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Vier Jahre mussten Robert-Langdon-Fans auf ein weiteres Abenteuer des weltberühmten Symbologen warten. Mit seinem neuen Werk „Inferno“ schickt Bestsellerautor Dan Brown seinen Helden nun auf die Spuren des Dichters und Philosophen Dante Alighieri.

Harvard-Professor Robert Langdon erwacht in einem Krankenzimmer und hat keine Ahnung, wie er dort gelandet ist. In seinen Gedanken schwirren mysteriöse Visionen einer geheimnisvollen Frau mit silbernem Haar, die ihm verzweifelt eine Botschaft zukommen lassen will. Zudem wird er geplagt von heftigen Kopfschmerzen und muss zu seinem Entsetzen feststellen, dass er am Kopf eine medizinisch versorgte Kopfverletzung aufweist. Langdon denkt sofort an einen Unfall, doch er kann sich beim besten Willen nicht an die vorangegangen Ereignisse erinnern.

Robert Langdon erwacht in Florenz – angeschossen, ohne Erinnerung und im Visier kaltblütiger Killer

Als er von den Ärzten über seinen Zustand aufgeklärt wird, muss er gleich mehrere Hiobsbotschaften verkraften: Zum einen befindet er sich nicht wie angenommen in Massachusetts, sondern im italienischen Florenz. Zudem fehlen ihm in seiner Erinnerung gleich zwei ganze Tage und – und diese Nachricht trifft ihn am härtesten – bei seiner Verletzung am Kopf handelt es sich nicht um die Folgen eines Unfalls, sondern um eine Schusswunde: Jemand hat offenbar erst kürzlich versucht, Robert Langdon umzubringen. Und dieser jemand scheint überdies fest entschlossen, seinen Auftrag zu Ende zu führen, denn kurz nach Langdons Erwachen im Krankenbett stürmt eine Frau ins Krankenhaus, erschießt einen der Ärzte und dringt zum angeschlagenen Professor vor, der im letzten Augenblick mithilfe einer Ärztin entkommen kann…

Der vierte Roman um Harvard-Professor und Symbologe Robert Langdon

Robert Langdons viertes Abenteuer beginnt mit einer Ausgangssituation, mit der nicht unbedingt zu rechnen war. Anders als bei seinen bisherigen Einsätzen wird der Symbologe nicht von anderen Personen zu Rate gezogen, um beispielsweise in einem geheimnisvollen Mordfall mit seinem umfassenden Wissen zu helfen, sondern befindet sich gleich selbst mittendrin im Schlamassel. Angeschossen und mit einem totalen Blackout erwacht er rund 6500 km von dem Ort, an den er die letzten Erinnerungen hat. Viel Zeit zum Nachdenken bleibt auch nicht, denn seine Jäger hängen bereits erneut an seinen Fersen und unternehmen unmittelbar einen zweiten Versuch, ihn zu töten. Außerdem muss er feststellen, dass seine Gegner offenbar auch an einem Gegenstand interessiert sind, der sich in seinem Besitz befindet – und Langdon hat keine Ahnung worum es sich handelt geschweige denn wie er überhaupt daran gelangt ist.

Robert Langdon und die Frauen

Natürlich – denn wie könnte es bei einem Robert-Langdon-Roman anders sein – ist der sympathische Harvard-Professor aber nicht auf sich alleine gestellt, sondern erhält wieder einmal Unterstützung in Form einer attraktiven und intelligenten Frau. Sienna Brooks, die Ärztin, die Langdon im Krankenhaus das Leben rettete, ist diesmal besonders clever und verfügt über einen IQ von über 200. Und selbstverständlich ist sie darüber hinaus auch äußerst gedankenschnell, einfallsreich, geschickt und sportlich, denn sonst würde der von dem Krankenhausaufenthalt noch etwas benommene Professor schließlich nicht die zahlreichen Verfolgungsjagden mit seinen geheimnisvollen Gegnern überstehen. Allerdings ist die Figur der Sienna Brooks trotz aller Klischees gar nicht mal so uninteressant, denn Dan Brown lässt seine Leser über den persönlichen Hintergrund von Langdons weiblichen Sidekick gekonnt im Unklaren und wirft ihnen und seinem Protagonisten nur kleine Häppchen vor, mit denen man sich selbst ein Bild über die ungewöhnliche Ärztin machen muss.

Dante Alighieris „Göttliche Komödie“ als Aufhänger

Bei einem Dan-Brown-Thriller darf natürlich auch die obligatorische Schnitzeljagd durch die Kunstgeschichte nicht fehlen und diese dreht sich in „Inferno“ um den italienischen Philosophen und Dichter Dante Alighieri, der wohl vor allem für seine „Göttliche Komödie“ bekannt ist, deren erster von drei Teilen auch titelgebend für Browns vierten Langdon-Roman war. Folglich spielt „Inferno“ dann auch über weite Strecken in Florenz, der Heimatstadt Dantes. Dort dürfen Langdon und Miller dann wie gewohnt von einem Museum zum nächsten hetzen, kryptische Hinweise entschlüsseln und werden in regelmäßigen Abständen zu einem actionreichen Aufeinandertreffen mit ihren Verfolgern gezwungen. Über allem schwebt wieder einmal die große und geheimnisvolle Katastrophe, die es innerhalb von wenigen Stunden abzuwenden gilt.

Dan Brown bleibt seiner Linie treu

Das alles klingt nun nicht besonders originell und ist es im mittlerweile vierten Aufguss leider auch nicht mehr. Da ist es fast ein wenig beschämend, dass Browns Schema F bei mir in weiten Teilen immer noch Anklang gefunden hat und mich mit seinen Rätseln, Cliffhangern und Actionszenen wieder einmal gepackt hat. Ich habe mich wieder einmal dazu verleiten lassen, nahezu jedes angesprochene Gemälde und jeden Schauplatz des Romans in die Online-Suchmaschine einzugeben, um tiefer in die Geschichte einzutauchen und die versteckten Botschaften in den Kunstwerken mit eigenen Augen sehen zu können. Das ist nach wie vor faszinierend, wird im letzten Drittel des Buches aber deutlich überstrapaziert. Dan Brown muss nach wie vor zu jedem Gebäude, jeder Säule und jeder Statue, die seine Helden passieren, sein recherchiertes Wissen preisgeben, völlig gleich ob es für die Geschichte überhaupt von Relevanz ist. Hier möchte man den Autor manchmal packen, schütteln und ihm zurufen: „Ja, wir haben es mittlerweile mitbekommen, dass du unheimlich gebildet bist, können wir uns jetzt wieder auf die Story konzentrieren?“.

Der ewig gleiche Robert Langdon

Leider ist auch bei der Hauptfigur über die vier bisherigen Bücher hinweg keinerlei Weiterentwicklung erkennbar und Robert Langdon ist immer noch der charmante Professor mit Mickey-Mouse-Uhr und Harris-Tweed-Jacket, der als Kind in einen Brunnen gefallen ist und seitdem in jedem etwas engeren Raum Anflüge von Klaustrophobie bekommt. Natürlich kennt dieser auch weiterhin in jedem Museum der Welt irgendeinen Kurator oder Direktor oder erfährt Unterstützung durch einen begeisterten Leser, der ein großer Fan der Werke des Symbologen und daher nur allzu erpicht darauf ist, seinem Vorbild helfend zur Hand zu gehen. Hier wäre es schön gewesen, wenn Brown mal ein bisschen Mut bewiesen hätte und ein paar neue Wege gegangen wäre, auch um seinen Helden endlich ein bisschen mehr Profil zu verschaffen.

Im Vergleich zu den Vorgängern eher unspektakulär

Wenn man das Hauptthema von „Inferno“ mit denen der Vorgänger vergleicht, so muss man leider auch konstatieren, dass die Mysterien um die Werke Dantes bei weitem nicht den Reiz ausüben, wie es beispielsweise die Geheimnisse um Leonardo da Vinci, die Illuminaten oder den Vatikan getan haben. Sogar der etwas schwächere Langdon-Roman „Das verlorene Symbol“ hatte da mit den Freimaurern mehr zu bieten. So spannend Dantes Ausführungen zur Hölle auch sein mögen, so hat man dabei nie das Gefühl, etwas wirklich Weltbewegendes zu erkunden. Man wähnt sich als Leser einfach selten bis gar nicht auf der Spur einer spektakulären Verschwörung, wie es bei „Sakrileg“ oder „Illuminati“ der Fall war.

Interessanter ist da schon eher der Bezug auf aktuelle Probleme der Weltpolitik, über die ich aus Spannungsgründen aber an dieser Stelle nichts verraten möchte. Brown wirft hier einige brisante Fragen auf, über deren Beantwortung sich herrlich diskutieren lässt und für die es vermutlich keine eindeutige Lösung gibt. Leider fällt durch diese Themen das Ende des Romans aber ein wenig unspektakulär aus und es fehlt ein wenig der gewohnte Showdown. Somit hinterlässt „Inferno“ bei mir eher einen gemischten Eindruck. Einerseits üben das muntere Rätselraten und Browns Geheimniskrämerei nach wie vor einen gewissen Reiz aus, andererseits sehnt man sich aber auch langsam nach etwas Innovation und einer Abkehr von dem bewährten Erfolgskonzept. Wer die bisherigen Dan-Brown-Romane mochte, wird bestimmt auch wieder an seinem neuen Werk Gefallen finden, wer mit seinen Verschwörungsthrillern aber noch nie etwas anfangen konnte, der wird auch durch „Inferno“ sicherlich nicht zum Robert-Langdon-Fan.

Fazit:
Auch im vierten Anlauf bietet Dan Brown seinen Lesern wieder eine spannende Schnitzeljagd durch die Kunstgeschichte, allerdings zeigt das bekannte Schema mittlerweile aber deutliche Abnutzungserscheinungen (7/10).

Buchcover
Autor: Dan Brown; Deutscher Titel: Inferno; Umfang: 480 Seiten; Verlag: Doubleday; Erscheinungsdatum: 14. Mai 2013; Preis: Gebundene Ausgabe 14,95 €/eBook 12,99 €.

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Eine Anwort zu diesem Beitrag

  • Witzig. Da habe ich deine Rezi absichtlich erst gelesen, nachdem meine eigene steht, und wir stimmen nahezu 100%-ig überein.

    Lediglich was Sienna angeht, weiche ich ab von deiner Meinung, dass sie doch ganz interessant gestaltet ist. Die Versuche, ihr als Figur mehr Tiefe zu verleihen und sie mysteriös erscheinen zu lassen, finde ich nicht so gelungen. Ich wusste schon lange vor Langdon, worauf das mit ihr hinauslief. Letzten Endes bietet ihre Figur trotz etwas mehr Tamtams für mich keine wirklichen Überraschungen im Vergleich mit ihren Vorgängerinnen.

    Schön, dass du Langdon’s langsam etwas nervige ‚Altklugheit‘ ansprichst. Dass er wirklich zu alles und jedem einen Vortrag aus dem Ärmel ziehen kann, wird tatsächlich in ‚Inferno‘ etwas des Guten zu viel. Vielleicht auch, weil er als so ‚flache‘ Figur ohne große weitere Eigenschaften dadurch nicht unbedingt sympathischer wird.

    Ich war letzten Endes nicht zu gefesselt von ‚Inferno‘ wie du am Ende offenbar doch. Habe auch wenig gegoogelt. Im Grunde genommen hat mich nur Dante’s ‚Göttliche Komödie‘ wirklich neugierig gemacht, und dazu hatte ich im Vorfeld von ‚Inferno‘ schon einiges gelesen.

    Gruß,

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