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Im Mai 1887 sorgt ein grausiger Leichenfund in London für Aufsehen: Im kleinen Vorort Rainham ziehen Arbeiter ein Bündel aus der Themse, das den Rumpf einer toten Frau enthält. Im Verlauf des Sommers werden weitere Körperteile über die gesamte Stadt verteilt gefunden, die mutmaßlich zum gleichen Opfer gehören – die Identität der Frau bleibt ungeklärt und es gibt keine Spuren, die zum Mörder der Frau führen könnten. Mehr als ein Jahr später werden erneut die abgetrennten Arme eines weiteren Opfers gefunden und als wenig später die kopflose Leiche der Frau in den Katakomben des neuen Scotland-Yard-Gebäudes gefunden wird, deutet alles auf die Taten eines wahnsinnigen Serienkillers hin. Polizei und Zeitungen gehen schnell davon aus, dass die Verbrechen ebenfalls auf das Konto des Mannes gehen, der die Stadt seit Wochen mit grausamen Morden an Prostituierten in Atem hält: Jack the Ripper. Dr. Thomas Bond, Gerichtsmediziner der Londoner Polizei, stellt anhand der Spuren an den Leichen aber eine fast noch erschreckendere Theorie auf: In Whitechapel treiben gleich zwei brutale Serienmörder ihr Unwesen…

Grausame Frauenmorde im Schatten des Rippers

1888 war nun wahrlich kein einfaches Jahr für Scotland Yard: Jack the Ripper schlachtete eine Frau nach der anderen ab und versetzte ganz London in Angst und Schrecken, während die Polizei ohnmächtig zusehen musste und vom Täter in mehreren Briefen auch noch öffentlich verhöhnt wurde. Bei dem inzwischen weit über ein Jahrhundert andauernden Rätselraten um die Identität des bis heute nicht überführten Killers ist aber eine weitere Verbrechensserie fast ein wenig in Vergessenheit geraten: Nahezu zeitgleich zu den nach allgemeinem Kenntnisstand dem Ripper zugeschrieben Morden wurden in den Jahren 1887-89 einige weitere Frauenleichen gefunden, die auf fast noch grausamere Weise zugerichtet wurden – bis zur Unkenntlichkeit zerstückelt und über die gesamte Stadt verstreut. Diese sogenannten „Thames Torso Murders“ stehen nun im Fokus von Sarah Pinboroughs historischem Thriller „Mayhem“ und wie im Vorwort von der Autorin erwähnt wird, tauchen in ihrem Roman sogar viele reale Persönlichkeiten auf, wie u.a. auch der Protagonist der Geschichte, der Londoner Rechtsmediziner Dr. Thomas Bond, der im späten 19. Jahrhundert tatsächlich maßgeblich an den Ermittlungen Scotland Yards beteiligt war.

Historische Fakten vermischt mit Horror- & Fantasy-Elementen

Bei all der Faktentreue hat sich Pinborough aber auch einige schriftstellerische Freiheiten genommen, so ist „Mayhem“ kein ganz realistischer Thriller, sondern bedient sich auch einiger Horror- und Fantasy-Elemente – das allerdings in einem noch überschaubaren Rahmen, denn wirklich von Bedeutung sind diese erst im späteren Verlauf der Geschichte. Wichtig zu wissen ist auch, dass „Mayhem“ trotz kleiner Andeutungen im Klappentext ganz eindeutig KEIN Jack-the-Ripper-Thriller ist – wer eine detaillierte Thematisierung der Prostituierten-Morde erwartet oder sich gar neue Theorien zur wahren Identität des Killers erhofft, der wird hier ganz klar enttäuscht, denn der Ripper selbst taucht in diesem Buch überhaupt nicht auf, lediglich dessen Mordopfer werden gelegentlich am Rande erwähnt. Zudem braucht die Handlung eine Weile, bis sie so richtig in die Gänge kommt: Der Einstieg gestaltet sich mit einigen kleinen Zeitungsschnipseln und den in den ersten Kapiteln noch nicht ganz auszumachenden Hauptfiguren ein wenig holprig. Dafür ist „Mayhem“ aber in einem anderen Aspekt von Beginn an stark: der Atmosphäre. So wie Sarah Pinborough das viktorianische London und speziell die Straßen Whitechapels beschreibt, kann man die Anspannung und die ausgehende Gefahr des düsteren Viertels fast am eigenen Leib spüren. Dunkle und enge Gassen, zwielichtige Gestalten, stickige Opiumhöhlen – es fällt wahrlich schwer, sich der verstörenden Anziehungskraft der Schattenseiten der Stadt zu entziehen.

Atmosphärischer Thriller-Ausflug ins viktorianische London

Es dauert aber auch nicht lange, bis auch die Geschichte selbst immer packender wird – und überraschenderweise tragen gerade die erwähnten übernatürlichen Elemente einen nicht unerheblichen Teil dazu bei. Dass Sarah Pinborough ihren Lesern die Auflösung um die Identität des Killers recht früh präsentiert, mindert dabei nicht im geringsten die Spannung, sondern macht die Geschehnisse sogar fast noch intensiver. „Mayhem“ profitiert hier auch von der guten Charakterisierung des Protagonisten, dessen innere Unruhe sich wirkungsvoll auf den Leser überträgt. Die Story bleibt zwar durchgängig recht geradlinig und bietet eher wenige Überraschungen oder unerwartete Wendungen, ist aber dennoch vor allem in der zweiten Hälfte sehr packend, was eben auch an der düsteren Atmosphäre des Romans liegt. Somit ist „Mayhem“ für Fans historischer Thriller und Freunde des viktorianischen Londons ein wirklich gutes und spannendes Buch, das gekonnt historische Fakten mit einem übernatürlichen Touch kombiniert. Und wer davon nach dem Ende der Geschichte noch nicht genug hat, darf sich mit der Fortsetzung „Murder“ noch auf ein weiteres düsteres Abenteuer mit dem Rechtsmediziner Dr. Thomas Bond freuen – doch keine Sorge, der erste Band ist inhaltlich in sich abgeschlossen.

Mayhem
  • Autor:
  • Reihe: Dr. Thomas Bond #1
  • Umfang: 341 Seiten
  • Verlag: Jo Fletcher Books
  • Erscheinungsdatum: 1. Mai 2014
  • Preis Taschenbuch 9,00 €/eBook 3,86 €
Cover:
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Gesamt:
8/10
Fazit:
Sarah Pinborough ist es gelungen, eine historische Londoner Verbrechensserie des späten 19. Jahrhunderts aus dem Schatten der Ripper-Morde herauszuheben und unter Einsatz einiger wohldosierter Horror- und Fantasy-Elemente zu einem packenden und sehr atmosphärischen Thriller zu stricken.

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