Tags: Amnesie, Bordeaux, Dietmar Wunder, Frankreich, griechische Mythologie, Identität, Jean-Christophe Grangé, Marseille, Mathias Freire, Nizza, Paris, Persönlichkeitsstörung, Psychiater, Ritualmord, Serienmörder
Genre: Krimi, Mystery, Thriller
Autor: Jean-Christophe Grangé
Sprecher: Dietmar Wunder
Länge: 21 Std. 21 Min. (ungekürzt)
Inhaltsbeschreibung von audible.de:
Mathias Freire leidet unter einer rätselhaften Krankheit. Sobald er in Stress gerät, fällt er in Ohnmacht. Und wenn er das Bewusstsein wiedererlangt, ist er ein anderer: Ein neues Ich hat sich formiert, mit einer neuen Vergangenheit, einem neuen Lebensschicksal. Währenddessen sucht die Polizei nach dem Täter einer Serie von Ritualmorden, die allesamt in der Nähe Freires verübt wurden, ohne dass man ihm etwas nachweisen kann. Und wenn nun doch er der Mörder ist? Auf sein Gedächtnis ist kein Verlass. Freire muss einen Weg finden, um seine Vergangenheit zu rekonstruieren. Doch die Suche nach seiner wahren Identität wird zu einem entsetzlichen Albtraum, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint.
Meine Hörbuchbesprechung:
Der Psychiater Mathias Freire wird während seiner Nachtschicht in einer Klinik in Bordeaux verständigt, um sich um einen Patienten mit Gedächtnisverlust zu kümmern. Der Mann wurde in der Nähe eines Tatortes aufgefunden, wo kurz zuvor ein junger Mann auf bestialische Weise getötet wurde. Dem Opfer wurde nach seinem Tod der Kopf abgeschnitten und auf den Rumpf anstelle des eigenen Hauptes ein Stierkopf gestülpt. Die Polizei erhofft sich von dem in die Klinik eingelieferten Mann wichtige Hinweise in diesem schockierenden Mordfall, doch Patrick Bonfils kann sich an absolut nichts erinnern. Offenbar leidet er an einer dissoziativen Amnesie und hat infolge eines traumatischen Erlebnisses seine eigene Identität fast vollständig verdrängt.
Brutaler Ritualmord und ein Augenzeuge mit Gedächtnisverlust
Während Mathias Freire dem Gedächtnisverlust von Bonfils näher auf den Grund geht und versucht, die Erinnerungen des Mannes wieder hervorzubringen, ermittelt die Polizistin Anaïs Chatelet in dem „Minotaurus“-Mord, wie das Verbrechen aufgrund der makabren Inszenierung der Leiche genannt wird. Dabei sucht sie auch Mathias Freire auf, um sich nach dem Zustand des vermeintlichen Augenzeugen zu informieren und mit dessen Aussage dem Täter auf die Spur zu kommen. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, dass Bonfils selbst für den brutalen Mord verantwortlich ist. Als der Mann jedoch wenig später von zwei Auftragskillern erschossen wird und auch Freire dem Anschlag nur knapp entkommt, nimmt der Fall aber eine überraschende Wendung. Alles hat den Anschein, als würde auch der Psychiater viel tiefer in das Verbrechen involviert sein, als er sich selbst vorstellen kann…
Der neue Thriller von Frankreichs Bestsellerautor Jean-Christophe Grangé
„Der Ursprung des Bösen“ ist der neue Thriller des französischen Bestsellerautors Jean-Christophe Grangé und sein erstes Werk, das in Deutschland als ungekürztes Hörbuch erschienen ist. Gelesen wird der über 21 Stunden lange Titel von Dietmar Wunder, was Grangés Neuling für mich gleich doppelt reizvoll gemacht hat. Zwar hatte ich zuvor noch kein Buch des Autors gelesen oder gehört, kannte jedoch die Romanverfilmungen von „Die purpurnen Flüsse“ und „Das Imperium Wölfe“, die mir beide ziemlich gut gefallen haben. Da ich überdies auch noch gerne derartige französische Mystery-Thriller konsumiere und Dietmar Wunder seit den Alex-Cross-Hörbüchern zu meinen Lieblingssprechern gehört, habe ich bei Veröffentlichung von „Der Ursprung des Bösen“ nicht lange gezögert und direkt mein Audible-Guthaben dafür geopfert.
Etwas irreführende Inhaltsbeschreibung
Allerdings möchte ich gleich zu Beginn einmal ein paar Worte zur Inhaltsbeschreibung verlieren, die in meinen Augen doch sehr missverständlich und irreführend ausgefallen ist. Es ist nämlich keinesfalls so, dass der Protagonist Mathias Freire regelmäßig seine eigene Identität vergessen würde und er dann jedes Mal wieder zu sich selbst finden müsste. In den ersten Stunden des Hörbuches hatte ich stellenweise sogar den Eindruck, als hätte man bei der Beschreibung Freire mit dem Patienten Bonfils verwechselt, der in die Obhut des Psychiaters gegeben wird. Denn diese Figur weist genau die Eigenheiten auf, die im Klappentext Freire zugeschrieben wurden. Aufgefunden in der Nähe eines Mordschauplatzes, kann sich der Mann an nichts mehr erinnern und soll mit dem Psychiater seine Vergangenheit aufarbeiten. Dabei stellt sich nach und nach heraus, dass Bonfils immer wieder in neue Identitäten flüchtet, was offenbar mit einem zurückliegenden traumatischen Erlebnis zusammenhängt. Freire gelingt es jedoch, die Erinnerungen des Mannes teilweise wiederherzustellen und ihn zurück zu seiner Frau zu bringen. Kurz danach kommt es dann aber zu oben erwähntem Attentat, bei dem Bonfils und seine Frau sterben und Freire selbst nur knapp dem Tode entkommt. Erst ab diesem Punkt verläuft die Handlung dann ungefähr so, wie man es beim Lesen der Inhaltsbeschreibung erwarten kann.
Hoher Unterhaltungswert trotz teilweise absurder Wendungen
Man muss aber leider festhalten, dass dieser Wendepunkt dem Autor nur recht mäßig geglückt ist und doch sehr absurd wirkt. Während seiner Flucht vor den Auftragskillern wird Freire nämlich von einem Fremden angesprochen, der in ihm einen Obdachlosen aus Marseille wiedererkennt. Anstatt dies als eine simple Verwechslung hinzunehmen, nimmt der Psychiater dies jedoch zum Anlass, um aus heiterem Himmel sein ganzes Leben infrage zu stellen und die eigene Identität anzuzweifeln. Man stelle sich einmal vor, man selbst würde bei jeder Verwechslung gleich völlig verzweifelt und panisch nach seiner wahren Herkunft suchen und bei sich selbst eine Persönlichkeitsstörung diagnostizieren. Außerdem erscheint es mir auch nicht sonderlich wahrscheinlich, dass mit Bonfils und Freire gleich zwei Menschen auf einmal an dieser seltenen Erkrankung leiden. Der Zufall wird nicht nur an besagter Szene überstrapaziert und so wirkt auch im späteren Verlauf die ein oder andere Wendung ein wenig unglaubwürdig.
Darüber kann man sich nun ärgern oder aber diese Entwicklung protestlos hinnehmen – bei letzterer Herangehensweise hat man eindeutig mehr von „Der Ursprung des Bösen“. Denn so zweifelhaft und unrealistisch manche Passagen auch erscheinen mögen, wenn man sich auf Grangés Gedankenspiele einlässt, bekommt man eine ziemlich spannende und abwechslungsreiche Geschichte geboten. Wie bei einer russischen Matrjoschka-Puppe muss die Hauptfigur nämlich nach und nach seine bisherigen Identitäten enthüllen, um seine eigene Rolle bei dem „Minotaurus“-Mord herauszufinden. Das ist vor allem deshalb äußerst kurzweilig, weil sich Grangé bei den diversen Persönlichkeiten recht kreativ zeigt und diese sehr variantenreich skizziert. Ob Psychiater, Obdachloser oder Kunsthändler – immer wieder taucht Freire (und damit auch der Hörer) in eine ganz neue Szene ein und reist nebenbei auch noch durch halb Frankreich. Die Palette reicht dabei von Bordeaux über Marseille bis nach Paris und immer zeichnet der Autor ein sehr stimmungsvolles Bild seiner Schauplätze, besonders das harte Leben auf der Straße wird sehr eindrucksvoll geschildert.
Atemberaubende Spurensuche mit Mystery- und Romantik-Einflüssen
Als wäre dies alles noch nicht fesselnd genug, hat Grangé noch zwei weitere Trümpfe in der Hinterhand. Da gibt es zum einen die vielen Bezüge zur griechischen Mythologie, die im Zusammenhang mit der geschilderten Mordserie eingestreut werden und sich meist in den Arrangements der Leichen niederschlagen. Das verleiht der Geschichte eine sehr gelungene mysteriöse Note, welche die spannende Spurensuche noch einmal ein gutes Stück faszinierender macht. Darüber hinaus hat der Autor für seine Hauptfigur noch eine charismatische Gegenspielerin parat, nämlich die Polizistin Anaïs Chatelet. Die forsche und selbstbewusste junge Ermittlerin arbeitet mit allen Mitteln an der Aufklärung des „Minotaurus“-Mordes und nimmt schnell den Psychiater selbst in Visier. So wird die Handlung immer abwechselnd aus der Sicht von Freire und Chatelet geschildert, wobei in den Anaïs-Passagen die Ereignisse meist nur in etwas abgewandelter Form noch einmal vorgekaut werden. Das hat zwar den Vorteil, dass man sich so die wichtigsten Details leicht einprägen kann, allerdings nehmen diese Wiederholungen aber auch immer ein wenig Tempo aus der ansonsten rasanten Story. Zudem verleiht Grangé diesem Katz-und-Maus-Spiel darüber hinaus noch eine romantische Komponente, die aber meiner Meinung nach nicht wirklich nötig gewesen wäre.
Der Sprecher:
Wie schon erwähnt, wird „Der Ursprung des Bösen“ von Dietmar Wunder gelesen, der neben David Nathan und Simon Jäger seinen festen Platz in meiner persönlichen Sprecher-Top3 hat. Wunders markante Stimme hat wohl jeder schon mal gehört, sei es als Synchronstimme von Daniel Craig in den neueren Bond-Filmen, als deutsche Stimme von Adam Sandler oder durch Synchronisationen in Erfolgsserien wie „Dr. House“ (Omar Epps), „CSI: New York“ (Carmine Giovinazzo) oder „Numb3rs“ (Rob Morrow).
Dietmar Wunder in Bestform sorgt für intensives Kopfkino
Auch für Grangés Mystery-Thriller ist Wunder wieder eine hervorragende Wahl, denn er fängt die Stimmung der Buchvorlage sehr gut ein und schildert die verworrene Story überaus eindringlich. Zudem verleiht er den Charakteren eine individuelle Note und lässt so ein kleines Kopfkino entstehen, dem man sich nur schwer entziehen kann. Der Sprecher versteht es auch wie kaum ein zweiter, seine Lesegeschwindigkeit an die Temposchwankungen der Handlung anzupassen. Actionszenen werden dadurch unheimlich rasant und mitreißend, ruhige Passagen hingegen durch Wunders Flüsterton noch intensiver.
Schlussfazit:
Zugegeben: Jean-Christoph Grangés neuestes Werk zeichnet sich nicht unbedingt durch einen sehr hohen Realitätsgrad aus und manche Wendungen sind doch arg zweifelhaft und basieren auf äußerst unwahrscheinlichen Zufällen. Wen so etwas stört, der sollte lieber die Finger von „Der Ursprung des Bösen“ lassen. Kann man aber über solche Unglaubwürdigkeiten hinwegsehen und mag man französische Psychothriller mit einem Schuss Mystery, dann sollte man sich den neuen Grangé wirklich nicht entgehen lassen.
Rasanter und abwechslungsreicher Frankreich-Thriller mit gelegentlichen Unglaubwürdigkeiten
Die Geschichte wird sehr temporeich erzählt und ist durch die vielen Identitäten und Schauplatzwechsel überaus facettenreich, sodass Langeweile keine Chance hat. Die wilde Hatz durch Frankreich macht einfach richtig Spaß und ist dank des permanenten Katz-und-Maus-Spiels immer mitreißend. Neben dem Unterhaltungsaspekt bekommt man aber auch einige interessante Informationen geboten, sei es über die menschliche Psyche oder Kunstgeschichte, alles präsentiert von einem Dietmar Wunder in Bestform. Auf mich wirkte „Der Ursprung des Bösen“ stellenweise wie eine Mischung aus der „Jason Bourne“-Reihe und Bernard Miniers „Schwarzer Schmetterling“. Wer an solchen Stoffen Gefallen findet, sollte unbedingt mal ein Ohr riskieren.
Meine Wertung: 8/10
Informationen:
Das Hörbuch “Der Ursprung des Bösen” hat eine Länge von 21 Std. und 21 Min. und ist ungekürzt für 34,95 Euro bei audible.de erhältlich. Eine auf 9 Std. und 9 Min. gekürzte Fassung gibt es bereits für 13,95 €. Im Flexi-Abo kostet beide Versionen natürlich wieder nur die gewohnten 9,95 Euro. Weitere Infos gibt es auf der Detail-Seite bei audible.de.
Ich liebe Grangé! Und du wirst es kaum glauben, aber ich habe mir das Hörbuch auch kürzlich runtergeladen. 🙂 Das wird meine erste Krimi-Hörbuch-Premiere. Deine Besprechung macht auf jeden Fall viel Lust drauf!
Dann bin ich ja mal gespannt, wie es dir gefällt! Du bist ja insgesamt auch nicht so die Hörbuch-Hörerin, oder?
Wird mir übrigens langsam ein wenig unheimlich, wie sehr sich unsere Lesegewohnheiten gleichen 😀
Ich hab erst kürzlich mit Hörbüchern angefangen und dank „Der Nachtzirkus“ bin ich endgültig davon überzeugt, dass ich das mag. Allerdings fehlen mir bis jetzt noch die Gelegenheiten und ich habe nicht so viel Zeit, die ich sinnvoll mit Hörbüchern verbringen kann. Aber eins im Monat will ich schon schaffen. 🙂
Also, leider muss ich sagen, dass diese INhaltsangabe einige Fehler aufzuweisen hat. Der kopf des Opfers bei dem ersten Mord wurde ganz und gar nicht abgeschnitten, sondern war noch auf dem Rumpf.