Schule des Schweigens_Rezi

Acht Schülerinnen und zwei Lehrerinnen einer Gehörlosen-Schule sind mit ihrem Schulbus auf einer einsamen Landstraße in Kansas unterwegs, als der fröhliche Schulausflug plötzlich zum Albtraum wird: die Reisenden geraten in einen Verkehrsunfall, in den zu ihrem großen Pech auch drei entflohene Sträflinge eines benachbarten Hochsicherheitsgefängnisses verwickelt sind. Da das Fluchtauto der Verbrecher zu stark beschädigt ist, entführen die Männer kurzerhand den Schulbus und flüchten mit dessen Insassen in einen verlassenen Schlachthof, wo sich die Häftlinge mit den jungen Mädchen und Frauen verschanzen. Um die Geiselnahme zu beenden und die Opfer aus den Fängen ihrer Entführer zu befreien, wird der erfahrene FBI-Agent Arthur Potter zu dem abgelegenen Gelände gerufen, allerdings wird dem Verhandlungsführer schnell klar, dass mit einer schnellen Entschärfung der Lage nicht zu rechnen ist – zum einen handelt es sich bei den Tätern offenbar um eiskalte Psychopathen, zum anderen erschwert auch die ungewöhnliche Situation der Geiseln die Verhandlungen, da die Gehörlosigkeit der Opfer für die Kommunikation ein zusätzliches Hindernis darstellt. Potter und seinen Kollegen rennt allerdings die Zeit davon, denn die Geiselnehmer stellen dem Agenten ein tödliches Ultimatum: entweder sie bekommen einen Hubschrauber zur Flucht zu Verfügung gestellt, oder die Geiseln müssen sterben – und die Männer lassen keinen Zweifel daran, dass sie es mit ihrer Drohung ernst meinen…

Ein neu aufgelegtes Geiseldrama von Thriller-Spezialist Jeffery Deaver

US-Bestsellerautor Jeffery Deaver ist zwar vor allem für seine Bücher um den gelähmten New Yorker Tatortermittler Lincoln Rhyme bekannt, liefert seinen Fans mit schöner Regelmäßigkeit aber auch abseits der Reihe spannenden Thriller-Nachschub – sei es mit seinen Romanen über die Verhörspezialistin Kathryn Dance, als Autor des offiziellen James-Bond-Romans „Carte Blanche“ oder eben auch mit dem Geiseldrama „Schule des Schweigens“, in dem ein Trio aus der Haft entkommener Schwerverbrecher einen Schulbus entführt und mit Schülerinnen und Lehrerinnen in einen verlassenen Schlachthof mitten im Nirgendwo von Kansas flüchtet. Allerdings handelt es sich dabei nicht um ein aktuelles Werk, denn der Thriller erschien bereits 1995 und wurde ein Jahr später auch in Deutschland veröffentlicht. Fast zwei Jahrzehnte später wurde das Buch hierzulande nun aber neu aufgelegt – sowohl in gedruckter Form als auch in der hier rezensierten ungekürzten Hörbuchfassung. Wer von Deavers Lincoln-Rhyme-Romanen die hochtechnisierte Spurensicherung des 21. Jahrhunderts gewohnt ist, muss sich also ein wenig umstellen, denn im Vergleich dazu hat man es hier fast schon mit einem Old-School-Thriller zu tun – in den 1990er Jahren war man von Smartphones bekanntlich noch weit entfernt und das Internet tatsächlich noch Neuland…

Ein Old-School-Thriller mit einem packenden Psychoduell

Dazu passt ganz gut die Hauptfigur in „Schule des Schweigens“, denn Agent Arthur Potter zählt beim FBI fast schon zum alten Eisen und setzt bei seinen Geiselverhandlungen ohnehin weniger auf Technik, sondern ganz klassisch auf Psychologie und Instinkt – und genau das ist die große Stärke dieses Thrillers: wirklich viel Action bekommt man in diesem Buch nicht geboten, stattdessen lebt die Geschichte in erster Linie von den Rededuellen zwischen Potter und dem Anführer der Geiselnehmer, bei denen jede falsche Formulierung den Unterschied zwischen Leben und Tod der Geiseln machen kann. Deaver macht dabei früh deutlich, dass die Täter es mit ihren Drohungen ernst meinen und schafft so schnell ein sehr brisantes Szenario mit einer äußerst angespannten Atmosphäre. Die Geiselnahme wird dabei fast in Echtzeit geschildert und erfährt durch die besondere Situation der entführten Mädchen und Frauen noch einen zusätzlichen Reiz: die Gehörlosigkeit der Opfer erschwert nämlich nicht nur die Verhandlungen des FBI, sondern liefert auch interessante Einblicke in eine für die meisten wohl unbekannte Welt ohne Geräusche und mit ihren ganz eigenen Regeln.

Packendes Geiseldrama mit jedoch völlig misslungener Schlusspointe

Jeffery Deaver macht mit „Schule des Schweigens“ also vieles richtig: das Setting ist spannend, die Story hat mit FBI-Mann Potter und Geiselnehmer-Psychopath Handy zwei interessante Protagonisten, die Spannung ist durch den ständigen Zeitdruck auf einem ohnehin schon guten Level und wird durch einige unerwartete Zwischenfälle noch zusätzlich hochgetrieben, zudem bringt der Gehörlosen-Aspekt frischen Wind in die Geschichte. Deaver schafft es sogar, das Geiseldrama zu einem packenden Abschluss zu bringen – das Buch ist dann leider nur noch nicht zu Ende. Als Kenner des Autors ist man es ja mittlerweile gewohnt, dass man zum Schluss immer noch ein, zwei wahnwitzige Schlusspointen um die Ohren gehauen bekommt, was sich der Amerikaner jedoch hier ausgedacht hat, ist des Guten nun wirklich zu viel. Die letzte halbe Stunde des Hörbuches zieht die zuvor so spannende und trotz einiger etwas fragwürdiger Wendungen alles in allem doch recht glaubwürdige Geschichte leider völlig ins Lächerliche, was auch an einer der überflüssigsten Romanzen des Thriller-Genres liegt. Das völlig missratene Ende kann dann auch Hörbuchsprecher Dietmar Wunder nicht retten, der zuvor durch seine nuancierte Lesung viel zur Spannung der Geschichte beigetragen und vor allem durch seine beängstigend eindringliche Interpretation des Geiselnehmer-Anführers für viel Nervenkitzel gesorgt hat. Daher ein durchaus ernst gemeinter Tipp: Das Hörbuch am besten nach dem vermeintlichen Ende ausmachen und sich über einen spannenden Thriller freuen, statt sich durch den hanebüchenen Schluss den Hörgenuss noch vermiesen zu lassen.

Schule des Schweigens
  • Autor:
  • Sprecher: Dietmar Wunder
  • Original Titel: A Maiden's Grave
  • Länge: 15 Std. 12 Min. (ungekürzt)
  • Verlag: Random House Audio, Deutschland
  • Erscheinungsdatum: 19.10.2015
  • Preis 29,95 € (9,95 € im Audible-Flexi-Abo)
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Sprecher:
Gesamt:
7/10
Fazit:
Trotz des inzwischen fortgeschrittenen Alters des Romans erzählt Jeffery Deaver mit „Schule des Schweigens“ ein auch heute noch packendes und phasenweise hochdramatisches Geiseldrama, das vor allem vom spannenden Psychoduell zwischen den beiden Protagonisten lebt, allerdings hinterlässt das völlig unglaubwürdige Ende der Geschichte einen mehr als bitteren Beigeschmack.

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2 Antworten zu diesem Beitrag

  • Hallo Sebastian,

    dir hat das Buch viel besser gefallen als mir. Es war schon spannend aber, die „Musikzimmer“ Passagen empfand ich nach einer Weile als störend. Zu klischeehaft was die Zuständigkeit betrifft und diese „Romanze“ war einfach lachhaft. Das Ende fanden wir beide ziemlich lächerlich 😀 Bei mir hat’s gerade für 4/10 gereicht.

    Liebe Grüße
    Janice

    • Ach, grundsätzlich fand ich das eigentlich recht spannend aber die Romanze war fast schon peinlich, nicht nur weil die sich nicht mal begegnet sind sondern auch der Altersunterschied so groß war. Und beim Ende hat sich Deaver sicherlich auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert…^^