Tags: btb, Dschungel, Olivia Rönning, Schweden, Stockholm, Thailand, Tom Stilton
Genre: Krimi
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Fünf Bände umfasst die Krimi-Reihe des schwedischen Autorenpaares Cilla und Rolf Börjlind mittlerweile und auch wenn sich die beiden dabei gerne durchaus typischer Elemente vor allem skandinavischer Genrevertreter bedienen, so sind sie seit dem ersten Buch immer auch ihren eigenen Weg gegangen. Das zeigt sich vor allem bei den Charakteren, denn wo sich die meisten Autoren auf **eine** prägnante Ermittlerfigur (wie z.B. Henning Mankells Kommissar Wallander oder Jo Nesbøs Harry Hole) oder vielleicht noch ein Duo (wie Stieg Larssons Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist) konzentrieren, setzen die Börjlinds dagegen fast schon auf einen kompletten Cast. So werden die Bücher zwar gerne mal als „Rönning & Stilton“-Reihe bezeichnet, allerdings sind die junge Polizistin Olivia Rönning und der vom einem turbulenten Leben gezeichnete Ex-Ermittler Tom Stilton nur zwei Figuren von vielen, die in den Geschichten nahezu gleichberechtigt eine Rolle spielen und in den bisherigen Bänden sowohl gemeinsam als auch jeder für sich bereits einiges erlebt haben.
Ein Bomben-Attentat schockiert die schwedische Hauptstadt
Das sollte man wissen, bevor man sich an „Wundbrand“, den fünften Teil der Reihe, begibt, denn auf eine nähere Einführung der Charaktere wird hier wieder einmal weitestgehend verzichtet. Für Neueinsteiger könnte sich die Figurenkonstellation daher vielleicht etwas unübersichtlich präsentieren, zumal sich die Geschichte diesmal auch über zwei Kontinente erstreckt. Die eine Hälfte des Buches spielt wenig überraschend wie gewohnt in Stockholm, wo ein kaltblütiges Attentat die schwedische Hauptstadt in einen Schockzustand versetzt: die Staatsanwältin Malin Brovall wollte mit ihrem Mann und der gemeinsamen Tochter gerade in die Skiferien aufbrechen, als eine Autobombe explodiert und die gesamte Familie auf einen Schlag aus dem Leben reißt. Vor allem Olivia Rönnings Vorgesetzte und Mentorin Mette Olsäter geht der Anschlag sehr nahe, da sie die ermordete Juristin persönlich kannte. Zudem stellt die Ermittlung zugleich auch ihren letzten Fall bei der Polizei dar, da sie danach endlich dem Wunsch ihres Mannes nachkommen und aus dem Dienst austreten will – auch wenn sie sich nur schwer mit dem Gedanken anfreunden kann, sich künftig mit gemütlichen Reisen statt aufregenden Verbrecherjagden die Zeit vertreiben zu müssen.
Spurensuche im thailändischen Exil
Im zweiten Handlungsstrang wird es dann abenteuerlich, denn dieser führt die Leser*innen nach Thailand, wo der Ex-Polizist und Ex-Obdachlose Tom Stilton in dem Yoga-Resort seiner Halbschwester wieder zu sich selbst finden will, nachdem er sich im vorangegangenen Band „Schlaflied“ zu einer folgenschweren Tat hat hinreißen lassen. Diese Teilgeschichte kommt zunächst erst schleppend und schwermütig daher, das ändert sich aber, als ein mysteriöser Auftrag Stilton aus seiner Lethargie reißt: er soll für eine von schweren Brandwunden gezeichnete Frau einen Mann ausfindig machen und obwohl Tom von seiner Auftraggeberin über Einzelheiten und Motiv der Suche im Unklaren gelassen wird, stürzt er sich ohne Rücksicht auf Verluste in eine Odyssee durch den thailändischen Dschungel.
