Tags: Anna Fekete, Finnland, Heyne, Rassismus, Serienmörder
Genre: Krimi, Thriller
Die junge Polizistin Anna Fekete ist gerade erst in ihre Heimat im finnischen Saloinen zurückgekehrt um nach der Ausbildung ihre erste feste Stelle bei der Kriminalpolizei anzutreten, da landet auch schon der erste Mordfall auf ihrem Tisch: Eine junge Joggerin wurde tot im Wald aufgefunden, dem Opfer wurde mit einer Schrotflinte regelrecht der Kopf weggeschossen. Erste Ermittlungen ergeben, dass sich die Tote, die 19-jährige Riikka, erst wenige Wochen zuvor von ihrem Freund getrennt hat – handelt es sich bei dem schrecklichen Gewaltverbrechen also um eine Beziehungstat? Die Anzeichen dafür verdichten sich, denn von Riikkas Ex-Freund fehlt seit ihrem Tod jede Spur. Bei der Obduktion der Leiche stellt sich aber auch heraus, dass das Mädchen kurz vor ihrer Ermordung noch einvernehmlichen Geschlechtsverkehr hatte, doch weder ihre Eltern noch ihre Freunde wissen von einem neuen Mann in Riikkas Leben – ist der jungen Frau eine heimliche Affäre zum Verhängnis geworden?
Finnlands Konkurrenz zur schwedisch-norwegischen Krimi-Übermacht (?)
Während Schweden und Norwegen mit schöner Regelmäßigkeit Schauplatz düsterer und melancholischer Kriminalromane sind, scheint das benachbarte Finnland von Gewalttaten weitestgehend verschont zu bleiben – zumindest wenn man rein nach den Krimi- und Thriller-Bestsellerlisten geht. Dass man aber selbst in der finnischen Provinz nicht von Mord und Totschlag verschont bleibt, muss die junge Polizistin Anna Fekete, Hauptfigur in Kati Hiekkapeltos Reihenauftakt „Kolibri“, jedoch am eigenen Leib feststellen, denn kaum hat die Finnin mit ungarischen Wurzeln ihre neue Stelle in der alten Heimat angetreten, wird sie auch schon mit einer grausam zugerichteten Frauenleiche im Wald konfrontiert. Für Anna ist der Mord an einer jungen Joggerin aber gleich in doppelter Hinsicht ein Sprung ins kalte Wasser, denn der Fall ist nicht nur ihr erster echter Einsatz bei der Kripo, sie muss sich zudem auch in kürzester Zeit in ihr neues Team hineinfinden. Während ihr Vorgesetzter sich über den sich in der Statistik gut machenden Migrationshintergrund der neuen Mitarbeiterin freut und auch ein Großteil der Kollegen das junge Teammitglied freundlich willkommen heißt, wird Annas neuer Partner Esko Niemi für sie aber zu einer ebenso großen Herausforderung wie der Fall selbst: Für den ungepflegten und rassistischen alten Haudegen ist Annas Biografie ein gefundenes Fressen und Esko lässt keine Gelegenheit aus, der jungen Polizistin das Leben so schwer wie möglich zu machen.
Eine junge Polizistin mit Ecken und Kanten und bewegter Vergangenheit
Während der Mordfall anfangs noch ein wenig unspektakulär vor sich hinplätschert, lebt „Kolibri“ zunächst von genau dieser reizvollen Figurenkonstellation: So sehr man Esko für seine fremdenfeindlichen Sprüche und sein diskriminierendes Verhalten auch verachtet – für die Geschichte ist der Quertreiber ein großer Gewinn, zumal er Kati Hiekkapelto viel Gelegenheit gibt, ihre eigentliche Hauptfigur zu formen. Denn Anna Fekete ist keinesfalls jemand, der vor Konfrontationen zurückscheut und sie wächst nicht nur an ihren Herausforderungen, sondern ist auch selbst trotz ihres jungen Alters eine Figur mit Ecken und Kanten – da kann es schon einmal passieren, dass Anna nach einer durchzechten Nacht inkl. bedeutungslosem One-Night-Stand mit Riesen-Kater zum Dienst erscheint und am Fundort einer Leiche nicht nur aufgrund des erschütternden Anblicks vor Übelkeit kaum einen klaren Gedanken fassen kann. Zudem schenkt die Autorin auch dem persönlichen Hintergrund ihrer Protagonistin viel Beachtung und liefert so nicht nur interessante Einblicke in das Leben einer Flüchtlingsfamilie aus der Balkenregion, sondern nutzt dies auch zu einer generellen Betrachtung der finnischen Ausländerpolitik und Rassismus im Alltag.
Ein gelungener Serienauftakt mit viel Potenzial
Als Serienfigur bringt Anna Fekete also durchaus großes Potenzial mit, die Story hingegen ist in Bezug auf das Spannungsniveau noch ein wenig ausbaufähig – die Bezeichnung „Thriller“ ist hier eindeutig zu hoch gegriffen, denn dafür fehlt es „Kolibri“ schlicht und einfach an Nervenkitzel. Das soll aber nicht heißen, dass Hiekkapeltos Geschichte langweilig ist, denn der Krimiplot ist absolut solide konstruiert und bietet glaubwürdige und auch interessante Ermittlungsarbeit – verglichen mit der starken schwedischen und norwegischen Konkurrenz ist der Fall insgesamt aber noch ein wenig zu ruhig und zu zahm. Der Grundstein für eine erfolgreiche Reihe ist aber eindeutig gelegt und „Kolibri“ ein insgesamt beachtenswerter Debütroman, der wirklich durchgängig gut unterhält. Dass die Auflösung des Kriminalfalls ein bisschen oberflächlich erfolgt und auch die beiden Nebenhandlungen um die drohende Zwangsheirat einer jungen Immigrantin und die anonymen Drohungen eines Stalkers ein wenig überflüssig erscheinen und sich nicht ganz homogen in den Rest der Geschichte einfügen, sei bei diesem Erstlingswerk absolut verziehen. Wer gerne nordische Krimis liest und bei all den Ausflügen nach Oslo, Stockholm, Ystad und Co. mal einen Tapetenwechsel braucht, für den lohnt sich dieser Ausflug nach Finnland allemal.
Cover: | |
Charaktere: | |
Story: | |
Atmosphäre: |
7/10
Freut mich zu hören, dass dir das Buch gefallen hat!
Ich freu mich schon auf Bd2 nächsten Monat :3
Ich fand ich auch sehr solide und ich bin bei skandinavischen Thrillern/Krimis generell sehr kritisch. Aber die ruhige Art hat mir hier gefallen, da sie eben nicht langweilig wurde!
Ich fand auch das Zusammenspiel zwischen Anna und ihrem rassistischen Kollegen sehr unterhaltsam, auch wenn das so ein Arschloch war 😀
Band 2 habe ich mir auch schon vorgemerkt und werde ich bestimmt auch noch im Sommer irgendwann lesen 🙂