Ein Grab mit deinem Namen_Rezi

Der Hamburger Hauptkommissar Jörg Albrecht und seine Kollegin Hannah Friedrichs ermitteln in einem neuen Mordfall: An einer Ausgrabungsstelle am Stadtrand wurde eine Frauenleiche gefunden, die schnell als die sterblichen Überreste der Grabungsleiterin Melanie Dahl identifiziert werden. Neben der enormen Brutalität des Täters – dem Opfer wurde mit einem tiefen Schnitt durch die Kehle fast der Kopf abgetrennt – sorgt vor allem auch das außergewöhnliche Arrangement der Leiche für Aufsehen: Der nackte Körper der Toten wurde in der Grube regelrecht aufgebahrt und ist zudem mit zahlreichen seltsamen Symbolen übersät, die mit Blut auf die Leiche geschmiert wurden. Da sich wenig später auch noch die Tatwaffe als ein antikes Werkzeug herausstellt, deutet für Albrecht und Friedrichs vieles auf einen bizarren Ritualmord hin. Allerdings steht die Ausgrabungsstelle auch seit langem im Mittelpunkt eines Streites um die wirtschaftliche Erschließung des Gebiets und ist bei Investoren nach wie vor heiß begehrt. Ist der Mord an Melanie Dahl womöglich eine Folge dieses Konflikts oder ist sie tatsächlich den blutigen Ritualen einer wahnsinnigen Sekte zum Opfer gefallen?

Grausamer Ritualmord in Hamburg?

Nach „Ich bin der Herr deiner Angst“ und „Öffne deine Seele“ schickt der Autor Stephan M. Rother seine beiden Ermittler Jörg Albrecht und Hannah Friedrichs in „Ein Grab mit deinem Namen“ zum dritten Mal auf Mörderjagd, und diesmal scheinen es die beiden Kommissare und ihr Team mit einem besonders bizarren Mord zu tun zu haben. Denn dass man an einer Ausgrabungsstelle auf menschliche Überreste stößt, ist an sich gar nicht mal so überraschend, wenn in einer Grube dann aber plötzlich die grausam zugerichtete nackte Leiche der Grabungsleiterin auftaucht und diese noch mit merkwürdigen Runen „verziert“ ist, ist dies sogar für die erfahrenen Hamburger Ermittler ein verstörender Anblick. Bei dieser außergewöhnlichen Tatortsituation liegt der Verdacht natürlich nahe, dass in der Hansestadt ein psychopathischer Killer sein Unwesen treibt oder sogar eine geheime Sekte irgendwelche okkulten Rituale praktiziert. So oder so klingt der Einstieg in die Geschichte jedenfalls vielversprechend und bringt mit dem durchaus mysteriös angehauchten Fall beste Voraussetzungen für einen spannenden und packenden Thriller mit.

Die Suche nach dem roten Faden

In der Praxis jedoch gelingt es Stephan M. Rother nie wirklich, das Potenzial des Ausgangsszenarios in eine interessante Geschichte umzusetzen. Wie schon im Vorgängerroman wirkt die Handlung auch hier seltsam sprunghaft und ohne stimmige Verknüpfungen der einzelnen Szenen, sodass sich die Suche nach dem roten Faden als äußerst schwierig gestaltet. Dazu kommt noch, dass der Plot fast über die gesamte Dauer des Buches geradezu zufällig und wahllos zusammengewürfelt wirkt – nicht nur die Ermittler um den (meiner Meinung nach total überbewerteten) Routinier Jörg Albrecht erscheinen völlig planlos und lassen sich von merkwürdigen Zeugenaussagen fremdsteuern, auch beim Autor selbst war ich mir die meiste Zeit nicht sicher ob dieser überhaupt weiß in welche Richtung er seine Geschichte führen will. Ebenfalls befremdlich wirken die Mystery-Elemente dieses Thrillers, denn wenn Rother mit einer geheimnisvollen und im Wald hausenden Archäologen-Sekte und einer Kommissarin aufwartet, die beim Anblick der Leiche plötzlich übersinnliche Eingebungen bekommt und sich mit der Toten aus unerfindlichen Gründen zutiefst verbunden fühlt, so ist das alles andere als spannend, sondern eher unfreiwillig komisch – vielleicht sind die okkulten Ausflüge von Hannah Friedrichs aber auch einfach auf den Hormonhaushalt der hochschwangeren Polizistin zurückzuführen…

Unstrukturierter und spannungsarmer Thriller ohne Thrill

Positiv ist hervorzuheben, dass Stephan M. Rother im dritten Band seiner Reihe nun endlich mit der überstrapazierten Dreiecksbeziehung seiner weiblichen Hauptfigur abgeschlossen zu haben scheint, bedauerlich ist aber, dass ohne diese private Entwicklungen abgesehen von der Schwangerschaft der Ermittlerin kaum noch etwas übrig bleibt, was die Charaktere interessant macht. Vor allem Jörg Albrecht gibt diesmal eine äußerst blasse Figur ab, sodass der leicht ins Lächerliche gezogene und ständig in Dating-Apps auf seinem Handy vertiefte Assistent der beiden fast schon die markanteste Figur des Teams ist. Insgesamt setzt „Ein Grab mit deinem Namen“ also leider den mit dem zweiten Band begonnenen Abwärtstrend der Reihe weiter fort: Der Kriminalfall ist trotz guter Ausgangssituation durchweg uninteressant, der Plot gleicht einem Zufallsprodukt, die Hauptfiguren weisen kaum Profil auf und der seltsame okkulte Hokuspokus wirkt völlig unpassend. In den Genuss des einzigen echten Lichtblickes des Buches werden wohl nur Hörer der Hörbuchfassung kommen, denn wie schon bei den beiden ersten Bänden teilen sich auch diesmal Simon Jäger (als Jörg Albrecht) und Tanja Geke (als Hannah Friedrichs) die Erzählparts auf und sorgen durch ihre engagierten Lesungen zumindest für ein bisschen Atmosphäre. Nahezu der komplette Rest hat mich allerdings kalt gelassen wie schon lange kein Krimi oder Thriller mehr, sodass die halbgare Auflösung fast schon in meinem Desinteresse unterging. Fraglich, ob ich nach einem soliden Auftaktband und zwei enttäuschenden Fortsetzungen der Reihe noch länger die Treue halten werde…

Ein Grab mit deinem Namen
  • Autor:
  • Sprecher: Tanja Geke, Simon Jäger
  • Reihe: Albrecht & Friedrichs #3
  • Länge: 14 Std. 27 Min. (ungekürzt)
  • Verlag: Argon Verlag
  • Erscheinungsdatum: 27. März 2015
  • Preis 24,95 € (9,95 € im Audible-Flexi-Abo)
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Sprecher:
Gesamt:
4/10
Fazit:
Stephan M. Rother liefert mit „Ein Grab mit deinem Namen“ einen insgesamt enttäuschenden Thriller ab, der trotz guter Ausgangsidee zu keinem Zeitpunkt echte Spannung aufbauen kann und mit der seltsam zusammengewürfelt wirkenden Story, schwachen Ermittlerfiguren und albernen Mystery-Elementen zusätzlich verärgert.

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