Erst mehr Polizei-Soap statt Schwedenkrimi…
Man muss konstatieren, dass diese doch sehr starke geographische Trennung der beiden prominentesten Charaktere im illustren Ensemble der Börjlinds im ersten Drittel des Romans noch nicht so gut funktioniert, was auch daran liegt, dass es zunächst gar nicht so richtig zu echten Ermittlungen kommt. Während Tom Stilton in Thailand anfangs zwischen Selbstmitleid und Selbstaufgabe schwankt und sich völlig antriebslos von seinem hilfsbereiten Umfeld isoliert, läuft die Suche nach dem Bombenleger überraschend geradlinig ab und scheint schnell aus dem Fokus der Geschichte zu verschwinden, stattdessen stehen auch hier (wieder einmal, möchte man mit Blick auf die vorherigen Bände fast sagen) die privaten Baustellen der Charaktere im Mittelpunkt: Mette Olsäter pendelt gedanklich wie erwähnt zwischen eher unfreiwilligem Ruhestand und dem Nervenkitzel des Jobs, Olivia Rönning lässt die nötige Distanz zu einem Verdächtigen vermissen und bringt sich so beruflich und moralisch in Schwierigkeiten und bei ihrer neuen Kollegin Lisa Hedqvist reißt eine Begegnung mit einem alten Bekannten schmerzhafte Wunden aus ihrer Vergangenheit wieder auf. Das ist alles auf gewisse Weise interessant und durch den ständigen Wechsel zwischen den Perspektiven auch abwechslungsreich, richtiges Krimi-Feeling will dabei aber noch nicht aufkommen, stattdessen fühlt man sich fast ein bisschen wie in einer Polizei-Soap im Vorabendprogramm.
… dann mitreißendes Action-Abenteuer im Dschungel
Dann reißt aber ausgerechnet der schwächelnde Tom Stilton sich selbst aus der Lethargie und die Geschichte an sich und die erst etwas befremdliche Thailand-Expedition nimmt plötzlich rasant an Fahrt auf und punktet mit jeder Menge gefährlicher Action und dichter Dschungel-Atmosphäre, bei der man die tropische Hitze ebenso förmlich spüren kann wie die Bisse der Insekten, die für den Ex-Polizisten nur eine von vielen Gefahren darstellen. Dass der zuvor noch kurz vor dem erneuten persönlichen Absturz stehende Stilton, der sich gerade mal noch halbwegs zum Essen aufraffen konnte, es plötzlich fast schon in James-Bond-Manier mit asiatischen Drogenbaronen, hungrigen Krokodilen oder lebensgefährlichen Krankheiten aufnimmt, wirkt dabei zwar nicht gerade glaubwürdig, trotzdem ist dessen unerwartete Solo-Show wirklich mitreißend und spannend und sicherlich das Highlight des fünften Börjlind-Krimis.
Spannend, überraschend und atmosphärisch – aber etwas weit hergeholt
Zum Ende des Buches wird es dann noch einmal richtig furios und das Autorenduo zaubert nochmal Wendungen aus dem Hut, die so wohl selbst für routinierte Hobby-Spürnasen kaum vorherzusehen sind. Gerade auf den letzten Seiten überschlagen sich regelrecht die Ereignisse und sorgen so für einen starken Schlusspunkt, bei dem die einzelnen Handlungsstränge gut und überraschend zusammengeführt werden. Allerdings gibt es auch hier ein „Aber“: so spannend die Enthüllung der kaum erahnten Zusammenhänge auch ist, so ist die Geschichte dann im Gesamtkonstrukt doch schon sehr weit hergeholt und basiert auf vielen Zufällen und großen Unwahrscheinlichkeiten. Wenn man das Buch also richtig genießen will, sollte man manche Dinge vielleicht nicht allzu sehr hinterfragen und aus Gründen der bestmöglichen Unterhaltung einfach über sich ergehen lassen und sich über die unerwartete Schlusspointe freuen, anstatt sich über vermeintliche Logikschwächen zu ärgern. Schafft man das, so bietet „Wundbrand“ nach dem noch etwas zähen ersten Drittel eine wirklich fesselnde und abwechslungsreiche Geschichte mit spannendem, exotischen Setting und dichter Atmosphäre – definitiv einer der stärkeren Bände der Reihe.
Dieses Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise von Thalia zur Verfügung gestellt.
Dies beeinflusst jedoch in keiner Weise meine Meinung über dieses Buch.
Cover: | |
Charaktere: | |
Story: | |
Atmosphäre: |
8/10