gewöhnliche Außenseiter-Story ohne große Überraschungen bietet.

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2 Antworten zu diesem Beitrag

  • Dann musst du vll mal The Julian Chapter lesen, wenn dir die Sicht gefehlt hat 😉
    Hab nur keine Ahnung ob das gut ist, habs noch nicht gelesen, weil Wonder schon so lange her ist bei mir 😀

    • Dass hab ich dann auch ungefähr ne Stunde nachdem ich die Rezi geschrieben habe gesehen dass es zu genau dieser Perspektive ’ne Kurzgeschichte gibt 😀

      Da kommt ja bald auch schon „365 Days of Wonder“ raus wobei ich mir da noch nicht sicher bin was man davon genau zu erwarten hat^^