Als alleinerziehende Mutter wäre für die zielstrebige Anwältin Danielle Parkman der Spagat zwischen Karriere und Familie ohnehin schon schwierig genug, doch ihr 16-jähriger Sohn erfordert aus einem ganz speziellen Grund ihre ganz besondere Aufmerksamkeit: Max ist Autist und zwar hochintelligent, in vielen Lebenssituation aber überfordert. Der Schulalltag fällt ihm schwerer als seinen Altersgenossen, zudem hat Max aufgrund seiner Entwicklungsstörung kaum soziale Kontakte. In letzter Zeit ist Danielle zu ihrer großen Besorgnis aufgefallen, dass ihr Sohn auch unter starken Gemütsschwankungen leidet und häufig depressiv wirkt. Als sich die Anzeichen verdichten, dass Max möglicherweise suizidgefährdet ist, gibt Danielle ihren Sohn in die Obhut der renommierten Maitland-Klinik, deren Ärzte auf Kinder und Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen spezialisiert sind. Schon kurz nach Beginn des Klinikaufenthalts scheint Max aber eine dramatische Veränderung zu durchlaufen: Die Ärzte berichten von gewalttätigen Ausrastern gegenüber anderen Patienten und attestieren ihm eine schwere Psychose. Danielle weigert sich, die von den Spezialisten gestellte Diagnose zu akzeptieren – bis es zur Katastrophe kommt und Mutter und Sohn gemeinsam einen nicht enden wollenden Albtraum erleben.
Schwächelt zunächst als oberflächliches Autismus-Drama…
Antoinette van Heugtens Roman „Mutterliebst“ wird vom Verlag als Thriller beworben, es dauert aber zunächst eine ganze Weile bis sich beim Lesen ein leichtes Spannungsgefühl einstellen will. Zwar nimmt der Prolog bereits den ersten dramatischen Wendepunkt der Geschichte vorweg, danach widmet sich die Autorin aber erst einmal der besonderen Situation ihrer Protagonisten: Auf der einen Seite arbeitet Danielle Parkman hart an ihrer Karriere als erfolgreiche Anwältin und muss sich in ihrer Kanzlei täglich aufs Neue beweisen und dem Druck standhalten, auf der anderen Seite wartet zuhause aber mit ihrem autistischen Sohn ein kleiner Pflegefall, für den Danielle immer wieder vieles opfern muss. Die ersten Seiten wirken daher ein wenig, als würde sich van Heugten hier an einer Art Autismus-Drama versuchen, allerdings beschreibt sie die Entwicklungsstörung des Jungen für meinen Geschmack ein wenig oberflächlich und klischeehaft, sodass die ersten Kapitel der Geschichte kaum überzeugen können.
… nimmt dann langsam an Spannung und Intensität zu …
Mit dem schrecklichen Ereignis in der Maitland-Klinik nimmt die Geschichte dann aber eine ganz andere Richtung und plötzlich finden auch erste Spannungselemente den Weg in die Geschichte. Danielle sieht sich auf einmal mit dem Rücken zur Wand und muss alles dafür geben, um Max gegen schlimme Vorwürfe zu verteidigen und die Unschuld ihres Sohnes zu beweisen. Ab diesem Zeitpunkt ist Danielle verstärkt in ihrer Funktion als Anwältin gefragt und muss mit nur geringer Unterstützung in einem sehr persönlichen Kriminalfall ermitteln – gegen alle Widerstände und eine schier erdrückende und ausweglose Beweislage. Die Protagonisten wird dabei zwar nicht zur ganz großen Sympathieträgerin, der unermüdliche Einsatz für ihren Sohn nötigt aber Respekt ab und je tiefer man sich mit der Anwältin in den Fall einarbeitet, desto mehr schlägt man sich beim Lesen auch auf Danielles Seite.
… und endet schließlich als packender Justiz-Thriller
So zieht die Spannungsschreibe langsam aber sicher immer mehr an, bis die gelernte Anwältin Antoinette van Heugten im Schlussdrittel schließlich ihre langjährige Erfahrung ausspielen kann und „Mutterliebst“ in Form eines packenden Justizdramas seine eindeutig stärkste Phase erreicht. Hier macht sich all die Geduld und das Durchhaltevermögen vollends bezahlt und man möchte beim dramatischen Finale kaum noch das Buch aus den Händen legen. Man merkt eindeutig, dass sich die Autorin im Gerichtssaal deutlich wohler fühlt als im Umgang mit psychischen Störungen und medizinischen Diagnosen. Was als etwas missglücktes und oberflächliches Autismus-Drama begann wird somit zu einem letzten Endes überzeugenden Justiz-Thriller, den man nach dem eher schleppenden Anfangsdrittel in dieser Form kaum noch für möglich gehalten hätte. Somit ist „Mutterliebst“ für alle, die sich von dem Autismus-Thema zwar grundsätzlich angesprochen fühlen, davon aber nicht mehr als den Aufhänger zu einem Unterhaltungsroman erwarten, sicherlich eine Empfehlung wert.
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7/10
Hallo Sebastian,
dieses Buch dümpelt schon seit einer gefühlten Ewigkeit auf meinem Kindle rum. Du weißt ja, dass mich das Autismus-Thema immer mal wieder aus persönlichen Gründen interessiert. Wenn ich hier aber lese, dass das gerade die Schwäche dieses Thrillers ist, weiß ich jetzt schon, dass ich’s lieber nicht lesen sollte. Rege mich sonst nur auf, anstatt den offenbar spannenden Schluss zu genießen.
Danke für deine Einschätzung!
LG,
Ute
Bei diesem Buch musste ich sogar tatsächlich an dich denken und dass du die Anfangsphase wahrscheinlich ziemlich verrissen hättest. Wenn sogar ich als Außenstehender den Autismus-Part ziemlich oberflächlich finde wirst du da vermutlich erst recht nicht viel Freude dran haben…^^
War bei mir übrigens auch so eine Kindle-Leiche, das gab es ja irgendwann mal gratis 😀