Todeszimmer_Rezi

Während sich Lincoln Rhyme gerade auf eine komplizierte Operation zur weiteren Verbesserung seiner Mobilität vorbereitet, wird er überraschend von der Staatsanwältin Nance Laurel mit einem ganz besonderen Fall beauftragt: Auf den Bahamas wurde der US-Bürger Robert Moreno von einem Scharfschützen erschossen, bei dem Attentat kamen zudem ein Journalist und Morenos Leibwächter ums Leben. Besonders brisant an dem Auftragsmord ist die Tatsache, dass hinter dem tödlichen Schuss die amerikanische Regierung selbst steht, wie der von einem Whistleblower ans Büro der Staatsanwaltschaft übermittelte Todesbefehl zeigt. Ausgestellt wurde dieser Sondereinsatzbefehl vom NIOS, dem National Intelligence and Operations Service, der das harte Eingreifen mit Hinweisen auf einen terroristischen Anschlag seitens des Liquidierten begründet. Nance Laurel hat jedoch ermittelt, dass der Terrorverdacht gegen Robert Moreno völlig unbegründet war und somit ein unschuldiger Amerikaner kaltblütig von der US-Regierung ermordert wurde – und Lincoln Rhyme soll ihr dabei helfen, die Verantwortlichen für diesen schweren Amtsmissbrauch zu überführen…

Lincoln Rhyme ermittelt gegen einen US-Geheimdienst

In seinem 10. Fall bekommt es Jeffery Deavers nach einem Dienstunfall fast vollständig gelähmter Tatortspezialist Lincoln Rhyme diesmal mit einem besonderen Gegner zu tun, denn in „Todeszimmer“ steht niemand geringeres als die eigene Regierung im Visier seiner Ermittlungen. Ein US-Geheimdienst hat einen amerikanischen Staatsbürger eliminieren lassen, um einen von diesem geplanten Anschlag auf ein amerikanisches Öl-Unternehmen zu vereiteln. Das Problem: Der getötete Robert Moreno war zwar nach allgemeiner Ansicht ein Querulant, der mit regierungskritischen Äußerungen immer wieder für Unruhe gesorgt hat, der Terrorverdacht stellt sich laut der Staatsanwaltschaft aber als völlig haltlos heraus. Das ist gerade für die aufstrebende Gerechtigkeitsfanatikerin Nance Laurel ein kapitaler Verstoß gegen die Gesetzgebung und so setzt die Anwältin alles daran, mithilfe von Lincoln Rhyme die Köpfe hinter der Operation hinter Gitter zu bringen.

Spurensuche zwischen New York und den Bahamas

Der Fall gestaltet sich dadurch deutlich anders als gewohnt: Statt unbekannte Serienkiller durch New York zu jagen, stehen die Täter sowohl für die Leser als auch für die Ermittler von Anfang an fest – zumindest wo diese zu finden sind, denn es gilt nun noch die Mitarbeiter beim NIOS zu identifizieren, die für den Sondereinsatzbefehl (der geschönte Beamtenausdruck für einen kaltblütigen Auftragsmord) verantwortlich waren und scheinbar willkürlich einen Störenfried aus dem Weg geräumt haben. Anders ist zudem auch, dass sich das Verbrechen nicht in New York, sondern auf den Bahamas ereignet hat – was die Ermittlungen gerade unter Berücksichtigung von Lincolns Gesundheitszustand nicht gerade erleichtert, schließlich legt der ungeduldige Spurenermittler großen Wert auf eine genaue Tatortuntersuchung entsprechend seiner bewährten Richtlinien.

Ein Thriller nach bewährtem Erfolgsschema – und den damit verbundenen Problemen

Gegner und Schauplatz sind in „Todeszimmer“ also eher ungewöhnlich, die Handlung selbst folgt (glücklicherweise) aber dem von der Thriller-Reihe gewohnten Schema: Lincoln Rhyme, seine Partnerin Amelia Sachs und die Detectives Lon Sellitto und Ron Pulaski arbeiten sich mühsam von Hinweis zu Hinweis, tragen die Spuren an der inzwischen längst kultigen Beweistafel zusammen und kommen so dem Überführen der Täter langsam immer näher. Und „Todeszimmer“ wäre kein Jeffery-Deaver-Thriller, wenn nicht die vom Autor gewohnten Überraschungen an jeder Ecke lauern würden – denn wie immer ist nichts so, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat und gerade zum Ende hin jagt eine spektakuläre Wendung die nächste. Als Fan der Reihe hat man nur inzwischen ein wenig das Problem, dass man nach diesen falschen Fährten wirklich fast schon die Uhr stellen kann, denn mit ziemlicher Sicherheit schmeißt Deaver in den letzten Kapiteln seine Story noch rund dreimal komplett über den Haufen. Das ist einerseits spannend und hält das Tempo hoch, im zehnten Anlauf kann einen als Leser aber auch nicht mehr allzu viel schocken – im Gegenteil: „Todeszimmer“ hat mindestens einen Plottwist zu viel und hätte sich die letzte halbe Stunde gerne schenken können.

Ein weiterer guter Lincoln-Rhyme-Thriller mit aktueller Brisanz

Nichtsdestotrotz ist aber auch Rhymes 10. Fall gerade wegen der kontroversen Ansichten über die Arbeit der Geheimdienste wieder absolut lesenswert: Ist ein derart kompromissloses Vorgehen gegen Terrorverdächtige moralisch vertretbar, oder muss man das Risiko eingehen, verheerende Anschläge vielleicht nicht rechtzeitig zu vereiteln, um dafür aber keine Unschuldigen bei vorbeugenden Einsätzen zu treffen? Gerade angesichts der aktuellen Geheimdienst- und Whistleblower-Debatte ist diese Fragestellung sicherlich nicht uninteressant. Dass die Hörbuchfassung von Dietmar Wunder dazu wieder einmal grandios gelesen wird, muss inzwischen wohl kaum noch erwähnt werden…

Todeszimmer
  • Autor:
  • Sprecher: Dietmar Wunder
  • Original Titel: The Kill Room
  • Reihe: Lincoln Rhyme #10
  • Länge: 15 Std. 01 Min. (ungekürzt)
  • Verlag: Random House Audio, Deutschland
  • Erscheinungsdatum: 11. Juli 2014
  • Preis 25,95 € (9,95 € im Audible-Flexi-Abo)
Charaktere:
Story:
Atmosphäre:
Sprecher:
Gesamt:
8/10
Fazit:
Jeffery Deavers neuester Streich schließt sich geschickt an die aktuelle Geheimdienst-Debatte an und funktioniert nach dem bewährten Erfolgsschema – auch wenn die spannende Geschichte den richtigen Zeitpunkt für das Ende verpasst.

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