Autor: Simon Beckett
Umfang: 432 Seiten
Verlag: rororo
Erscheinungstermin: 01. August 2008

Klappentext:
Asche zu Asche, Staub zu Staub, Leben zu Tod

Asche ist alles, was von ihr übrig geblieben ist. Fast alles. Als der Rechtsmediziner David Hunter die Überreste der Frau in einem verfallenen Cottage auf der schottischen Insel Runa zum ersten Mal erblickt, weiß er sofort: Dieser Tod war kein Unfall. Er will seine Erkenntnisse dem Superintendenten mitteilen, doch die Leitung bleibt tot. Ein Sturm hat die Insel von der Außenwelt abgeschnitten. Da geschieht ein weiterer Mord …

Meine Buchbesprechung:
Nachdem der forensische Anthropologe Dr. David Hunter gerade erst eine anstrengende Woche im schottischen Hochmoor verbracht hat, um dort die Leiche einer jungen Frau zu untersuchen, freut er sich eigentlich sehr auf die Heimreise nach London, wo seine Freundin Jenny auf ihn wartet. Am Flughafen erreicht ihn jedoch der Anruf von Detective Superintendent Wallace vom Polizeipräsidium Inverness, der Hunter um seine Hilfe bittet. Auf der kleinen Insel Runa an der Westküste Schottlands wurde in einem verlassenen Cottage eine verbrannte Leiche entdeckt. Da aufgrund eines schweren Zugunglückes alle Einsatzkräfe und Mitarbeiter der Spurensicherung nicht zur Verfügung stehen, soll der Forensiker im Alleingang einen Blick auf den Tatort und das Opfer werfen und feststellen, ob eine intensivere Untersuchung des Todesfalls notwendig ist.

Mord auf einer abgelegenen Insel vor der schottischen Westküste

Nachdem David Hunter mit einer Fähre nach Runa übergesetzt hat, sucht er gemeinsam mit Sergeant Fraser, Constable McKinney und dem Ex-Polizisten Andrew Brody den Tatort auf, wo sich ihnen ein ungewöhnliches Bild bietet. Die Leiche ist fast vollständig zu Asche verbrannt, lediglich die Extremitäten sind ebenso unversehrt wie der Großteil des Cottages. Die Todesursache bleibt zunächst rätselhaft und selbst eine spontane menschliche Selbstentzündung wird kurzzeitig als Theorie in Betracht gezogen, bis Hunter bei dem immerhin schon als weiblich identifizierten Opfer eine Schädelverletzung erkennt, die nur die Folge eines schweren Schlages auf den Kopf sein kann. Die Frau wurde also ermordet, und da seit Wochen niemand mehr die Insel verlassen hat, muss sich der Mörder noch auf der Insel befinden…

Der zweite Fall für den Gerichtsmediziner David Hunter

„Kalte Asche“ ist der zweite Teil der David-Hunter-Reihe des britischen Autors Simon Beckett und verschlägt den forensischen Anthropologen aus London wie schon im Vorgänger „Die Chemie des Todes“ an einen abgeschiedenen Ort, wo seine fachmännische Hilfe benötigt wird. War im ersten Band noch ein kleines Dorf der Schauplatz der Geschichte, so verlegt Beckett die Handlung diesmal auf eine kleine Insel vor der schottischen Küste, welche in puncto Abgeschnittenheit noch einmal eine Steigerung zum englischen Dorfleben darstellt. Das fiktive Eiland Runa gehört zu den Äußeren Hebriden, einer kleine Inselgruppe rund 60 Kilometer vor dem Festland und liegt damit – auf gut Deutsch gesagt – am Arsch der Welt.

Klischeebehaftetes Inselszenario, welches aber erstaunlich gut funktioniert

Nach der Fährüberfahrt und der Ankunft auf Runa kann man sich dann als geübter Krimileser schon ungefähr vorstellen, wie es weitergeht, denn Simon Beckett greift bei seiner Geschichte auf nahezu alle erdenklichen Insel-Klischees zurück. Natürlich ist Runa wie eine eigene kleine Welt fernab des „modernen“ und hektischen Lebens am Festland, natürlich werden Hunter und die beiden Polizisten von den mürrischen Einwohnern kritisch beäugt, natürlich zieht nach wenigen Kapiteln ein schwerer Sturm auf und natürlich ist die Insel dann vollständig vom Festland abgeschnitten und die Kommunikation bricht völlig zusammen. Ebenso schablonenartig sind auch die Charaktere gestaltet: Abgesehen von David Hunter gibt es da zum Beispiel Sergeant Fraser, der großspurig den erfahrenen Festland-Polizisten heraushängen lässt und sich damit nicht nur bei den Einwohnern von Runa unbeliebt macht oder den jungen Constable McKinney, der nahezu in allem das genaue Gegenstück zu seinem unausstehlichen Partner darstellt: sympathisch, aufgeschlossen, tatkräftig und wissbegierig. Dazu kommt dann noch ein alter Hase in Person von Andrew Brody, einem ehemaligem Inspektor mit bewegter Familiengeschichte, dessen Ehrgeiz durch den mysteriösen Todesfall noch einmal neu geweckt wird – was Fraser zur Weißglut treibt, schließlich habe sich kein Außenstehender in seinen Fall einzumischen. Komplettiert wird das Ganze von dem Großunternehmer Michael Strachan, der sich mit seiner (natürlich atemberaubend schönen) Frau in die Ruhe Runas zurückgezogen hat und das altmodische Inselkaff zu neuem Glanz erstrahlen ließ.

Simon Beckett beweist also nicht besonders viel Originalität bei der Auswahl seines Schauplatzes und seiner Hauptfiguren, doch das macht ehrlich gesagt überhaupt nichts, denn dieser kleine Insel-Mikrokosmos funktioniert fast schon unverschämt gut. Bei mir kann der Autor mit seinem überschaubaren Szenario ohnehin punkten, denn ich mag einfach diese natürlichen Limitierungen von Ort und Figurenanzahl und das damit verbundene „Der-Mörder-steckt-mitten-unter-uns“-Szenario. Ohne zu viel verraten zu wollen, bleibt es selbstverständlich auch nicht bei dem eingangs erwähnten Opfer, sodass sich die Spannung durchgängig auf einem sehr hohen Niveau bewegt. Das liegt auch daran, dass der Autor die Vorteile seines Settings gekonnt ausnutzt: Die Atmosphäre ist wie zu erwarten kühl und unwirtlich und wird vom stürmischen Wetter noch verstärkt, zudem spielt Beckett immer wieder mit dem Faktor Einsamkeit. Da muss die Hauptfigur dann mitten in der Nacht über verlassene Feldwege und vorbei an unheimlichen Hügelgräbern stolpern oder dem dichten Nebel oder peitschendem Regen trotzen. Auch die Figurenkonstellation funktioniert hervorragend und bietet reichlich Konfliktpotenzial, sodass keinerzeit Langeweile aufkommt.

Sympathische Hauptfigur mit Forensik-Crashkurs

Trotzdem steht und fällt die Geschichte natürlich mit ihrer Hauptfigur, doch auch in diesem Punkt kann „Kalte Asche“ überzeugen. David Hunter ist mir persönlich grundsympathisch und eignet sich allein dadurch schon hervorragend als Protagonist. Außerdem liefert seine Figur als Forensiker einige interessante Fakten und Erklärungen, die zwar nicht immer neu sind aber die wissenschaftlichen Aspekte sehr anschaulich an den Leser bringen. Mir hat auch gut gefallen, dass Hunters private Situation im Vergleich zu „Die Chemie des Todes“ etwas mehr im Hintergrund steht. Zwar spielt die Beziehung zu seiner schon aus dem Vorgängerroman bekannten Freundin Jenny schon eine Rolle, allerdings nehmen diese Szenen deutlich weniger Raum ein und beschränken sich auf ein paar wenige Telefonate. Das kommt der Story aus meiner Sicht zugute, da diese dadurch nicht unnötig an Tempo verliert. Zum Ende gibt es sogar noch einen besonderen Leckerbissen, denn Simon Beckett hat für seine Leser gleich zwei überraschende Storytwists auf Lager, von denen besonders der zweite dafür sorgt, dass man direkt den dritten Band „Leichenblässe“ in die Hand nehmen möchte.

Schlussfazit:
Simon Beckett hat auch mit seinem zweiten David-Hunter-Roman einen spannenden Thriller hingelegt, der eigentlich fast komplett ohne Schwachstellen auskommt. Gleich von Beginn an entwickelt sich eine atmosphärisch sehr dichte Story mit einigen dramatischen Wendungen, die das hohe Spannungsniveau über die gesamte Distanz halten kann und den Leser so schnell nicht wieder los lässt. Dabei stört es auch kaum, dass Beckett bei seiner Geschichte auf einige Klischees zurückgreift, die vor allem das Insel-Setting betreffen.

Spannender und atmosphärisch dichter Insel-Thriller – noch besser als „Die Chemie des Todes“

Im Vergleich zum Vorgänger ist „Kalte Asche“ aus meiner Sicht sogar noch einen Tick besser, was vor allem daran liegt, dass der Autor sich voll auf seine Handlung konzentriert und das Privatleben seiner Hauptfigur eher in den Hintergrund stellt. Wer also bereits „Die Chemie des Todes“ mochte, der sollte sich auch den Nachfolger nicht entgehen lassen, denn dieser funktioniert nach einem sehr ähnlichen Schema. Zwar fehlt es dem Thriller an allzu großem Anspruch, doch für wen der Unterhaltungsaspekt im Vordergrund steht, der wird mit David Hunters zweitem Fall bestens bedient.

Meine Wertung: 9/10

Informationen:
„Kalte Asche” von Simon Beckett ist im rororo-Verlag erschienen und hat einen Umfang von 432 Seiten. Das Buch ist für 9,99 € als Taschenbuch erhältlich. Weitere Infos auf der Verlags-Homepage.

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