Think of a numb3r_Rezi

Dave Gurney ist zwar nicht einmal 50 Jahre alt, hat seine berufliche Karriere beim New York Police Department jedoch längst an den Nagel gehängt und befindet sich auf eigenen Wunsch im Vorruhestand – und das, obwohl er zu den besten seiner Zunft gehörte und in vielen spektakulären Mordfällen maßgeblich zur Ergreifung der Täter beigetragen hat. Mit seiner Frührente hat sich der Ex-Detective aber immer noch nicht ganz angefreundet, sehr zum Unwillen seiner Ehefrau, die nach all den einsamen Jahren als Frau eines Polizisten endlich mehr Zeit mit ihrem Mann verbringen will. Als ihn dann plötzlich ein alter Schulfreund in einer seltsamen Angelegenheit um Mithilfe bittet, kommt ihm der Hilferuf also gar nicht so ungelegen: Mark Mellery erhält seit kurzem rätselhafte anonyme Botschaften, in denen der Absender offenbar ein dunkles Geheimnis seines Adressaten andeutet und Mark damit unterschwellig bedroht. Gurneys Neugier ist durch die merkwürdigen und beunruhigend allwissend scheinenden Briefe des Unbekannten zwar geweckt, trotzdem rät er dem inzwischen erfolgreich als Guru arbeitenden Mark, sich in dieser Angelegenheit lieber an die Polizei zu wenden – was dieser mit Hinweis auf seine auf Diskretion basierende Tätigkeit jedoch ablehnt. Als sich dann jedoch herausstellt, dass hinter den Botschaften offenbar tatsächlich ein gefährlicher Psychopath steckt, lässt sich Gurney letztlich doch – und gegen den Willen seiner Frau – auf das perfide Spiel des Unbekannten ein…

Ein unbekannter Feind, der Gedanken lesen kann?

Stellt euch einmal folgende Situation vor: Ihr habt eines Tages einen anonym abgeschickten Brief im Briefkasten, in denen ihr gebeten werdet, euch eine beliebige dreistellige (!) Zahl vorzustellen, und nachdem ihr eure Wahl getroffen habt, findet ihr genau diese Zahl auf der Rückseite des Zettels – unheimlich, oder? Mit genau dieser Ausgangssituation beginnt John Verdons Thriller „Think of a Numb3r“ (auf Deutsch etwas unpassend „Die Handschrift des Todes“), und selbst wenn man nicht der Adressat dieser verstörenden Nachricht und somit nicht das Ziel der damit verbundenen Drohung ist, so will man als Rätselfreund wohl dennoch unbedingt wissen, wie eine solch treffsichere Vorhersage überhaupt möglich ist – erst recht, wenn man wie Verdons Protagonist Dave Gurney ein alter Ermittlerhase ist und sich von der eigenen und eher unfreiwillig eingegangenen Frührente maßlos unterfordert fühlt. Denn dass Gurney auch zwei Jahre nach seinem Abschied vom NYPD immer noch an seiner früheren Arbeit hängt, zeigt sich alleine schon darin, dass er lieber in einer Art Kunstprojekt die Verbrecherfotos früherer Ermittlungserfolge bearbeitet und ausstellen lässt statt Zeit mit seiner Ehefrau zu verbringen, die ihre eigenen Ansprüche all die Jahre zurückgestellt hat und nun endlich mehr Aufmerksamkeit von ihrem Mann fordert. Und so sehr man die arme Frau auch verstehen kann und Gurney für deren Missachtung innerlich verurteilt, so ist die Faszination des Ex-Cops für diesen merkwürdigen Fall für Krimifans sicherlich bestens nachvollziehbar – erst recht, als aus den zunächst noch harmlosen Nachrichten plötzlich bitterer Ernst wird.

Cleverer Denksport statt reißerische Action

Auch wenn Ausgangssituation der Handlung und Klappentext des Buches ein perfides Katz-und-Maus-Spiel andeuten und damit auf einen flotten und vielleicht sogar reißerischen Thriller hoffen lassen, so ist „Think of a Numb3r“ zunächst erstaunlich gemächlich, ohne dabei jedoch langweilig zu werden. Das liegt vielleicht auch ein wenig an der Hauptfigur, die aufgrund ihres Ruhestandes deutlich älter erscheint als sie eigentlich ist und es zunächst ein wenig so wirkt, als würde man einem Rentner beim Lösen einer kniffligen Aufgabe aus einem Rätselheft begleiten. Mit diesem verniedlichenden Vergleich würde man John Verdon jedoch Unrecht tun, denn der Amerikaner hat für seinen Debütroman einen wirklich originellen Ansatz gewählt und seinen Thriller als cleveren und anspruchsvollen Rätselkrimi aufgezogen, der mit einer kleinen, aber faszinierenden Herausforderung beginnt und im Anschluss kontinuierlich die Spannungsschraube anzieht, bis es im Schlussdrittel letztlich doch noch Schlag auf Schlag geht und „Think of a Numb3r“ echte Pageturner-Qualitäten unter Beweis stellt.

Ein packender und intelligent konstruierter Rätsel-Thriller

Was manchmal ein wenig stört, ist der fast durchgängig thematisierte Konflikt zwischen Dave Gurney und seiner Frau, der zwar glaubwürdig ist und mit einer tragischen Hintergrundgeschichte dem Protagonisten zusätzlich etwas Tiefgang verleiht, trotzdem nerven die ständigen unterschwelligen gegenseitigen Vorwürfe nach einer Weile. Man kann zwar beide Parteien jederzeit nachvollziehen, dennoch halten diese kleinen Nickeligkeiten häufig vom Rätseln ab und unterbrechen hin und wieder den Handlungsfluss – zwar spannt der Autor dadurch seine Leser geschickt auf die Folter, auf Dauer wird das Ganze aber ein wenig anstrengend. Abgesehen davon ist „Think of a Numb3r“ jedoch ein wirklich gelungener Thriller und dürfte vor allem diejenigen ansprechen, die weniger an reißerischer Gewalt und unnötigem Blutvergießen, sondern an cleveren Denkspielen und einer eher theoretisch geführten Ermittlung interessiert sind. Dieser Reihenauftakt macht auf jeden Fall Lust auf die nachfolgenden Romane um Ex-NYPD-Detective Dave Gurney, von denen bis zu diesem Zeitpunkt drei weitere erschienen sind.

Think of a Numb3r
  • Autor:
  • Deutscher Titel: Die Handschrift des Todes
  • Reihe: Dave Gurney #1
  • Umfang: 500 Seiten
  • Verlag: Penguin Books
  • Erscheinungsdatum: 1. August 2010
  • Preis Taschenbuch 10,20 €/eBook 6,99 €
Cover:
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Gesamt:
8/10
Fazit:
John Verdon liefert mit „Think of a Numb3r“ einen packenden Rätsel-Thriller, der Leser und Hauptfigur vor faszinierende Denkaufgaben stellt und zeigt, wie man auch ohne großes Blutvergießen eine spannende und clever konstruierte Geschichte erzählen kann.

Kommentar verfassen: