“Der Pfad des Rächers”, der zweite Band der “18/4”-Trilogie des chinesischen Autors Zhou Haohui, sammelt bereits die ersten Pluspunkte, noch bevor die Handlung überhaupt beginnt, denn: er liefert vorab eine kurze Zusammenfassung der Geschehnisse des Auftaktromans. Das ist nicht nur eine nette Aufmerksamkeit gegenüber den Leser:innen, sondern auch sehr hilfreich, denn “18/4: Der Hauptmann und der Mörder” erzählte eine Geschichte, die nicht nur ungemein spannend und raffiniert konstruiert war, sondern zudem auch insgesamt sehr komplex ausfiel.
Das Vermächtnis des Serienmörders “Eumenides”
Darüber hinaus schließt die Fortsetzung auch noch unmittelbar an das Finale des ersten Buches an, indem der berüchtigte Killer “Eumenides” in einer selbst herbeigeführten Explosion ums Leben gekommen ist. Doch der trickreiche Mörder hatte für sein Ableben vorgesorgt und sein tödliches Lebenswerk frühzeitig in die Hände eines jungen Nachfolgers übergeben. So können sich der Hauptmann Pei Tao und seine Sondereinheit “18/4” nicht auf dem vermeintlichen Erfolg ihrer Ermittlungen ausruhen, sondern werden ohne Verschnaufpause mit der Fortsetzung der perfiden “Eumenides”-Mordserie konfrontiert. Die Handschrift des verstorbenen Täters wird dabei von seinem Nachfolger fortgeführt, denn auch die nächsten Opfer erhalten vor ihrem Tod wieder Todesanzeigen mit dem genauen Datum ihrer Ermordung.
Wenig Neues und dennoch voller Überraschungen
Nun klingt diese Ausgangslage oberflächlich wie ein Neuaufguss der Geschehnisse des ersten “18/4”-Bandes und da der Autor diesmal auch um die Identität des zweiten “Eumenides” kein großes Geheimnis macht, könnte man zur Annahme gelangen, dass bei “Der Pfad des Rächers” früh die Luft raus ist. Doch das Gegenteil ist der Fall, denn Zhou Haohui schafft es dennoch erneut, eine fesselnde Geschichte zu entwickeln, bei der die Spannung auf zwei Ebenen erzeugt wird. Zum einen hält die neuerliche Mordserie Ermittler und Leser:innen gleichermaßen in Atem, vor allem weil der Killer auch diesmal wieder scheinbar Unmögliches vollbringt und selbst in ausweglosen Situationen reüssiert. Zum anderen aber auch, weil Pei Tao und sein Team unter Hochdruck versuchen, die Hintergründe der Morde und die Beweggründe des Täters zu verstehen und ihn dadurch stoppen zu können. Hier gelingen Zhou Haohui wieder einige unvorhergesehene Wendungen und Enthüllungen, welche eine ähnliche Sogwirkung wie beim Auftaktband erzeugen.
Steht dem ersten Band der “18/4”-Trilogie in nichts nach
Eine kleine Warnung muss man aber auch diesmal wieder aussprechen, denn “Der Pfad des Rächers” ist wie schon der Vorgänger kein Thriller, von dem man sich mal eben nebenbei berieseln lassen kann. Dafür ist die Handlung zu verflochten und zusammen mit den Geschehnissen des ersten Romans zu komplex, sodass man schon am Ball bleiben muss, um bei dem vielschichtigen Gesamtbild den Überblick zu behalten. An dieser Stelle kommt auch wieder erschwerend hinzu, dass die Namen der Beteiligten für westliche Gewohnheiten nicht ganz einfach ausfallen und sich häufig auch stark ähneln, was es manchmal etwas knifflig macht, die Protagonist:innen auseinanderzuhalten oder richtig zuzuordnen. Mit ein wenig Konzentration ist aber auch dies keine unüberwindbare Hürde und man wird für den Aufwand mit einem weiteren raffinierten Pageturner belohnt, der nach etwas ruhigem Beginn mit zunehmender Dauer immer mehr Fahrt aufnimmt und in einem furiosen Showdown mündet – der aber immer noch nicht das Ende der Geschichte bedeutet, da mit “Die blinde Tochter” noch das große Finale der “18/4”-Trilogie wartet. Und wenn dieses qualitativ an die beiden ersten Teile der “Eumenides”-Story anknüpfen kann, dürfte man sich wohl auf einen spektakulären Abschluss freuen.
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9/10