Catherine weiß eigentlich gar nicht mehr genau, wie sie überhaupt an dieses Buch gekommen ist, doch mit jeder gelesenen Seite ist in ihr ein Gefühl des Unwohlseins gewachsen, bis sie schließlich das blanke Entsetzen getroffen hat. Wie es Catherine auch dreht und wendet, so kann sie sich spätestens bei der Hälfte des Romans nichts mehr vormachen: Die Hauptfigur weist nicht nur eine verblüffende Ähnlichkeit mit ihr selbst auf, sondern handelt auch genau so, wie sie es an jenem schicksalhaften Tag vor 20 Jahren getan hat – dem Tag, der ihr Leben für immer veränderte, auch wenn sie bisher geglaubt hatte, diese traumatischen Geschehnisse vor allen anderen, insbesondere ihrem Ehemann und ihrem Sohn, erfolgreich geheim gehalten zu haben. Doch nach der Lektüre besteht kein Zweifel: Der Verfasser der Geschichte kennt ihr dunkles Geheimnis und scheint fest entschlossen, sie für ihr damaliges Handeln büßen zu lassen…
Wenn die aktuelle Lektüre plötzlich vom eigenen Tod handelt…
Renée Knight arbeitete viele Jahre für die BBC und machte sich als Produzentin von Dokumentationen einen Namen, nun hat die Britin mit „Deadline“ ihren ersten Roman herausgebracht. Und wenn man den Lobeshymnen der Kritiker glauben darf, dann ist der Britin gleich mit ihrem Debüt ein großer Wurf gelungen – sogar von Vergleichen mit Gillian Flynns Mega-Bestseller „Gone Girl“ ist die Rede. Nun ist die Ausgangssituation ihres Psychothrillers zwar nicht gerade revolutionär, klingt aber durchaus vielversprechend: Eine erfolgreiche Journalistin bekommt ein Buch zugespielt, in dem sie selbst die Hauptfigur ist. Der Autor scheint dabei ein düsteres Geheimnis aus ihrer Vergangenheit zu kennen und deckt dieses in seiner Geschichte schonungslos auf, obwohl eigentlich niemand von den damaligen Ereignissen wissen kann. Besonders beängstigend an diesem Szenario: Am Ende der Handlung steht der Tod der Hauptfigur, und so reagiert natürlich auch Catherine Ravenscroft geschockt über diese offenkundige Drohung. Zwar denkt sie nicht automatisch, dass der Autor ihr tatsächlich nach dem Leben trachtet, doch zumindest ihre weitestgehend glückliche Existenz als Ehefrau und Mutter ist plötzlich auf allzu reale Weise vom Einsturz bedroht.
Ein interessantes, aber nicht allzu raffiniertes Psychoduell
Etwas überraschend an Renée Knights Roman: Die Autorin macht um die Identität des Verfassers des Droh-Romans kein Geheimnis und widmet ihm sogar einen eigenen Handlungsstrang. Das liefert dem Leser zwar ausführliche Einblicke in die Motivation des Täters und bietet eine durchaus interessante und vielschichtige Charakterisierung von Catherines Gegenspieler, allerdings ist diese frühe Enthüllung auch ein kleiner Spannungskiller. Dadurch wird „Deadline“ zwar nicht langweilig, der ganz große Nervenkitzel bleibt in Folge dessen aber leider aus, zumal die Geschichte auch nicht unbedingt das raffinierte Psychoduell bietet, das der Klappentext des Buches erhoffen lässt. Wer überdies auf ein komplexes Buch-im-Buch-Konzept hofft, wird ebenfalls enttäuscht, denn Renée Knight liefert nur sehr vereinzelt kurze Ausschnitte aus dem verhängnisvollen Roman, ansonsten spielt diese Handlungsebene aber eindeutig nur eine Nebenrolle. Das hat zum Beispiel die Konkurrenz aus Deutschland kürzlich erst deutlich spannender gelöst, wie Melanie Raabe mit ihrem Debütroman „Die Falle“ gezeigt hat. Zudem ist das große dunkle Geheimnis Catherines für hartgesottene Thriller-Leser nun ebenfalls nicht der ganz große Schock und wird überdies ebenfalls etwas früh gelüftet.
Trotz kleinerer Schwächen ein insgesamt guter Psychothriller
Dennoch ist „Deadline“ insgesamt ein guter Psychothriller geworden, der zwar alles in allem etwas sehr geradlinig und dadurch auch über weite Strecken etwas vorhersehbar verläuft, trotzdem hat Knights Roman auch ganz klar seine Stärken: Die Story ist kurzweilig geschrieben, die Autorin spielt clever mit den beiden Handlungssträngen und verschiedenen Zeitebenen, lädt mit kurzen Kapiteln immer wieder zum Weiterlesen ein und kann zum Ende sogar mit einer gelungenen Schlusspointe überraschen. Zudem sind die Charaktere – wie es für diese Art von Psychothrillern fast schon typisch ist – zwar keine großen Sympathieträger, Knight punktet hier aber mit einer recht differenzierten Betrachtung der handelnden Personen, was deren Handeln meist sehr nachvollziehbar und glaubwürdig macht. Für einen ähnlich erfolgreichen Millionen-Bestseller wie „Gone Girl“ ist „Deadline“ vielleicht insgesamt ein wenig einfach gestrickt, für ein paar spannende Stunden sorgt dieses Romandebüt aber allemal.
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7/10