Autor: Kristina Ohlsson
Sprecher: Uve Teschner
Länge: 11 Std. 44 Min. (ungekürzt)

Inhaltsbeschreibung von audible.de:
Hochsommer in Schweden. Der voll besetzte Schnellzug nach Stockholm muss außerplanmäßig halten, ein kleines Mädchen verschwindet spurlos. Das Ermittlerteam um Kommissar Alex Recht wird auf den Fall angesetzt. Doch dann wird das Kind tot aufgefunden. Auf seiner Stirn steht geschrieben: „Unerwünscht“. Wenig später wird ein zweites Kind verschleppt…

Meine Hörbuchbesprechung:
Als der Schnellzug von Göteborg nach Stockholm aufgrund einer Signalstörung zu einem außerordentlichen Zwischenstopp gezwungen wird, verlässt eine junge Frau kurzzeitig den stehenden Zug, um im Bahnhof ein Telefonat zu führen. Als sie zum Bahnsteig zurückkehrt, muss Sara entsetzt feststellen, dass die Pause doch nicht so lang war wie ursprünglich angekündigt und der Zug inzwischen den Bahnhof wieder verlassen hat – mit ihrer kleinen Tochter Lillian ganz alleine in einem Zugabteil. Als der Schnellzug schließlich in Stockholm ankommt, ist das kleine Mädchen verschwunden. Kommissar Alex Recht und seine beiden Kollegen Peder Rydh und Frederika Bergmann werden auf den Fall angesetzt und fahnden unter Hochdruck nach der vermissten Lillian.

Ein kleines Mädchen verschwindet am helllichten Tag aus einem Zug – ein Familiendrama?

Recht und Rydh legen sich schnell auf einen Ermittlungsansatz fest: Sie vermuten hinter dem Verschwinden des Kindes eine Entführung durch den Vater, der von Sara getrennt lebt und in der Vergangenheit mehrfach durch Gewaltausbrüche auffällig geworden ist. Frederika Bergmann ist jedoch von der Schuld des Mannes nicht überzeugt und verfolgt andere Spuren, was ihr schnell den Unmut ihrer Kollegen einbringt. Als wenig später aber die Leiche des kleinen Mädchens gefunden wird und kurz darauf ein weiteres Kind verschwindet, scheint sich die Theorie von Frederika zu bestätigen…

Eine junge Mutter lässt ihr kleines schlafendes Kind alleine im Zug liegen, um im Bahnhof ein Telefonat zu führen – dieses Szenario wirkt nicht besonders glaubwürdig, stellt aber die Ausgangssituation zu Kristina Ohlsson Debütroman „Aschenputtel“ dar und muss folglich erstmal so hingenommen werden. Viel Zeit um darüber nachzudenken bleibt dem Hörer sowieso nicht, denn die Autorin schlägt direkt zu Beginn ein ordentliches Erzähltempo an. Zudem weiß man als erfahrener Krimileser: Die ersten Stunden nach dem Verschwinden einer Person sind die wichtigsten und entscheiden meist über Leben und Tod des Vermissten. Folglich läuft die Suche nach dem Kind auf Hochtouren und der Schuldige scheint schnell gefunden. Vieles deutet auf den eigenen Vater hin, dessen Verhältnis zur Kindsmutter schwer geschädigt ist und der somit ein augenscheinliches Motiv für die Entführung hätte.

Ein Ermittlungsteam mit internen Differenzen

Davon sind auch zwei der drei Hauptfiguren überzeugt, zum einen der Leiter der Ermittlungen, Alex Recht, sowie sein Kollege Peder Rydh. Die neue Mitarbeiterin des Polizeiteams, Frederika Bergmann, will sich aber so schnell nicht auf eine Ermittlungsrichtung festlegen und geht jedem kleinen Hinweis nach – was in den Augen ihrer männlichen Kollegen aber reine Zeitverschwendung ist. Warum das so ist, scheint aber nicht nachvollziehbar, zumal gerade Alex Recht fast schon penetrant als lebende Polizeilegende dargestellt wird mit einem unnachahmlichen Bauchgefühl, was die Verbrechensbekämpfung angeht. Woher dieser gute Ruf stammt, bleibt aber rätselhaft, denn offensichtlich wichtige Details werden von ihm völlig außer Acht gelassen und die Ermittlungen dadurch in eine falsche Richtung geleitet – mit fatalen Folgen. Statt auf ordentliche Polizeiarbeit legen Recht und Rydh offenbar mehr Wert auf die Diskriminierung ihrer weiblichen Mitarbeiterin Frederika Bergmann, die aufgrund ihrer geringen Erfahrung und ihrer Ausbildung anscheinend als inkompetent angesehen wird und für den Polizeidienst völlig ungeeignet sei. Diese machohafte Einstellung sorgt sehr schnell dafür, dass die beiden Polizisten sehr schnell sehr unsympathisch werden und dem Hörer praktisch nichts anderes übrig bleibt, als sich mit Frederika zu solidarisieren.

Zu viel Beziehungschaos der Protagonisten hemmt die Geschichte

Was ebenfalls stört sind die ausschweifenden Schilderungen über das Privatleben der Ermittler. Das kann man ja gerne bei einem oder zwei Protagonisten machen, aber ich muss nicht wissen, wie der Beziehungsstatus und die privaten Probleme jedes Mitarbeiters auf dem Polizeirevier aussehen. Es interessiert mich auch eher wenig, warum Frederika Bergmann gerne mit älteren verheirateten Männern schläft, Peder Rydh seine depressive Frau betrügt oder was Alex Recht auf dem Herzen liegt. Natürlich können solche Hintergründe immer auch von Nutzen sein und die Ermittler auch von ihrer menschlichen Seite zeigen, doch irgendwie distanziert man sich bei „Aschenputtel“ dadurch eher von den Hauptfiguren anstatt sich mit ihnen verbunden zu fühlen.

Spannende Geschichte voller menschlicher Abgründe

Das ist vor allem deshalb schade, weil die eigentliche Geschichte um das verschwundene und später ermordete Kind eigentlich alles hat, was ein guter Thriller braucht. Man ist durch die Bahnhofsszene am Anfang direkt in der Handlung drin und der Zeitdruck sorgt auch für ein angenehmes Erzähltempo, sodass eigentlich keine Langeweile aufkommt. Zudem legt Kristina Ohlsson einige falsche Fährten, und das so geschickt, dass das Buch lange Zeit fast schon vorhersehbar wirkt und man sich bereits als cleverer Hörer fühlt, der den Fall schnell durchschaut hat – bis es am Ende doch ganz anders kommt. Auch die Thematik des Thrillers ist gut gewählt und zeigt Abgründe auf, die man eigentlich gar nicht wirklich sehen möchte. Zwar wird dies alles wenig blutrünstig geschildert, doch das ändert nichts an der erschütternden Geschichte, die Kristina Ohlsson in „Aschenputtel“ erzählt.

Der Sprecher:
Das Hörbuch wird gelesen von Uve Teschner, der sich mittlerweile durch Titel wie die Vincent-Kliesch- oder Richard-Laymon-Thriller zu einem der beliebtesten Sprecher in diesem Genre entwickelt hat – und das mit Recht. Teschner liest vielleicht nicht ganz so lebhaft wie ein David Nathan, doch gerade zu dieser schweren Thematik rund um Kindesentführungen und -missbrauch passt seine zurückhaltende Art sehr gut. Zudem versteht es der Sprecher hervorragend, seine Lesegeschwindigkeit der Handlung anzupassen, wodurch ruhige Momente noch ein wenig eindringlicher und actionreichere Passagen noch dramatischer werden. Insgesamt eine Sprecherleistung, an der es nicht viel auszusetzen gibt – vielleicht hätte man die einzelnen Protagonisten noch ein wenig besser differenzieren können, doch das ist auch schon alles.

Schlussfazit:
Mit ihrem Debüt „Aschenputtel“ hat die Schwedin Kristina Ohlsson einen gelungenen Thriller hingelegt, der vor allem durch seine spannende und erschütternde Geschichte überzeugt. Für zartbesaitete Gemüter ist das Hörbuch vielleicht nicht unbedingt das richtige, was weniger an ausufernden Gewaltszenen als an der traurigen Thematik liegt, denn Krimis mit Kindern in der Opferrolle sind in der Regel immer alles andere als leichte Kost.

Fesselnde und traurige Geschichte mit Schwächen bei den Ermittlerfiguren

Wer damit umgehen kann, der sollte aber durchaus mal in das Hörbuch reinhören, denn die Story schafft es wirklich, den Hörer bis zum dramatischen Ende zu fesseln. Was mir persönlich nicht so gefallen hat sind die drei Hauptfiguren aus dem Polizeiteam, bei denen mir irgendwie die Identifikationsfigur gefehlt hat. Zudem wirken gerade die männlichen Protagonisten alles andere als kompetent und agieren nicht immer nachvollziehbar. Zudem nimmt mir das Privatleben der Ermittler einen zu großen Teil der Geschichte ein. Ob Alex Recht, Frederika Bergmann und Peder Rydh nun die optimalen Charaktere für eine Krimireihe sind, kann ich daher noch nicht endgültig sagen. Ein zweiter Teil mit dem Ermittlertrio ist in Schweden jedenfalls schon erschienen und wird unter dem Titel „Tausendschön“ am 10. September 2012 auch auf dem deutschen Buchmarkt veröffentlicht.

Meine Wertung: 8/10

Informationen:
„Aschenputtel“ von Kristina Ohlsson hat eine Spieldauer von 11 Std. und 44 Min. und ist ungekürzt für 20,95 € bei audible.de erhältlich. Eine auf knapp sieben Stunden gekürzte Version gibt es schon für 13,95 €. Im Flexi-Abo kosten beide Hörbücher wie gewohnt nur 9,95 €. Weitere Informationen gibt es auf der Detail-Seite bei Audible.

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