The Silkworm_Rezi

Nach der erfolgreichen Aufklärung seines ersten großen Falls kann sich der private Ermittler Cormoran Strike seine Aufträge inzwischen aussuchen und findet Interesse an dem Anliegen der verzweifelten Leonora Quine, die seit einigen Tagen ihren Ehemann vermisst. Der zwar exzentrische, aber nur mäßig erfolgreiche Schriftsteller hat schon in der Vergangenheit immer wieder zu einigen unangekündigten Ausflügen geneigt und so vermutet seine Frau auch diesmal eine kleine Lustreise ihres Gatten. Strike soll demzufolge eigentlich nur das heimliche Nest des Autors ausfindig machen und den Mann zurück zu seiner Frau zerren, doch der Detektiv ahnt bereits früh, dass hinter dem Verschwinden Owen Quines mehr steckt, als es zunächst den Anschein hat. Wie erste Nachforschungen im Umfeld seines Verlages ergeben, hat Owen nämlich kurz vor seinem vermeintlichen Abtauchen noch ein neues Manuskript eingereicht, das aufgrund des brisanten Inhalts schnell heftige Unruhen in der Literaturszene ausgelöst hat. Da liegt der Verdacht nahe, dass sich möglicherweise jemand für die infamen Darstellungen in Quines neuestem Werk an dem Verfasser rächen wollte…

Cormoran Strikes zweiter Fall führt in die Londoner Literaturszene

Seit den Ereignissen in „The Cuckoo’s Calling“, dem ersten Band um den Privatdetektiv Cormoran Strike aus der Feder von Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling (veröffentlicht unter dem Pseudonym Robert Galbraith), sind ein paar Monate vergangen und für den ehemaligen Militärpolizistin mit Beinprothese hat sich das Blatt nach der medienwirksamen Aufklärung des Mordes an einem prominenten Model zum Guten gewendet: Die Tage der ungemütlichen Übernachtungen im Büro sind vorbei und Strike hat nicht nur endlich Geld für eine eigene Wohnung, sondern kann sich auch über zu wenige Aufträge wahrlich nicht beschweren. Der Großteil davon besteht zwar aus Seitensprung-Aufdeckungen untreuer Ehemänner, doch so lange die Detektei gut läuft, haben weder Strike noch seine Assistentin Robin Grund zur Beschwerde. Die ein oder andere ermittlerische Herausforderung kommt aber dennoch ganz gelegen und eine solche scheint auch der Fall des vermissten Schriftstellers Owen Quine darzustellen. Ein halbwegs erfolgreicher Roman hat aus dem Mann einen selbstverliebten Exzentriker gemacht, der aber seitdem nie wieder an diese Zeit anknüpfen konnte und von Kollegen und Literaturagenten eher mitleidig als hoffnungsloser Fall angesehen wurde – bis Quine mit seinem neuen Romanentwurf plötzlich die halbe Londoner Literaturszene gegen sich aufgebracht hat und seitdem als verschwunden gilt. Was für den Leser anfangs noch als langweilige Rückholaktion eines Fremdgehers aussieht, entwickelt sich also recht schnell als handfester Kriminalfall.

Erneut sehr authentische, diesmal aber zuweilen etwas langatmige Ermittlungen

Dieser spielt sich in „The Silkworm“ zwar in einem komplett anderen Milieu ab als im Vorgänger, läuft aber sonst nach dem identischen Prinzip ab. Schnell kristallisiert sich eine ganze Reihe von Verdächtigen heraus, die alle einen handfesten Grund gehabt hätten, dem rücksichtslosen Autor eins auszuwischen – und vielleicht sogar mehr als das. Cormoran Strikes zweiter Fall bringt also wieder beste Voraussetzungen zum munteren Miträtseln mit, doch irgendwie will der Whodunit-Krimi diesmal nicht so wirklich zünden. Die Geschichte legt zwar interessant los und überrascht nach kurzer Zeit auch mit einem unerwartet drastisch beschriebenen Ereignis, danach schaltet Joanne K. Rowling aber erst einmal wieder zwei Gänge zurück und schickt ihren angeknacksten Helden in eine weitere knifflige Ermittlung, bei der vor allem Durchhaltevermögen und Geduld gefragt ist. Dabei punktet die Autorin erneut mit einer sehr authentischen Darstellung der Detektivarbeit, die mit frustrierenden Befragungen verschlossener Zeugen oder lästigen Routinearbeiten wie ungemütlichen Beschattungen im parkenden Auto deutlich weniger glorreich erscheinen als bei den meisten anderen Ermittlern im Krimi-Genre.

Guter Whodunit-Krimi, der aber nicht an die Klasse des Auftaktromans herankommt

Leider reißt der Fall an sich aber diesmal nicht so mit wie der Fall um das ermordete Model im Auftakt der Reihe und gerade im Mittelteil muss sich der Leser doch durch so einige Längen kämpfen. Auch „The Cuckoo’s Calling“ war vom Erzähltempo zwar alles andere als rasant, die Fortsetzung tritt jedoch relativ häufig und dann auch recht ausdauernd auf der Stelle. Das mag in der Darstellung der Ermittlungsarbeit vielleicht realistisch sein, ist in einem Spannungsroman aber ein wenig kontraproduktiv. Zudem fällt es oft schwer, im Dschungel der meist sehr ähnlichen Verdächtigen (mit meist sehr ähnlichen Motiven) den Überblick zu behalten, was auf Dauer leider ebenfalls ein wenig ermüdend ist. „The Silkworm“ ist zwar bis zur finalen und durchaus wieder überraschenden Auflösung schlüssig konstruiert, die Betonung liegt hier aber auch auf „konstruiert“. Was sich Frau Rowling hier nämlich über knapp 450 Seiten zurechtgelegt hat, ist dann am Ende möglicherweise doch ein wenig des Guten zuviel. Schade fand ich auch, dass sich die Beziehung zwischen Cormoran Strike und Robin zwar merklich weiterentwickelt, dabei aber leider die goldigen gemeinsamen Momente der beiden etwas auf der Strecke bleiben. Hier hat das eigentlich recht gut funktionierende Ermittlerduo meiner Meinung nach im ersten Band deutlich mehr Charme versprüht. Somit ist „The Silkworm“ zwar erneut ein guter Kriminalroman, verpasst die Qualität und die Faszination eines „The Cuckoo’s Calling“ für mich aber leider recht deutlich. Hoffentlich kann der nächste Fall wieder ein wenig mehr mitreißen…

The Silkworm
  • Autor:
  • Deutscher Titel: Der Seidenspinner
  • Reihe: Cormoran Strike #2
  • Umfang: 456 Seiten
  • Verlag: Sphere
  • Erscheinungsdatum: 24. Juni 2014
  • Preis Geb. Ausgabe 19,95 €/eBook 11,99 €
Cover:
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Gesamt:
7/10
Fazit:
Auch mit ihrem zweiten Fall für Privatermittler Cormoran Strike legt J.K. Rowling einen authentischen und schlüssigen Kriminalroman hin, der im Vergleich zum Vorgänger aber manchmal ein wenig langatmig daherkommt.

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