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Billy Halleck scheint mit einem blauen Auge davongekommen zu sein, als er nach einem von ihm verursachten tödlichen Verkehrsunfall freigesprochen wird – doch er hat nicht mit dem verheerenden Zigeuner-Fluch gerechnet, mit dem der Angehörige des Opfers ihn nach der Gerichtsverhandlung belegt…

Billy Halleck weiß die Annehmlichkeiten zu schätzen, die seine Tätigkeit und sein Einkommen als erfolgreicher New Yorker Anwalt mit sich bringt: Mit seiner Familie wohnt er in einem netten Haus in Fairview, Connecticut, erfreut sich an einem immer noch sehr aktiven Sexualleben und ist auch einem guten Essen nie abgeneigt. Dass er durch seine ausschweifenden Fressorgien inzwischen mehr als 50 Pfund Übergewicht angesammelt hat, stört ihn dabei nur wenig – denn auch seine Frau Heidi toleriert sein Gewicht, schließlich darf sie im Gegenzug ihrer Nikotinsucht nachgeben, ohne dass Billy sich darüber mockiert.

Ein Zigeunerfluch als Rache für einen tödlichen Unfall

Als Billy dann aber unerwartet und ohne etwas dafür getan zu haben ein paar Pfunde verliert, nimmt er diese Veränderung dennoch wohlwollend zur Kenntnis und auch Heidi kann ihre Freude über den Gewichtsverlust ihres Mannes kaum verbergen. Als der Anwalt aber innerhalb von wenigen Tagen auch weiterhin kiloweise an Gewicht verliert, beginnen sich die Hallecks doch langsam Sorgen um Billys Zustand zu machen. Während Heidi sich immer mehr der Überzeugung hingibt, ihr Mann leide an einer teuflischen Krebserkrankung, kommt Billy ein ganz anderer – nicht weniger beunruhigender – Verdacht: Er erinnert sich an die Gerichtsverhandlung wegen seines Autounfalls und an den Moment, als ihn beim Verlassen des Gerichtsgebäudes ein alter Zigeuner berührte und ihm das Wort „dünner“ zuflüsterte. Über diesen Vorfall hatte Billy sich damals keine großen Gedanken gemacht, doch sein zunehmender Gewichtsverlust bringt ihn schließlich zu der Annahme, dass der Alte ihn dort mit einem schrecklichen Fluch belegt hat – und Billy muss sich davon schnellstmöglich befreien, wenn er nicht als ein Gerippe aus Haut und Knochen enden will…

Eines der unter dem Pseudonym „Richard Bachman“ veröffentlichten Frühwerke Stephen Kings

„Der Fluch“ ist ein 1984 veröffentlichter Roman von US-Bestsellerautor Stephen King, der damals allerdings unter seinem Pseudonym Richard Bachman auf den Markt gebracht wurde. Wie viele weitere King-Romane wurde auch „Der Fluch“ von Audible.de kürzlich neu aufgelegt und mit dem Sprecher David Nathan als Hörbuch produziert. Mit „nur“ rund elfeinhalb Stunden Spieldauer zählt der Titel zu den eher kürzeren Werken des Autors, sodass King storytechnisch auch ungewöhnlich schnell zur Sache kommt und diesmal auf eine allzu ausschweifende Einführung verzichtet. Dennoch gerät der Beginn ein wenig gewöhnungsbedürftig, da King seine Handlung erst nach dem verhängnisvollen Unfall einsetzen lässt und die damit verbundenen Ereignisse erst nach und nach in kleinen Rückblicken aufgeklärt werden.

Spannende Hauptfigur sorgt für gemischte Gefühle beim Leser

Interessant ist auch die Darstellung der Hauptfigur, die beim Leser (oder Hörer) höchstwahrscheinlich gemischte Gefühle hervorrufen wird. Ein Teil davon wird durch Billy Hallecks Umgang mit dem Unfall hervorgerufen, der aus objektiver Sicht eigentlich ein mittelschwerer Skandal ist, in dem auch die Justiz keinen sonderlich guten Eindruck hinterlässt. Einerseits konnte es erst dadurch zum tödlichen Zusammenstoß mit der Zigeunerin kommen, weil Billy von den sexuellen Gefälligkeiten seiner Frau während der Fahrt abgelenkt war, andererseits hat sich der Anwalt mithilfe seiner erstklassigen Beziehungen zu Polizei und Justiz aus dem Verfahren herausgetrickst und sich so einen Freispruch ergaunert – große Schuldgefühle scheint die fahrlässige Tötung bei ihm zudem ebenfalls nicht ausgelöst zu haben. Auf der anderen Seite erscheint Billy durch seinen liebevollen Umgang mit seiner Familie und sein lockeres Auftreten durchaus sympathisch, sodass man als Leser immer ein wenig zwischen Verachtung und Zuneigung hin- und hergerissen ist. Man ist daher auch nicht selten geneigt, sich auf die Seite der Zigeuner zu schlagen, die in „Der Fluch“ eine wichtige Rolle einnehmen und sich meist mit unbegründeten Vorurteilen und daraus resultierender Ablehnung konfrontiert sehen.

Ein in mehrerer Hinsicht untypischer King-Roman

Storytechnisch ist „Der Fluch“ solide konstruiert und bietet einen angenehm ansteigenden Spannungsbogen sowie einige packende Szenen und eine Reihe interessanter Charaktere wie z.B. den Gauner Richard Ginelli oder den dubiosen Arzt Dr. Houston. Durch die angenehme Laufzeit ist die Geschichte zudem insgesamt betrachtet recht kurzweilig, was gerade für einen Stephen-King-Roman nicht selbstverständlich ist, da vor allem dessen Mammutwerke wie „Es“ oder „Die Arena“ gerne mal die ein oder andere sehr langatmige Stunde beinhalten. Das Buch ist für King-Verhältnisse überdies relativ unblutig, sorgt aber dennoch an manchen Stellen für ein wohliges Gefühl des Grauens. Zu guter Letzt konnte mich diesmal auch das Ende weitestgehend überzeugen, was bei diesem Autor auch nicht immer eine Selbstverständlichkeit ist, da ich gerade bei Kings langen Werken den Schluss oft etwas enttäuschend fand. Über die Lesung von David Nathan muss man eigentlich auch nicht mehr viele Worte verlieren, dieser liefert wie gewohnt eine tadellose Vorstellung ab und sorgt besonders mit seiner Interpretation des alten Zigeuner-Anführers für Unbehagen.

Schlussfazit:
„Der Fluch“ ist sicherlich nicht Stephen Kings bestes Werk, der verhältnismäßig kurze Roman bietet jedoch nichtsdestotrotz solide und kurzweilige Horror-Unterhaltung, an der es nicht viel auszusetzen gibt. Die Story ist zwar recht simpel gestrickt und auch die Charakterentwicklung fällt merklich bescheidener aus als vom Autor gewohnt, spannend ist die Geschichte um den ungewöhnlichen Zigeunerfluch aber dennoch (7/10).

Hörbuchcover
Autor: Stephen King; Originaltitel: Thinner; Sprecher: David Nathan; Spieldauer: 11 Std. 25 Minuten (ungekürzt); Anbieter: Audible GmbH; Veröffentlicht: 2012; Preis: 20,95 €.

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