Autor:
Dan Simmons
Sprecher: Detlef Bierstedt
Länge: 10 Std. 17 Min. (ungekürzt)

Inhaltsbeschreibung von audible.de:
Kali – ewige Göttin des Todes und der Zerstörung. Patronin des brodelnden Kalkutta, verbannt von der Erdoberfläche vor Tausenden von Jahren. Robert Luczak, Schriftsteller und Herausgeber eines Magazins für östliche Dichtung, reist zusammen mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter nach Kalkutta, um das geheimnisvolle Manuskript eines totgeglaubten indischen Lyrikers zu erwerben. Was als harmlose Reise beginnt, wird unversehens zu einem Alptraum: Das Manuskript enthält Beschwörungsformeln, mit deren Hilfe Kali auf die Erde zurückgeholt werden soll. Das Zeitalter der Kali hat begonnen…

Zum Hörbuch:
Da ich begeistert die beiden Dan Simmons-Hörbücher „Drood“ und „Terror“ verschlungen habe, habe ich mich sehr gefreut, als im Hörbücher-Blog von Audible ein weiterer Titel von diesem Autor angekündigt wurde. Das Buch ist mittlerweile erhältlich und ich habe es mir umgehend auf den iPod geladen. Allerdings handelt es sich hierbei um kein neues Werk von Simmons, sondern um dessen Debütroman „Göttin des Todes“ aus dem Jahr 1985, das mittlerweile auch unter dem Namen „Song of Kali“ vertrieben wird.

Im Hörbuch geht es um den amerikanischen Schriftsteller Robert Luczak, der für die kleine Literaturzeitschrift „Other Voices“ arbeitet, welche sich mit östlicher Lyrik auseinandersetzt. Luczak erhält von seinem Chefredakteur Abe Bronstein den Auftrag, in die indische Stadt Kalkutta zu reisen. Dort soll er ein bisher unveröffentlichtes Manuskript des populären Dichters M. Dash erwerben. Dash gilt jedoch seit langer Zeit als verstorben, nachdem er vor acht Jahren spurlos verschwunden ist. Dementsprechend zweifelt Luczak an der Echtheit der Dokumente und tritt die Reise sehr skeptisch an. Begleitet wird er dabei von seiner indischen Frau Amrita, die ihm als Dolmetscherin assistieren soll, und seiner sieben Monate alten Tochter Victoria.

In Indien wird Luczak von einem Mann namens M.T. Krishna begrüßt, der für den Schriftstellerverband arbeitet und die Familie während des Aufenthaltes betreut. Bei einem Treffen mit dem Verband werden die Bedingungen für die Manuskript-Übergabe abgesteckt, die in Kürze über die Bühne gehen soll. Um seine Zweifel an der Echtheit des Manuskripts aus dem Weg zu räumen, bitte Robert den Verband, den für tot geglaubten Dichter persönlich treffen zu dürfen, was ihm jedoch verwehrt bleibt.

Etwas später macht Krishna den Amerikaner mit Jayaprakesh Muktanandaji, einem indischen Studenten, bekannt. Dieser berichtet von einer abenteuerlichen Geschichte rund um eine Sekte, welche die hinduistische Göttin Kali – die Göttin des Todes und der Zerstörung – anbeten. Um den sogenannten Kapalikas beizutreten, wie es die Absicht von Muktanandaji war, muss jedes neues Mitglied der Göttin ein Menschenopfer bringen, welches dann im Laufe einer unheimlichen Zeremonie von Kali wieder zum Leben erweckt wird. Um keinen Mord begehen zu müssen, sucht der Student in den Straßen Kalkuttas nach einer Leiche, die er Sektenmitgliedern unterjubeln kann. Muktanandaji behauptet, dass es sich bei dem von ihm genannten Toten um den indischen Dichter M. Dash handelt, der dank der Göttin Kali nun wieder unter den Lebenden weilt…

Wie es sich für Dan Simmons gehört, ist auch dieser Roman wieder sehr im Bereich des Mythischen und Mystischen angesiedelt. Man erfährt eine Menge über diverse Gottheiten im Hinduismus, was aber stellenweise etwas anstrengend ist. Simmons möchte dem Leser anscheinend gerne sein gesamtes Wissen mitteilen und wirft mit Namen und Zusammenhängen nur so um sich. Leider sind nur einige wenige Passagen dieser „Religionsstunde“ für die Geschichte um die Göttin Kali von Belang. Als Hörer vertritt man hier eher die Position von Robert Luczak, der von den Schauermärchen nicht viel hält und der Geschichte um den auferstandenenen Dichter keinen Glauben schenken will.

Allerdings bleibt die Handlung dank Simmons immer noch recht glaubwürdig. Die Schilderungen Muktanandajis und Krishnas sind zwar überwiegend sehr abenteuerlich, das tatsächliche Geschehen aus der Sicht von Robert Luczak sieht hingegen anders aus. Dieser kämpft viel mehr mit dem Schauplatz des Geschehens. Das Kalkutta der 80er Jahre wird vom Autor als wahres „Höllenloch“ geschildert. Völlig überfüllte Straßen, heruntergekommene Gebäude und wo man auch hinguckt sieht man nichts als Armut und Elend. Kranke und tote Menschen säumen die Straßen und ein furchtbarer Gestank liegt über der gesamten Stadt.

Überhaupt liegt hier die große Stärke des Buches: Die Atmosphäre. Das Szenario wird vom Simmons so glaubwürdig geschildert, dass man das Gefühl hat, man befinde sich mitten im Großstadtdschungel Kalkuttas, wo es vor Gefahren nur so wimmelt. Man macht Bekanntschaft mit der düsteren Unterwelt der Stadt und ihren Sekten, in denen grausame Opferrituale gepflegt werden, um die angebeteten Götter gnädig zu stimmen. Diese Szenen erinnern stark an die Rituale im „Tempel des Todes“ aus dem gleichnamigen Indiana Jones-Film von 1984.

Schwächen hingegen zeigen sich vor allen in der Handlung. Im ersten Drittel macht Simmons eigentlich nicht viel falsch. Die Ausgangslage mit der Suche nach einem geheimnisvollen Manuskript, dessen Schriftsteller seit Jahren für tot gehalten wird, bietet eine ordentliche Grundlage für eine mysteriöse Abenteuer-Geschichte. Mit den unheimlichen Schilderungen Muktanandajis über die Sekte der Kapalikas werden dann auch verstärkt Horror-Elemente in die Handlung integriert.

Nach den ersten Stunden verliert Simmons jedoch irgendwie den roten Faden. In der Geschichte geht es dann nicht wirklich vorwärts. Luszak wird auf der Suche nach dem Manuskript und seinem Verfasser immer wieder hingehalten und muss sich oft mit seiner Frau Amrita auseinandersetzen. Diese fühlt sich in ihrem eigentlichen Heimatland nicht wirklich wohl und würde lieber heute als morgen wieder zurück nach Amerika fliegen. Dan Simmons widmet dieser Familiengeschichte meiner Meinung nach viel zu viel Aufmerksamkeit.

Mit dem Auftreten des verschollen geglaubten Dichters nimmt die Spannung kurzzeitig wieder deutlich zu. Diese Szenen sind atmosphärisch sehr dicht, zudem kommt nun auch wieder deutlich mehr Schwung in die Handlung. Im letzten Drittel der Geschichte werden die Ereignisse jedoch zunehmend abstrus. Es scheint mir, als hätte Simmons keinen richtigen Abschluss für seine Erzählung gefunden, denn eine gelungene Auflösung sieht meiner Meinung nach anders aus. Zum Ende hin überschlagen sich plötzlich die Ereignisse, es fehlt aber der Zusammenhang zur Geschichte um die Kapalikas. Diese Passagen wirken merkwürdig deplatziert und fügen sich überhaupt nicht in die bisherige Handlung ein. Zudem sind die Motive der Hauptfigur nicht mehr wirklich nachvollziehbar.

Zum Sprecher:
Gelesen wird „Göttin des Todes“ wie nicht anders zu erwarten war wieder einmal vom bekannten Synchon- und Hörbuchsprecher Detlef Bierstedt. Dieser hat bereits Simmons Werke „Drood“ und „Terror“ sowie die Science-Fiction-Epen „Ilium & Olympos“ und „Hyperion & Endymion“ eingesprochen. Bierstedt liefert hier eine gewohnt gute Leistung ab und bringt besonders die drückende und düstere Atmosphäre des Buches gut zur Geltung. Gerade seine Interpretationen der Figuren Krishna und M. Dash sind sehr eindrucksvoll gelungen, vor allem die Szenen mit dem indischen Dichter sind wirklich sehr eindringlich und unheimlich. Am Sprecher liegt es also mit Sicherheit nicht, dass „Göttin des Todes“ nicht ganz der große Wurf geworden ist.

Mein Fazit:
„Göttin des Todes“ ist das Erstlingswerk von Dan Simmons, was man dem Buch meiner Meinung nach auch deutlich anmerkt. Die Handlung weist noch nicht die Qualität der späteren Werke auf und auch die Charaktere sind nicht besonders gut ausgearbeitet. Zwar beginnt die Geschichte gut und mysteriös, leistet sich dann aber im Mittelteil und zum Schluss viele schwache Momente. Hier ist das Buch viel zu geschwätzig, Spannung und Atmosphäre bleiben da auf der Strecke. Vor allem das Ende ist relativ enttäuschend und wirkt seltsam unpassend. Ein großer Pluspunkt der Hörbuches ist jedoch das Setting, denn die indische Stadt Kalkutta wird hier sehr düster und unmenschlich dargestellt und stellt damit einen gelungenen Schauplatz für die Handlung voller Mythen dar. Dieser Eindruck wird von einer sehr guten Sprecherleistung von Detlef Bierstedt noch verstärkt. Hätte Simmons das Buch vielleicht zwanzig Jahre später mit seiner mittlerweile angehäuften Erfahrung nochmal geschrieben, wäre dabei vielleicht ein richtig guter Mystery-Horror-Roman herausgekommen. So bleibt lediglich ein leicht überdurchschnittliches Hörbuch, welches über die Dauer von knapp zehn Stunden aber durchaus recht ordentlich unterhält.

Meine Wertung: 6/10

Informationen:
Das Hörbuch „Göttin des Todes“ von Dan Simmons hat eine Spieldauer von 10 Stunden und 17 Minuten und ist ungekürzt für 20,95 Euro bei audible.de erhältlich. Kunden mit Flexi-Abo bezahlen wie immer nur 9,95 Euro. Der Audible-Trailer zum Hörbuch ist unten eingebettet. Weitere Informationen gibt es auf der Detail-Seite bei audible.de

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2 Antworten zu diesem Beitrag

  • Mit 6 von 10 Punkten bist Du aber noch ganz schön gnädig :). Aber das ist ja das Gute an Büchern und HBs – jeder empfindet sie anders. Und das soll auch so sein.

    Ich war mal so frei und hab Dich verlinkt. Deine Rezis sprechen mich sehr an,

    LG Susi

  • Wow, vielen Dank für das Lob und die Verlinkung!

    Zum Hörbuch: Bei der Wertung geht auch ein großer Teil an Atmosphäre und Sprecherleistung, das rettet das Buch meiner Meinung nach vor noch niedrigeren Gefilden 😉