Die dritte Stimme_Rezi

Nachdem Olivia Rönning einige erschütternde Enthüllung über ihre eigene Vergangenheit erfuhr, brauchte die ehemalige Polizeischülerin zunächst einmal eine Auszeit und nutzte diese für einen Selbstfindungstrip durch Südamerika, auch um ihre familiären Wurzeln zu erforschen. Nach Monaten in der Ferne ist Olivia nun nach Schweden zurückgekehrt und eigentlich fest entschlossen, den Polizeidienst an den Nagel zu hängen und stattdessen ihren Fokus auf die Kunst und ein entsprechendes Studium zu legen. Ihre Pläne werden jedoch über den Haufen geworfen, als Olivia zufällig den Selbstmord ihres früheren Nachbarn Bengt Sahlmann mitbekommt, auf dessen verzweifelte Tochter Sandra stößt und das nun elternlose Kind vorübergehend in ihre Obhut nimmt. Je mehr sie dabei über die Umstände von Sahlmanns Tod herausfindet, desto größer werden dabei ihre Zweifel an der zunächst offensichtlichen Suizid-Theorie. Olivia stößt auf einige Ungereimtheiten, zudem ist der Computer des Opfers plötzlich spurlos verschwunden. Neugierig beschließt sie daher, ihre Künstler-Karriere noch ein wenig zu verschieben und den Tod von Sandras Vater auf eigene Faust zu untersuchen – was nicht nur bei ihrer ehemaligen Chefin für Unmut sorgt, sondern auch Olivia immer mehr selbst in Gefahr bringt…

Von Südamerika über Stockholm bis nach Marseille

„Die dritte Stimme“ ist der zweite Roman des schwedischen Autoren-Ehepaares Cilla und Rolf Börjlind und setzt einige Monate nach den Ereignissen des Vorgängers „Die Springflut“ ein. In wenigen Absätzen fassen die beiden zunächst zusammen, wie es einer ihrer Hauptfiguren, der früheren Polizeischülerin Olivia Rönning, nach den für sie doch recht dramatischen Enthüllungen am Ende des damaligen Falls ergangen ist und nach ihrer langen Auszeit in Übersee scheint es eher nicht so, als ob Olivia ein weiteres Mal zur Protagonistin eines Kriminalromans werden würde – wenn der Zufall nicht ihre Aussteigerpläne durchkreuzen würde und die junge Noch-Polizistin auf einen vermeintlichen Selbstmord mit mysteriösen Umständen stößt. Wie schon im ersten Band der Reihe konzentriert sich die Geschichte aber nicht nur auf Olivia Rönning, denn auch die anderen aus dem Vorgänger bekannten Charaktere werden schnell in ihre jeweils eigenen Ermittlungen – mal dienstlicher und mal privater Natur – verstrickt. Während nämlich Olivia parallel zu ihrer Chefin in Eigenregie den Tod von Bengt Sahlmann untersucht, bekommt es Messerwerfer Abbas el Fassi mit einem sehr persönlichen Fall zu tun: In Marseille wurde seine ehemalige Geliebte aus gemeinsamen Zirkuszeiten ermordet und zerstückelt aufgefunden und Abbas bricht Hals über Kopf auf, um den Tod der Frau aufzuklären und den Täter auf seine eigene Weise zur Rechenschaft zu siehen. Der Ex-Polizist und inzwischen auch Ex-Obdachlose Tom Stilton wird von seinem Freund eher unfreiwillig in dessen Ermittlungen hineingezogen und begleitet den trauernden und wütenden Mann als Aufpasser nach Frankreich. Und praktisch im Vorbeigehen stößt Olivia dann auch noch auf einen Skandal um erschreckende Missstände in einer Reihe von Stockholmer Pflegeheimen…

Mühsame Anfangsphase mit zu vielen Handlungssträngen

Klingt nach 544 Seiten voller Action und Spannung? Ist es aber leider nicht, denn trotz der vielen Baustellen kommt „Die dritte Stimme“ besonders in der ersten Hälfte sehr gemächlich daher. Cilla und Rolf Börjlind nehmen sich viel Zeit für ihre Charaktere und erläutern detailliert deren jeweilige Motivationen für ihr Handeln, worum es in ihrem zweiten Kriminalroman aber im Kern geht lässt sich beim Lesen lange Zeit nicht wirklich erschließen. So vergehen dann schon einmal rund 200 Seiten ohne dass sich ein konkreter Fall klar herauskristallisieren würde. Zwar ist die Anfangsphase auch dank des leicht bekömmlichen Schreibstils der Autoren nicht langweilig, es passiert eben gefühlt nur nichts von großer Relevanz. Hier beschleicht einen zwischenzeitlich schon das Gefühl, dass sich das Ehepaar mit der Vielzahl an Hauptfiguren ein wenig übernommen hat und die zahlreichen Handlungsstränge auf Kosten der Spannung gehen.

Spannende zweite Hälfte entschädigt für den gemächlichen Beginn

Glücklicherweise fängt sich der Roman aber nach der – insgesamt leider etwas enttäuschenden – ersten Hälfte und findet mit fortschreitender Handlung langsam wieder zur Qualität des Vorgängers zurück. Sobald erkennbar wird, wie die einzelnen Erzählebenen zusammenhängen könnten, ist die Neugier des Lesers auch wieder geweckt und so macht sich der detaillierte Aufbau der Geschichte immer mehr bezahlt. Der Plot wird nicht nur stringenter, sondern nimmt auch immer mehr an Tempo auf und zieht dadurch auch deutlich an der Spannungsschraube. Gerade die letzten 100 Seiten vergehen dadurch wie im Fluge, auch wenn man bei näherer Betrachtung schon die Frage stellen muss, ob die Handlung letztlich nicht zu konstruiert ist und die Aufklärung zumindest in Teilen nicht zu sehr auf Zufällen beruht. Somit hinterlässt „Die dritte Stimme“ am Ende einen fast identischen Eindruck wie der Reihenauftakt: Interessante Charaktere, etwas zu viele Handlungsstränge, gute Atmosphäre und ein zwar unterhaltsamer, aber letztlich überfrachteter Plot. Das ergibt insgesamt einen erneut guten Schwedenkrimi, dem zu den Großen des Genres aber nach wie vor ein paar Quäntchen fehlen.

Die dritte Stimme
  • Autor: ,
  • Original Titel: Den tredje rösten
  • Reihe: Rönning & Stilton #2
  • Umfang: 544 Seiten
  • Verlag: btb
  • Erscheinungsdatum: 10. November 2014
  • Preis Geb. Ausgabe 19,99 €/eBook 15,99 €
Cover:
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Gesamt:
7/10
Fazit:
„Die dritte Stimme“, der zweite Roman des Ehepaars Börjlind, kommt aufgrund der etwas zu vielen Handlungsstränge nur schleppend in Fahrt, überzeugt zum Ende hin aber als spannender Schwedenkrimi mit leicht überkonstruierter Story.

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2 Antworten zu diesem Beitrag

  • Hallo Sebastian,

    da das Buch bereits im Regal steht werde ich mich wohl auch durch die ersten 200 Seitem kämpfen 😀
    Aber insgesamt ist das Buch nicht ganz so schlecht.

    • Ich fand die ersten 200 Seiten jetzt auch nicht unbedingt langweilig, da fehlte für mich einfach nur ein wenig die Struktur. Aber wenn sich dann die einzelnen Handlungsstränge langsam zusammenfügen ergibt das Ganze auch einen Sinn 😉