Autor: Anthony Horowitz
Sprecher: Johannes Steck
Länge: 05 Std. 10 Min. (gekürzt)

Inhaltsbeschreibung von audible.de:
London 1890: Der wohlhabende Galerist Edmund Carstairs fühlt sich von einem mysteriösen Mann mit Schiebermütze verfolgt. Er erkennt in ihm Keelan O’Donaghue, den Anführer und einzigen Überlebenden einer amerikanischen Verbrecherbande, die mit seiner Hilfe in Boston zerschlagen wurde. Hilfesuchend wendet Carstairs sich an Sherlock Holmes. Aber nur kurze Zeit später wird O`Donaghue erstochen aufgefunden und ein Straßenjunge brutal ermordet. Der einzige Anhaltspunkt ist ein am Handgelenk des Jungen befestigtes weißes Seidenband.

Meine Hörbuchbesprechung:
Es ist ein ungemütlicher und kalter Novemberabend, als ein gutgekleideter Mann in der Baker Street 221b auftaucht und Sherlock Holmes um dessen Mithilfe bittet. Er stellt sich als Edmund Carstairs vor und berichtet dem Meisterdetektiv, dass er seit einigen Tagen von einem geheimnisvollen Mann verfolgt wird. Zu Holmes‘ Überraschung kann er sogar die Identität des Verfolgers angeben, bei dem es sich um den Ganoven Keelan O’Donaghue handele, der mit Carstairs noch eine offene Rechnung zu begleichen habe.

Ein Kunsthändler fühlt sich verfolgt und bittet Sherlock Holmes um Mithilfe

Dies gehe zurück auf Ereignisse, die sich vor geraumer Zeit in den Vereinigten Staaten abgespielt haben. In Boston kam es damals vermehrt zu Überfällen auf Eisenbahnzüge, welche der berüchtigten „Flachkappenbande“, einer kriminellen Gruppe von irischen Einwanderern, zugeschrieben wurden. Bei einem der Überfälle wurde eine Reihe von wertvollen Gemälden zerstört, die in London ihrem Käufer übergeben werden sollten. Carstairs, seines Zeichens ein bekannter und wohlhabender Kunsthändler, reiste daraufhin nach Übersee und setzte Detektive auf die Flachkappenbande an. Nachdem diese die Spur der Ganoven zurückverfolgen konnten, kam es zu einem Schusswechsel, bei dem einer der Anführer erschossen wurde. Dessen Zwilling sei der ominöse Keelan O’Donaghue, der Carstairs nun wie ein Schatten folgt. Das Motiv scheint zunächst klar: Rache für den getöteten Bruder. Doch als O’Donaghue wenig später ebenfalls ermordet aufgefunden wird, wird Sherlock Holmes klar, dass noch viel mehr hinter dem Fall steckt…

Vom „Sir Arthur Conan Doyle Literary Estate“ offiziell anerkannter Sherlock-Holmes-Roman

Die Geschichten um den wohl bekanntesten Detektiv der Literaturgeschichte sind in letzter Zeit beliebt wie lange nicht, was wohl auch auf die neuerlichen Verfilmungen mit Robert Downey Jr. und Jude Law sowie die grandiose BBC-Serie „Sherlock“ mit Benedict Cumberbatch zurückzuführen ist. Da scheint der perfekte Zeitpunkt gekommen, um mit einem neuem Sherlock-Holmes-Roman auf den aktuellen Hype aufzuspringen. Allerdings ist „Das Geheimnis des weißen Bandes“ von Anthony Horowitz nicht irgendein Sherlock-Holmes-Roman, sondern wurde von den Nachlassverwaltern von Arthur Conan Doyle – dem „Sir Arthur Conan Doyle Literary Estate“ – offiziell als 61. Fall des Meisterdetektivs anerkannt, was die Sache gleich noch um einiges interessanter macht und die Erwartungen an das Buch natürlich noch ein gutes Stück höher hängt.

Watson kündigt in der Einleitung schockierende Enthüllungen an

Das gilt auch für die ersten Sätze der Geschichte, die wie gewohnt von Holmes‘ Partner Dr. John Watson geschildert wird. Der Detektiv selbst ist bereits seit einem Jahr tot und aufgrund der brisanten Enthüllungen traut sich Watson erst jetzt, 20 Jahre nach den thematisierten Ereignissen, die Geschichte um den angeblich dramatischsten und schockierendsten Fall von Sherlock Holmes niederzuschreiben. Diese Einleitung hängt die Latte natürlich ziemlich hoch, dagegen wirken die folgenden Passagen erst einmal recht harmlos. Ein Kunsthändler fühlt sich verfolgt, fürchtet deshalb um sein Leben und hat für Sherlock Holmes eine abenteuerliche Geschichte um Kunstraub und eine geheimnisvolle Gaunerbande parat. Auch der Detektiv selbst hat schon spektakulärere Fälle auf dem Tisch gehabt, geht der Angelegenheit aber pflichtbewusst nach.

Die Geschichte beginnt harmlos, nimmt aber höllisch Fahrt auf

Ein paar Zeugenbefragungen später scheint der Fall immer noch überschaubar und Holmes geht nicht von einer ernsthaften Gefahr durch O’Donaghue aus – wenn dieser auf Rache aus wäre hätte er dazu schon genug Gelegenheiten gehabt. Trotzdem setzt er seine „Baker Street Irregulars“, eine kleine Gruppe von Straßenjungen, auf den irischen Ganoven an, die sogleich die Verfolgung aufnehmen. Wenig später ist der Anführer der Flachkappenbande jedoch tot und der Kriminalfall nimmt plötzlich eine ganz andere Dimension an. Von diesem Moment an geht es dann Schlag auf Schlag und es kristallisieren sich immer mehr zwei verschiedene Fälle heraus: zum einen die Geschichte um O’Donaghue und den Kunsthändler Carstairs, dazu kommt aber auch noch die Suche nach dem geheimnisvollen „House of Silk“, zu der ich aber aus Spannungsgründen nicht viel verraten möchte. Nur so viel: Es wird tatsächlich so schockierend, wie John Watson es in seiner Einführung angekündigt hat und auch wenn die Geschehnisse aus heutiger Sicht vielleicht nicht mehr ganz so spektakulär sind, so sind sie doch immer noch erschütternd.

Horowitz fängt das Sherlock-Holmes-Feeling gekonnt ein

Inwieweit Anthony Horowitz nun den Stil seines berühmten Vorgängers Sir Arthur Conan Doyle aufgreift, kann ich leider nicht endgültig sagen, da mir für einen Vergleich genauere Kenntnisse über die historischen Orinaltexte fehlen. Trotzdem fühlt sich die Geschichte beim Hören so an, wie ich es von einem Sherlock-Holmes-Buch erwartet hätte. Die beiden Kriminalfälle sind verworren und erfordern eine gute Kombinationsgabe, die Holmes natürlich auch in Horowitz‘ Neuauflage mitbringt. Immer wieder fasziniert der Meisterdetektiv mit genialen Enthüllungen und wird so seinem Ruf mehr als gerecht. Auch das Drumherum stimmt: Das viktorianische London wirkt authentisch und der Autor führt seine Hörer an düstere Schauplätze wie heruntergekommene Opiumhöhlen oder trostlose Waisenhäuser. Auch die alten Bekannten dürften natürlich nicht fehlen und so sind auch die Haushälterin Mrs. Hudson, Inspektor Lestrade oder Holmes‘ Bruder Mycroft mit von der Partie. Selbst der Erzfeind des Detektivs, der geheimnisvolle Professor Moriarty, bekommt einen kleinen Gastauftritt spendiert, der zwar für die Handlung nicht von Belang ist, aber bei Sherlock-Fans sicherlich für einen wohligen Schauer sorgen wird.

Spannende und temporeiche Story – zumindest in der Kurzfassung

Glücklicherweise kann auch die Story voll überzeugen, die sich nach dem überschaubaren Einstieg immer weiter entwickelt und einige überraschende Wendungen auf Lager hat. Stellenweise ist das so verzwickt, dass man sich fragen muss, wie eigentlich nochmal alles angefangen hat. Leider liegt das Hörbuch nur in einer gekürzten Version vor, was sowohl Vor- und Nachteile hat. Ein positiver Effekt ist jedenfalls, dass die Geschichte durch die Kürzungen ein recht hohes Erzähltempo hat und somit überhaupt keine Hänger aufweist – durchgehende Spannung ist somit garantiert. Allerdings muss man aber auch höllisch aufpassen, um keine Wendung zu verpassen und mit den Ermittlungen des Detektivs mithalten zu können. Gerade zum Ende hin muss man sich schon ein wenig anstrengen, um die sehr gelungene Auflösung nachvollziehen zu können.

