Mit Zorn_Rezi

Während ganz London in der Silvesternacht dem Jahreswechsel entgegenfiebert, spielt sich in einer der angesehenen Wohngegenden der britischen Hauptstadt ein entsetzliches Drama ab: eine wohlhabende Familie wird auf einen Schlag fast komplett ausgelöscht und kaltblütig ermordet, lediglich der vierjährige Sohn der Familie scheint mit dem Leben davongekommen zu sein – zumindest ist der Junge nicht unter den Leichen, dafür fehlt von ihm jedoch jede Spur. Für Detective Max Wolfe beginnt das neue Jahr also mit einem wahren Albtraum, denn er muss nicht nur den Mord an der Familie aufklären, sondern auch mit Hochdruck an der Suche nach dem vermissten Sohn arbeiten. Die Todesursache der Opfer liefert immerhin erste Hinweise, denn der Täter hat die Familie in aller Seelenruhe mit einem Bolzenschussgerät, wie es sonst zur Schlachtung von Vieh verwendet wird, hingerichtet – genau so, wie 30 Jahre zuvor in der Region schon einmal ein Wahnsinniger mehrere Menschen getötet hatte…

Kaltblütiger Silvester-Mord an einer Londoner Familie – Max Wolfes 2. Fall

„Mit Zorn sie zu strafen“ ist der zweite Thriller des Briten Tony Parsons um den Londoner Ermittler Max Wolfe und beginnt wie schon der Vorgänger „Dein finsteres Herz“ mit einem echten Schocker: Hautnah müssen die Leser miterleben, wie in der Silvesternacht ein Vierjähriger mit seiner Schwester vor dem Terror flieht, der sich zeitgleich im Heim der beiden abspielt, denn dort hat ein Eindringling soeben kaltblütig ihre Eltern und den älteren Bruder exekutiert und ist nun auf der Jagd auf die beiden letzten Überlebenden – und wie wir nur wenig später erfahren, wird auch die Tochter das neue Jahr nicht mehr erleben. Selbst hartgesottenen Thriller-Lesern dürfte dieser intensive und sehr eindringlich geschilderte Prolog an die Nieren gehen, sodass Tony Parsons den zweiten Fall für Max Wolfe gleich mit einem echten Paukenschlag einleitet, von dem man sich erst einmal ein wenig erholen muss. Nach dem soliden, aber keineswegs überragenden Auftaktband scheint der Autor sich für die Fortsetzung also einiges vorgenommen zu haben – der brutale Vierfachmord schockiert, ein vermisstes Kleinkind als mögliches fünftes Opfer sorgt für Zeitdruck und mit der Parallele zu einem drei Jahrzehnte zurückliegenden Mordfall gibt es auch gleich die erste vielversprechende Spur, sodass der Roman auch nach dem erschütternden Auftakt weiter mit gutem Tempo voran schreitet.

Erneut viel Durchschnitt und wenig Originalität

Leider hat es aber trotz der starken Anfangsphase und der guten Ausgangssituation auch Tony Parsons’ zweiter Max-Wolfe-Thriller nicht geschafft, mich vollends zu überzeugen. Dabei kann man dem ehemaligen Journalisten eigentlich grundsätzlich keine großen Fehler vorwerfen: der Fall ist zwar nicht unbedingt überragend konstruiert, dafür aber durchgängig spannend und kann mit der ein oder anderen falschen Fährte aufwarten. Dennoch wollte bei mir erneut nicht so wirklich der Funke überspringen und ich hatte bei „Mit Zorn sie zu strafen“ wieder exakt das gleiche Problem wie beim Vorgänger: So unterhaltsam die Geschichte auch ist, so bietet der Roman insgesamt so gut wie gar kein Alleinstellungsmerkmal und wirkt wie ein Thriller nach Schema F, den man in ähnlicher Form so schon unzählige Male erlebt hat. Das gilt ebenfalls wieder für den Protagonisten der Geschichte, denn nach zwei Bänden und insgesamt knapp 19 Hörbuchstunden sind bei mir über Max Wolfe genau folgende vier Merkmale hängengeblieben: er ist sympathisch, geschieden, hat eine Tochter namens Scout und einen Hund namens Stan (oder war es umgekehrt… wer nennt sein Kind bitte Scout?). Ein freundliches Auftreten und ein liebevoller Umgang mit Tochter und Hund machen aber noch lange keinen interessanten Charakter, sodass die Ermittlerfigur erneut völlig austauschbar wirkt. Gleiches gilt für seine Polizeikollegen, die dermaßen beliebig konzipiert sind dass man sich schon kurz nach Beenden des Buches kaum noch an eine der Nebenfiguren erinnern kann.

Ein spannender, aber erneut eher uninspirierter Thriller mit blasser Hauptfigur

Das ist schade, denn was die Story betrifft ist Tony Parsons eigentlich wieder auf einem guten Weg, auch wenn man vielleicht noch ein wenig an der erzählerischen Struktur feilen könnte, da die Handlung immer wieder wie aus dem Nichts kurz zu eskalieren scheint und anschließend dann oft etwas vor sich hinplätschert – hier wäre ein etwas kontinuierlicherer Spannungsaufbau meiner Meinung nach wünschenswert. Der Autor sollte sich aber dringend um eine Art Markenzeichen bemühen, welches seine Thriller von der breiten Masse abhebt – das größte Verbesserungspotenzial bietet hier in meinen Augen wie oben erwähnt eindeutig die eher langweilige Hauptfigur, die sich zudem oft etwas widersprüchlich verhält: einerseits gibt Max Wolfe nämlich ständig den besorgten Vater, stürzt sich dann aber immer wieder leichtsinnig (und meiner Ansicht nach auch recht unprofessionell) in lebensgefährliche Situationen – hier bleibt das väterliche Verantwortungsbewusstsein offenbar auf der Strecke. Aufbauen lässt sich auch auf der Idee rund um das „Black Museum“, in dem Scotland Yard seit weit über einem Jahrhundert Beweisstücke, Tatwaffen und andere fallrelevante Objekte zu historischen Ermittlungen aufbewahrt und das auch bei Max Wolfes Recherchen immer wieder eine Rolle spielt. „Mit Zorn sie zu schlafen“ ist also gewiss kein schlechter Thriller, die Reihe hat für mich bisher allerdings noch nicht ihr Alleinstellungsmerkmal gefunden – bei den ersten beiden Hörbüchern habe ich ehrlich gesagt in erster Linie wegen Sprecher Dietmar Wunder zugeschlagen, der auch im zweiten Anlauf wieder eine gewohnt gute Lesung hinlegt.

Mit Zorn sie zu strafen (Max Wolfe #2)
  • Autor:
  • Sprecher: Dietmar Wunder
  • Original Titel: The Slaughter Man
  • Reihe: Max Wolfe #2
  • Länge: 8 Std. 7 Min. (ungekürzt)
  • Verlag: Lübbe Audio
  • Erscheinungsdatum: 10. Dezember 2015
  • Preis 21,95 € (9,95 € im Audible-Flexi-Abo)
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Sprecher:
Gesamt:
7/10
Fazit:
„Mit Zorn sie zu strafen“, der zweite Max-Wolfe-Roman von Tony Parsons, ist ein insgesamt spannender Thriller, der aber unter dem gleichen Problem wie der Vorgänger leidet: die Geschichte ist unterhaltsam, weist aber ebenso wie die zwar sympathische, jedoch leider recht langweilige Hauptfigur so gut wie keine Alleinstellungsmerkmale auf und bleibt dadurch kaum nachhaltig in Erinnerung.

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