Autor: Linda Castillo
Sprecher: Tanja Geke
Länge: 12 Std. 14 Min. (ungekürzt)

Inhaltsbeschreibung von audible.de:
Sie töteten alle Mitglieder der Familie Plank. Die Leichen des Vaters und der beiden Söhne fand man im Wohnhaus, die der Mutter und des Babys auf dem Weg zur Scheune. Doch niemand war auf das vorbereitet, was sie in der Scheune fanden. Die beiden Mädchen, gefoltert und misshandelt. Die Familie gehörte zur amischen Gemeinde in Painters Mill, Ohio, sie lebten getreu ihren Glaubensgrundsätzen von Schlichtheit und Bescheidenheit, waren gottesfürchtige Leute. Fernab von den Verführungen der Zivilisation. Oder enthüllt das Tagebuch der ältesten Tochter eine andere Wahrheit?

Meine Hörbuchbesprechung:
Officer Skidmore schiebt in der Kleinstadt Painters Mill in Ohio wieder mal eine seiner ungeliebten Nachtschichten, als er plötzlich laute Schreie in der Umgebung hört. Der Polizist geht den Geräuschen nach, die vermutlich von einer benachbarten Farm stammen. Als er am Haus der Familie Plank ankommt, bietet sich ihm ein Bild des Grauens. Alle sieben Familienmitglieder – die Eltern, zwei Söhne, zwei Töchter und ein neugeborenes Baby – wurden brutal ermordet, die beiden jugendlichen Mädchen sogar gefoltert und aufgehängt.

Grausames Massaker an einer siebenköpfigen Amish-Familie

Als die Polizeichefin von Painters Mill, Kate Burkholder, zum Tatort gerufen wird, ist sie ebenfalls schockiert. Sie kann das schreckliche Verbrechen kaum fassen, zumal die Familie Plank der als friedfertig geltenden Amish-Gemeinde der Stadt angehörte. Bei den Ermittlungen stellt sich dann auch noch heraus, dass die fünfzehnjährige Tochter Mary zum Zeitpunkt des Todes schwanger war. Bei der eher konservativen Glaubensgemeinschaft wird Sex vor der Ehe nicht wirklich gutgeheißen, weshalb Chief Burkholder einen Zusamenhang zum Massaker an der Familie vermutet. Stammt der Mörder auch aus der Amish-Gemeinde oder hat das Mädchen in der Stadt einen Außenstehenden kennengelernt, der gegen Marys Schwangerschaft war und die Planks deshalb ermordete?

Zweiter Teil der Kate-Burkholder-Serie um die Polizeichefin einer Kleinstadt in Ohio

„Blutige Stille“ ist der zweite Roman der Autorin Linda Castillo rund um die noch relativ junge Polizeichefin Kate Burkholder. Bereits im ersten Band musste diese einen Serienmörder jagen, der unzählige Frauen ermordete. Bei dem Aufeinandertreffen mit dem Killer kam Kate nur knapp mit dem Leben davon und muss sich nur rund ein Jahr später erneut mit einem aufsehenerregenden Verbrechen in der sonst eher ruhigen Kleinstadt Painters Mill befassen. Ihr zur Seite gestellt wird wieder der Agent John Tomasetti vom BCI (Bureau of Criminal Apprehension and Identification), mit dem Kate schon im Vorgänger zusammengearbeitet hat und zu dem sie seit den damaligen Ereignissen eine lockere Affäre pflegt.

Ermittlungsarbeit im Umfeld der Amish-Gemeinde

Wie schon in „Die Zahlen der Toten“ hat Linda Castillo auch dieses Mal die Handlung wieder zu großen Teilen in die Amish-Gemeinde Painters Mills verlegt. Die Amischen sind eine sehr konservative Glaubensgemeinschaft, die weitgehend autark lebt, technischen Fortschritt größtenteils ablehnt und streng nach den Geboten Gottes lebt. Sie leben eher etwas zurückgezogen und halten sich von der übrigen Bevölkerung – den „Englischen“ – nach Möglichkeit fern. Auch Kate Burkholder wurde als Amische geboren, hat sich aber vor vielen Jahren gegen das Leben in der Gemeinde entschieden und hat seitdem nur noch wenig Kontakt zu ihren ehemaligen Glaubensbrüdern und -schwestern. Aufgrund ihrer Abstammung ist sie über den Massenmord besonders schockiert, da sie aus eigener Erfahrung von der Friedfertigkeit dieser Menschen weiß. Da die Bluttat einen krassen Verstoß gegen die Gebote der Amischen darstellt, ist Kate von Anfang an überzeugt, dass es sich beim Mörder um einen Außenstehenden handeln muss. Als sie dann noch von Marys Schwangerschaft erfährt, wähnt sie sich auf der richtigen Spur und weitet ihre Ermittlungen in diese Richtung aus.

Wurde das Amish-Thema im ersten Band noch eher rudimentär behandelt, so nutzt Linda Castillo das Potenzial dieses Szenarios nun viel besser aus. Der Hörer erfährt deutlich mehr über das Leben in der Glaubensgemeinschaft und die Sitten der Amischen als im Vorgänger. So gibt es zum Beispiel hin und wieder auch ein paar Zeilen in der Amish-Sprache Pennsylvaniadeutsch, die ihren Ursprung im Pfälzischen hat. Ein großes Augenmerk wird auch auf die sogenannte „Rumspringa“-Phase gelegt, in der die jugendlichen Mitglieder der Gemeinde zu sich selbst finden sollen und auch Erfahrungen außerhalb der Amish-Welt sammeln dürfen. In dieser Zeit gelten die religiösen Regeln für sie nur bedingt und so kommt es nicht selten zu ausschweifenden Kontakten mit Partys, Alkohol, Drogen oder auch Sex. Nach dieser Phase dürfen die Jugendlichen dann entscheiden, ob sie der Glaubensgemeinschaft weiter angehören möchten oder wie Kate Burkholder lieber ein Leben außerhalb führen wollen. Auch die ermordete schwangere Tochter der Planks befand sich gerade in ihrer Selbstfindungsphase und Castillos Geschichte zeigt sehr glaubwürdig, welche Probleme sich in dieser Zeit für die jungen Amischen ergeben können.

Burkholder und Tomasetti – gescheiterte Existenzen im Doppelpack

Durch das Auftauchen von Agent Tomasetti wird natürlich auch die Liebesgeschichte zwischen ihm und Kate wieder aufgewärmt. Während diese im ersten Teil jedoch noch völlig deplatziert und unglaubwürdig wirkte, so hat sie im zweiten Teil absolut ihre Daseinsberechtigung. Da Burkholder und Tomasetti beide nicht weit von einer gescheiterten Existenz entfernt sind und durch ihre jeweilige Vergangenheit mit ernsthaften Problemen behaftet sind, sollte man jedoch keine romantische und kitschige Lovestory erwarten. Es wird klar, dass die beiden einander brauchen, um ihr Leben meistern zu können, doch eigentlich ist sich Kate auch nicht sicher, ob sie diese Beziehung wirklich weiterführen möchte. Wie schon in „Die Zahlen der Toten“ trägt John Tomasetti zwar auch diesmal nicht übermäßig viel zur Aufklärung des Falls bei, doch durch seinen „heilenden“ Einfluss auf Kate hat er diesmal durchaus eine Daseinsberechtigung.

Spannende Spurensuche mit Liebe zum Detail

Auch die Geschichte um den Kriminalfall kommt im zweiten Teil deutlich ausgereifter daher. Während die Serienmörder-Story aus dem Vorgänger lange Zeit ein wenig vor sich herplätscherte, so bleibt der Leerlauf im Nachfolger fast vollständig aus. Mir hat besonders die bodenständige und realistische Ermittlungsarbeit gefallen, die nach dem blutigen Auftakt wenig reißerisch daherkommt und jederzeit glaubwürdig wirkt. Da wird schon mal mühsam einer Flasche Wein hinterhergeforscht, um damit eine Verbindung zwischen Verdächtigem und Opfer herstellen zu können. Manchmal dachte ich mir zwar schon „Haben die für solche Aufgaben nicht irgendwelche Streifenpolizisten?“, doch auf der anderen Seite zeigt diese akribische Spurensuche auch, wie wichtig kleine Details für die Auflösung eines Fall sein können. Das Erzähltempo von „Blutige Stille“ ist zwar nicht das höchste, jedoch entwickelt Castillo ihre Geschichte mit viel Sorgfalt, sodass nach und nach die Zusammenhänge zwischen den beteiligten Figuren enthüllt werden.

Die Sprecherin:
Wie schon der Vorgänger wird auch „Blutige Stille“ wieder von Tanja Geke gesprochen, einer deutschen Schauspielerin und Synchronsprecherin. Wer ihr Gesicht nun nicht von den frühen Folgen der Vorabendserie „Dr. Sommerfeld – Neues vom Bülowbogen“ kennt, dem dürfte aber vielleicht ihre Stimme vertraut vorkommen. Neben ihrer Rolle als Stammsprecherin von US-Schauspielerin Zoë Saldaña sprach sie u.a. auch Judy Reyes („Carla Espinosa“) in „Scrubs“, A.J. Cook („Jennifer Jareau“) in „Criminal Minds“ oder Annie Wershing („Renee Walker“) in „24“.

Tanja Geke – die perfekte Besetzung für die Rolle der Kate Burkholder

Wie schon in vielen anderen Hörbüchern konnte mich Geke auch dieses Mal wieder vollends überzeugen und zeigt hier eine ihrer besten Leistungen. Ihre Stimme passt perfekt zur Hauptfigur der Kate Burkholder und transportiert hervorragend den oft ausgelaugten und desillusionierten Zustand der Polizeichefin. Durch die Perspektive der Ich-Erzählerin wirkt die Lesung noch einmal ein ganzes Stück eindrucksvoller und ermöglicht es dem Hörer dadurch, sich gut in die Ermittlerin hineinzuversetzen. Besonders bemerkenswert ist zudem, dass Tanja Geke auch die männlichen Rollen absolut überzeugend meistert. Insgesamt eine tadellose und beeindruckende Sprecherleistung, mit der Geke meine persönliche Einschätzung als beste weibliche Hörbuchsprecherin wieder einmal bestätigt.

Schlussfazit:
„Die Zahlen der Toten“ war schon ein guter und spannender Thriller, hatte jedoch meiner Meinung nach aber drei gravierende Schwachstellen: 1. das verschenkte Potenzial des Amish-Szenarios, 2. die völlig unglaubwürdige Liebesbeziehung zwischen Burkholder und Tomasetti und 3. die anfangs sehr zähe Serienmörder-Story. Der Nachfolger „Blutige Stille“ hat die Stärken des Vorgängers wie die eindringliche Atmosphäre oder die interessante und vielschichtige Hauptfigur beibehalten und alle drei Kritikpunkte weitestgehend ausgemerzt. Es wird viel mehr auf das Leben der Amischen eingegangen, die Romanze der Protagonisten ist realistischer und fügt sich besser in die Geschichte ein und die Story ist vom Anfang bis zum dramatischen Ende mitreißend und sorgfältig konstruiert.

Deutlich stärker als der ohnehin schon gute Vorgänger

„Blutige Stille“ ist zwar kein besonders temporeicher Thriller, bietet dafür aber bodenständige Ermittlungsarbeit und facettenreiche Hauptfiguren sowie ein wirklich schockierendes Verbrechen als Aufhänger. Nach dem Massaker zum Auftakt bleibt die Geschichte zwar weitestgehend unblutig, ist dafür aber umso erschütternder, sodass sich die Fassungslosigkeit der Hauptfigur gut auf den Hörer überträgt. Wem „Die Zahlen der Toten“ schon gut gefallen hat, für den ist der zweite Teil der Kate-Burkholder-Serie ein absoluter Pflichtkauf, denn der ohnehin schon ordentliche Vorgänger wird noch einmal deutlich übertroffen. Da die Geschichte in sich abgeschlossen ist kann ich das Hörbuch aber auch allen anderen Thrillerfans nur ans Herz legen, auch wenn gewisse Vorkenntnisse wie immer in Krimireihen mit Sicherheit nicht schaden. Ich freue mich jedenfalls schon sehr auf den dritten Band „Wenn die Nacht verstummt“, der im Mai in deutscher Sprache erscheinen soll. An dieser Stelle gibt es auch noch eine ausdrückliche Empfehlung für die Hörbuchversion, denn die Lesung von Tanja Geke ist einfach nur gnadenlos gut.

Meine Wertung: 9/10

Informationen:
Das Hörbuch „Die Zahlen der Toten“ von Linda Castillo hat eine Länge von 12 Std. und 14 Min. und ist ungekürzt für 24,95 Euro bei audible.de erhältlich. Kunden mit Flexi-Abo bezahlen wie gewohnt nur 9,95 Euro. Weitere Infos gibt es auf der Detail-Seite bei audible.de.

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