Der Sprecher:
Auch bei der Sprecherleistung fällt „Das Geheimnis des weißen Bandes“ sehr positiv auf. Gelesen wird das Hörbuch nämlich von Johannes Steck, dessen tiefe Erzählerstimme perfekt zur Geschichte passt. Steck kann diese Stimme auch sehr variabel einsetzen und den Charakteren so genug Individualität verpassen. Zudem fängt er auch die geheimnisvolle Atmosphäre des Hörbuches sehr gut ein.

Tolle Sprecherleistung verstärkt den sehr guten Gesamteindruck

Es gibt an der Lesung eigentlich nur eine Kleinigkeit, die mich ein bisschen gestört hat. Die Stimme von Johannes Steck passt meiner Meinung nach hervorragend zu Sherlock Holmes, jedoch weniger zu dessen Partner Dr. Watson. Da die Geschichte aber aus der Sicht von Watson geschildert wird, kam es bei mir mehrfach zu leichten Irritationen. Wenn zum Beispiel von „ich“ die Rede war, hatte ich immer den Detektiv selbst vor Augen und war dann immer wieder ein wenig überrascht, wenn von Sherlock Holmes dann wieder in der dritten Person gesprochen wurde. Da kann aber Johannes Steck nichts für und ich bezweifle auch, dass es vielen beim Hören so geht wie mir, von daher kann es dafür keinen Abzug geben.

Schlussfazit:
Mit „Das Geheimnis des weißen Bandes“ ist Anthony Horowitz ein hervorragender Kriminalroman gelungen, welcher der Vorlage von Arthur Conan Doyle in meinen Augen voll gerecht wird und die Geschichten um Sherlock Holmes würdig ergänzt. Die düstere Stimmung der Handlung wird gut eingefangen, zugleich wirkt das Buch gleichermaßen wunderbar altmodisch und dennoch zeitlos. Die Story ist spannend, komplex und knifflig und alle wichtigen Charaktere sind mit von der Partie – was will man als Sherlock-Holmes-Fan mehr?

Würdige Fortführung der Sherlock-Holmes-Geschichten

Punktabzug gibt es lediglich für die Kürzung des Buches für die Hörbuchumsetzung. Dadurch ist die Geschichte zwar sehr kurzweilig und temporeich, doch warum kann man ein so populäres Buch nicht in der Form herausbringen, wie der Autor sich das beim Schreiben gedacht hat? Die Hörbuchfassung hat zwar den Bonus der großartigen Sprecherleistung von Johannes Steck, doch ein fader Beigeschmack bleibt. Es muss also jeder selbst entscheiden, ob er lieber zur Papierversion oder zum Hörbuch greift, doch lesen sollte man die Geschichte auf jeden Fall. Für Kinder ist „Das Geheimnis des weißen Bandes“ aber nicht wirklich empfehlenswert, da es im Verlauf der Handlung doch einige (wenige) blutige Szenen gibt, die man von einem Sherlock-Holmes-Roman vielleicht so nicht unbedingt erwartet. Wer die Geschichten des Meisterdetektivs aber bisher mochte, wird auch mit dem Werk von Anthony Horowitz sicherlich mehr als zufriedengestellt werden.

Meine Wertung: 9/10

Informationen:
Das Hörbuch „Das Geheimnis des weißen Bandes“ von Anthony Horowitz hat eine Länge von 5 Stunden und 10 Minuten und ist gekürzt für 13,95 € bei audible.de erhältlich. Flexi-Abonnenten zahlen wie gewohnt nur 9,95 €. Weitere Informationen gibt es auf der Detail-Seite bei audible.de.

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2 Antworten zu diesem Beitrag

  • Schön! Ich war ziemlich skeptisch, was den „neuen“ Holmes angeht, aber scheinbar hat er den Titel verdient und ich kann mir beruhigt das Buch zulegen…nicht zuletzt auch als Zeitvertreib, bis es mit der der wahrlich grandiosen BBC-Serie Sherlock weitergeht 😉

Pings: