Autor: Neil Cross
Umfang: 304 Seiten
Verlag: Dumont
Erscheinungsdatum: 27. Januar 2012

Klappentext:
DCI John Luther ist ein exzellenter Ermittler. Er ist geachtet unter den Kollegen. Doch ab und zu, wenn es spät wird und ein, zwei Drinks zu viel über die Theke gehen, erzählt man sich, dass John Luther böse ist. Und in der Tat: Eine heftige Wut brodelt in ihm, eine Wut, die er nur schwer kontrollieren kann. Manchmal lässt sie ihn Dinge tun, die weit über die Grenze des Legalen hinausgehen. Sein aktueller Mordfall strapaziert diese Grenze über die Maßen: Ein Ehepaar ist auf bestialische Weise ermordet worden, und der Mörder hat das Kind entführt. Die Chancen stehen gut, dass es noch lebt. Doch Luther weiß nicht, ob er ihm das wünschen soll …

Meine Buchbesprechung:
Wer seine Sonntagabende gelegentlich vor dem Fernseher verbringt und dabei auch mal im ZDF landet, der dürfte vielleicht schon auf die britische Krimiserie „Luther“ gestoßen sein. Im Fokus steht Detective Chief Inspector (DCI) John Luther, ein genialer Ermittler, der aber auch dafür bekannt ist, gelegentlich moralische und gesetzliche Grenzen zu überschreiten, um seine Fälle aufzuklären und für Gerechtigkeit zu sorgen. Dargestellt wird Luther vom britischen Schauspieler Idris Elba, der für seine Rolle sogar mit dem Golden Globe als bester Hauptdarsteller in einer Mini-Serie oder einem Fernsehfilm ausgezeichnet wurde. Der Roman „Luther. Die Drohung“ stammt vom Serienerfinder Neil Cross und schildert die Vorgeschichte der Krimireihe, ist zeitlich also vor der ersten Episode angesetzt.

Die Vorgeschichte zur erfolgreichen BBC-Serie „Luther“

In dem Buch bekommt es DCI John Luther mit einem grauenvollen Doppelmord an einem Ehepaar zu tun. Tom und Sarah Lambert wurden in ihrem eigenen Haus brutal abgeschlachtet und verstümmelt und der Anblick des Blutbades setzt selbst dem erfahrenen Ermittler sehr zu. Besonders tragisch wird das Verbrechen durch die Tatsache, dass die Frau im achten Monat schwanger war und ihr Mörder ihr das ungeborene Kind aus dem Leib geschnitten hat. Allerdings bestehen durchaus noch Chancen, dass das Baby möglicherweise noch am Leben ist und so sucht die Londoner Polizei mit allen Kräften nach dem Täter und dem Säugling.

Ein grausamer Mord an einem Ehepaar und die Entführung eines Babys

Bei ihren Ermittlungen entdecken Luther und seine Kollegin Isobel Howie Gemeinsamkeiten zu einem bereits mehrere Jahre zurückliegenden Fall, in dem ein kleiner Junge spurlos verschwunden ist und dessen Schicksal immer noch ungeklärt ist. Eine bekannte Radiomoderatorin berichtete damals über die vermeintliche Entführung und wird wenig später auch in den Fall Lambert verwickelt, als nämlich ein Mann während ihrer Sendung anruft und angibt, der Mörder des Ehepaares zu sein. Zudem bestätigt er die Hoffnungen der Polizei, dass das Kind noch am Leben ist. Für John Luther beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, der ganz London in Atem hält…

DCI John Luther – ein Ermittler zwischen Genie und Wahnsinn

Im Klappentext des Buches wird DCI Luther als Person dargestellt, der zwar einerseits ein exzellenter Ermittler ist, aber auch von einer heftigen Wut angetrieben wird, die aus ihm offenbar einen bösen Menschen macht. Davon ist im Roman aber lange nichts zu sehen. Zwar merkt man schnell, dass man es bei der Hauptfigur mit einem sehr guten Polizisten zu tun hat, doch die groß angekündigte dunkle Seite sucht man erst einmal vergeblich. Luther wirkt gewissenhaft und hat offenbar ein sehr starkes Bedürfnis nach Gerechtigkeit, was ihn auf Anhieb eigentlich recht sympathisch wirken lässt. Zudem zeigt er auch immer wieder seine sanfte und liebevolle Seite, zum Beispiel wenn er mit seiner Ehefrau Zoe zusammen ist oder sich um einen alten Mann kümmert, der von einem skrupellosen Immobilienhai mit allen Mitteln aus seinem Zuhause vertrieben werden soll. Doch trotz aller Fürsorge kann auch er nicht verhindern, dass seine Ehe kaum noch zu retten ist. Zwar merkt man fast in jeder gemeinsamen Szene, wie sehr Luther seine Frau liebt, doch seinen harten Berufsalltag mit all seinen Grausamkeiten kann er im Privatleben nie ausblenden, was seine Beziehung zu Zoe sehr belastet. Auch die von ihr gestellten Ultimaten, sich endlich mal eine Auszeit zu nehmen, kann er nicht erfüllen – zu sehr nehmen ihn Fälle wie der Mord an den Lamberts und die Entführung des Babys mit.

Ungefähr in der Mitte des Buches kommt es dann aber plötzlich zu einem Wandel, als Luther bei der Vernehmung eines Zeugen wie aus heiterem Himmel über die Stränge schlägt. Ab dieser Szene häufen sich die Aussetzer und es wird deutlich, woher der zweifelhafte Ruf des Ermittlers stammt. Als Leser steht man diesem Verhalten des Polizisten zwiespältig gegenüber: Auf der einen Seite will man seine Eskapaden mit dem Streben nach Gerechtigkeit entschuldigen, zumal Luther seine Wut immer gegen Menschen richtet, die selbst alles andere als unschuldig sind: Schläger, Mörder oder Pädophile. Andererseits sind seine Taten sehr bedenklich und setzen sich weit über gesellschaftliche und gerichtliche Regeln hinweg. Durch diese verschiedenen Facetten wird DCI John Luther zu einer tragischen Figur, welche aber eine enorme Faszination auf den Leser ausübt.

Mitreißende Geschichte und eine düstere, fesselnde Atmosphäre

Die Geschichte selbst um einen Doppelmord an einem wohlhabenden Ehepaar und einer Kindesentführung ist nicht wirklich herausragend konstruiert, doch spannend und mitreißend ist sie allemal. Das liegt zu einem großen Teil an der sehr düsteren Atmosphäre, die Neil Cross in seinem Roman erzeugt. Man lernt die Schattenseiten der englischen Hauptstadt kennen und liest von Gewalt und Tod. Vor allem die öffentliche Jagd nach dem Mörder durch das Mitwirken der Londoner Medien, speziell des involvierten Radiosenders, wird eindringlich geschildert und liefert auch einen der stärksten Momente des Romans. In einer Passage listet Cross nämlich minutiös und sehr knapp Ereignisse auf, die alle innerhalb einer Nacht stattfinden und mehr oder weniger mit dem Fall zu tun haben und vor allem auf die Sensationsgier der Medien zurückzuführen sind. Hier werden dann unschuldige Ausländer von einem Lynchmob verfolgt, weil in Presse und TV vor einem großen, schwarzen Mann in Verbindung mit Kindergeschrei gewarnt wurde. In vielen Büchern wird immer geschrieben, wie sehr ein Verbrechen eine ganze Stadt in Atem hält – bei „Luther. Die Drohung“ kann man es aber auch tatsächlich spüren.

Ein Roman wie ein Drehbuch

Bemerkenswert ist auch noch der Schreibstil des Autors. Dieser ist zwar wenig elegant und beschränkt sich weitestgehend auf einfache, präzise Sätze, noch dazu ist die gesamte Handlung im Präsens geschrieben, was anfangs ein wenig ungewöhnlich wirkt. Allerdings verfehlt der Stil nicht seine Wirkung: Die Geschichte wird schnörkellos und ohne große Ausschmückungen erzählt, außerdem erinnert der Roman oft an ein Drehbuch, sodass man sich viele Szenen sehr bildhaft vorstellen kann.

Schlussfazit:
„Luther. Die Drohung“ ist ein sehr spannender und mitreißender Roman, der auch als eigenständige Geschichte fernab der TV-Serie funktioniert, in Kombination mit dieser aber vermutlich noch faszinierender ist. Er besticht durch seine sehr charismatische Hauptfigur, die sich immer auf einem sehr schmalen Grat zwischen genialem Ermittler und brutalen Rächer bewegt, aber auch oft ihre weiche Seite zeigt und z.B. um die Opfer der Verbrechen weint.

Packender Thriller mit toller Hauptfigur

Weder ragt die Handlung besonders heraus, noch gewinnt der etwas eigenwillige Schreibstil einen Schönheitspreis, doch sein Ziel erreicht Autor Neil Cross allemal: Er nimmt den Leser gefangen und lässt ihn für die Länge des Buches auch nicht wieder los. Gerade die düstere und bedrohliche Atmosphäre zählt zu den großen Stärkes des Romans. Alles in allem ein packender Thriller mit einer tollen Hauptfigur, der nicht nur Fans der TV-Serie überzeugen dürfte. Ich werde mir jedenfalls nun die DVD der ersten „Luther“-Staffel vornehmen, denn ich kann kaum erwarten, wie es um DCI John Luther weiter geht.

Meine Wertung: 9/10

Informationen:
„Luther. Die Drohung“ von Neil Cross ist im Dumont Verlag erschienen und hat einen Umfang von 304 Seiten. Das Buch ist für 9,99 € als Taschenbuch erhältlich. Weitere Infos gibt es auf der Verlags-Homepage.

Kommentar verfassen: