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Nach der brutalen Attacke auf die Fraktion der Abnegation sind die Überlebenden um Tris und Four gezwungen, bei den Amity Zuflucht zu suchen – doch auch hier können sie sich nur kurz in Sicherheit wiegen…

Der niederträchtige Angriff der Erudite konnte gerade noch abgewehrt werden, dennoch haben die dramatischen Ereignisse nicht nur im Abnegation-Lager Spuren hinterlassen und zahlreiche unschuldige Opfer gefordert. Vor allem Tris ist von dem Anschlag arg getroffen und muss mit einem schmerzhaften Verlust umgehen – zudem macht es ihr schwer zu schaffen, dass sie während der Verteidigung der Abnegation gezwungen war, einen ihrer engsten Freunde zu töten. Sie weiß nicht, wie sie Four und den anderen Überlebenden die Wahrheit über die schrecklichen Konsequenzen ihres Handelns mitteilen soll, da sie befürchtet, dass diese sie für ihre Tat verachten werden – auch wenn sie in Notwehr dazu gezwungen wurde.

Die Zeit der Sicherheit und des Friedens ist vorbei

Viel Zeit zum Grübeln bleibt aber nicht, denn die Sicherheit, in der sich die Flüchtlinge bei den neutralen Amity vorübergehend währen, ist nicht von Dauer: Die Erudite und einige Dauntless-Verräter streben weiterhin nach der Vernichtung der Abnegation und haben die Suche nach den Überlebenden bereits aufgenommen. Darüber hinaus beunruhigt Tris ein Gespräch, dass sie zwischen Marcus Eaton und Amity-Führerin Johanna aufgeschnappt hat: Darin macht Marcus kryptische Andeutungen, dass die getöteten Abnegation nicht grundlos gestorben sind, sondern sich für die Wahrung eines Geheimnisses geopfert haben – ein Geheimnis, das alles verändern könnte…

Setzt nahtlos an die Ereignisse des Trilogie-Auftakts an

„Insurgent“, der zweite Band aus Veronica Roths „Divergent“-Trilogie, setzt da an, wo der Auftakt aufgehört hat: Nämlich bei dem Angriff der Erudite auf die Abnegation-Fraktion, zu deren Zweck diese viele aus dem Dauntless-Lager mithilfe einer Simulation manipuliert hatten. Die Attacke hat viele Opfer gefordert, doch die totale Vernichtung der Abnegation konnte noch einmal abgewendet werden. Dennoch ist es mit dem Frieden zwischen den Fraktionen endgültig vorbei und die Zukunft der Überlebenden liegt völlig im Ungewissen.

Unstrukturierter Plot ohne roten Faden

Gleiches scheint auch für die Handlung zu gelten, denn am Anfang von „Insurgent“ weiß man als Leser nicht wirklich, in welche Richtung es jetzt eigentlich gehen soll. Die Story besteht zunächst ein wenig aus Wundenlecken, Unsicherheit und einigen kleineren Scharmützeln, doch ein roter Faden wird lange nicht erkennbar. Der Plot ist zwar nicht wirklich langweilig, da Veronica Roth ihre Protagonisten immer von einem Ort zum nächsten schickt und dort jeweils mit Verbündeten und/oder Gegnern konfrontiert, doch richtig Aufregendes passiert in den ersten zwei Dritteln des Buches eigentlich auch nicht. Hier hatte „Divergent“ in meinen Augen mehr zu bieten, da dort z.B. das knallharte Initiationsprogramm oder der Umgang mit dem außergewöhnlichen und gleichzeitig besorgniserrgenden „Divergent“-Status der Protagonistin für Spannung und einen gewissen Suchtfaktor suchte. Dieser ist der Fortsetzung meiner Meinung nach aber ein wenig verloren gegangen. „Insurgent“ liest sich zwar nach wie vor flüssig, bietet aber irgendwie nicht wirklich etwas, auf das man hinfiebern könnte, da die Story gleichermaßen chaotisch und überraschungsarm ist.

Was existiert eigentlich außerhalb der Stadt?

Zudem ist ärgerlich, dass man gegenüber dem ersten Band kaum neue Erkenntnisse darüber erhält, was es eigentlich überhaupt mit der Welt von „Divergent“ auf sich hat. Okay, wir befinden uns irgendwo in einer futuristischen Version Chicagos, in der die Bevölkerung auf fünf verschiedene Fraktionen unterschiedlicher Gesinnung aufgeteilt wurde. Warum es aber überhaupt zu dieser Aufspaltung gekommen ist und wie die Welt außerhalb Chicagos eigentlich aussieht, darüber liefert Veronica Roth im gesamten Buch keinerlei neue Anhaltspunkte – und es scheint auch von den Charakteren niemanden so wirklich zu interessieren, was sich eigentlich außerhalb der Stadtgrenzen befindet. Das ist schade, weil das Szenario der Trilogie so wenig greifbar wird – dies wurde in anderen Dystopien wie z.B. der Maze-Runner-Reihe deutlich besser gelöst, wo geschickt mit der Ungewissheit des Lesers bezüglich des Settings gespielt und alleine dadurch schon sehr viel Spannung erzeugt wurde.

Anstrengende Hauptfiguren

Ein weiteres Problem, dass ich beim Lesen von „Insurgent“ hatte, betrifft die Charaktere, allen voran die beiden Hauptfiguren Tris und Four. In „Divergent“ fand ich Tris noch sympathisch und interessant, nach der Lektüre des zweiten Bandes empfinde ich sie jedoch einfach nur noch als nervig und anstrengend. Die Beziehung zu Four scheint Tris offenbar nicht gut zu bekommen, denn ständig zicken sich die beiden an, nur um sich dann wieder unsterblich verliebt in die Arme zu fallen – bis mal wieder einer von beiden unbedingt seinen Kopf durchsetzen muss und für den nächsten Streit sorgt. Besonders Tris ist mit ihren permanenten Selbstzweifeln und dem Drang, sich beweisen zu müssen und für die anderen aufzuopfern, oft schwer zu ertragen und hat mich so manches Mal zur Weißglut getrieben. Das sorgte dann dafür, dass die Identifikation mit den beiden fast komplett verloren geht und es mir zwischenzeitlich schon beinahe egal war, was mit den beiden passiert. Neben dem ganzen Tris/Four-Geplänkel bleibt dann auch wenig Platz für andere Figuren und bis auf Tris‘ Bruder Caleb und mit Abstrichen vielleicht noch Christina gibt es niemanden, der wirklich nachhaltig im Gedächtnis bleibt. Zudem verliert sich die Geschichte an manchen Stellen in einem wahren Fraktions-Chaos, sodass man bei den vielen Nebencharakteren und ihren diversen Abstammungen kaum noch den Überblick behält – was aber dann auch wieder irgendwie egal ist, denn sonderlich von Bedeutung sind diese dann letztlich doch nicht. Schade ist auch, dass die Fraktionen häufig sehr klischeehaft dargestellt werden und z.B. gerade die Amity wie eine treudoofe Friedenssekte rüberkommen, bei der man ständig befürchten muss, dass diese mit fröhlichen Gesängen und Blumenhalsketten für Waffenstillstand im Divergent-Universum sorgen könnten…

Mittelmäßige Überbrückung zum Trilogie-Finale

Das klingt vermutlich nun alles schlimmer als es ist, denn schlecht ist „Insurgent“ eigentlich nicht – es kommt eben nur bei weitem nicht an den Vorgänger „Divergent“ heran. Veronica Roths Schreibstil ist durchaus angenehm (wenn auch relativ anspruchslos) und die Story trotz der fehlenden Höhepunkte dennoch halbwegs kurzweilig. Leider haben sich die Hauptfiguren in meinen Augen jedoch eher zum Negativen entwickelt und es ist ärgerlich, dass man kaum Neues über das Szenario an sich erfährt. Somit ist „Insurgent“ für mich ein typischer Übergangsband, der dann ganz zum Schluss aber doch nochmal die Neugier auf „Allegiant“ ein wenig anfeuert – wenngleich die finale Enthüllung dann so überraschend auch nicht daherkommt…

Fazit:
Etwas schwächelnde Fortsetzung der Divergent-Reihe, deren unspektakuläre Story und nervige Hauptfiguren dafür sorgen, dass die Qualität des Auftaktbandes deutlich verpasst wird (6/10).

Insurgent
Autorin: Veronica Roth; Deutscher Titel: Die Bestimmung – Tödliche Wahrheit; Umfang: 544 Seiten; Verlag: Katherine Tegen Books; Erscheinungsdatum: 1. Mai 2012; Preis: Taschenbuch 8,30 €/eBook 7,41 €.

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