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In der Buchvorlage zur erfolgreichen TV-Serie „Game of Thrones“ kämpfen sieben Königreiche mit allen Mitteln um die Macht.

„A Game of Thrones“ von George R. R. Martin zählt zu den Büchern, die bei mir vor dem Lesen einen sehr schweren Stand hatten und bei denen ich mich eher widerwillig und mit skeptischer Erwartungshaltung an die Lektüre begeben habe. Das hat mehrere Gründe: Ersten bin ich nun wirklich kein großer Fantasy-Fan und um High Fantasy mache ich in der Regel erst Recht einen großen Bogen. So habe ich mich zum Beispiel auch mehr schlecht als recht durch die „Herr der Ringe“-Bücher gequält (obwohl ich die Filme liebe) und die Eragon-Reihe von Christopher Paolini habe ich auch nach dem zweiten Band aufgegeben. Ich bin ohnehin schon kein großer Freund historischer Romane (was die Epoche des Mittelalters betrifft) und mit dicken Wälzern über den Bau von Kathedralen oder Brücken (ja, ich meine Ken Follett) kann man mich jagen. Wenn dann auch noch Fantasy-Elemente wie Zauberer, Drachen, Orks oder Zwerge dazukommen, klingt das für mich schon wenig verheißungsvoll. Ich mag’s halt (bis auf ein paar wenige Ausnahmen) lieber realistisch. Zweiter Hauptgrund, warum ich um die „A Song of Ice and Fire“-Reihe zuvor einen großen Bogen gemacht hatte, war der wirklich extreme Umfang der Bücher. Jeder der bisher fünf erschienenen Romane ist klein, dick und dicht beschrieben und hat bis auf den Auftaktband Seitenzahlen im vierstelligen Bereich. Das schreckt einen Fantasy-Muffel wie mich natürlich noch mehr ab. Warum habe ich mir „A Game of Thrones“ dann doch angetan? Das lag hauptsächlich an der Fernsehserie, von der gefühlt jeder in höchsten Tönen schwärmt und die mich dann doch neugierig auf die Reihe gemacht hat. Und weil ich nun mal die Buchvorlagen lieber vor der filmischen Umsetzung lese, habe ich dann beim nächsten unschlagbaren Angebot beim 5-teiligen Schuber zugeschlagen.

Unglaublich komplex, aber doch recht leicht überschaubar

Wer wie ich Angst hat, von der Komplexität der Bücher erschlagen zu werden, sollte am besten nicht den Fehler machen und vor dem Lesen einen Blick in den fast 40-seitigen (!) Anhang werfen, in dem die verschiedenen Parteien und ihre Figuren aufgeführt sind. Hier lässt man sich nur unnötig schocken, denn so schlimm ist die Figurenkonstellation eigentlich gar nicht. Ingesamt bietet „A Game of Thrones“ acht verschiedene Erzählperspektiven, die sich kapitelweise abwechseln. Das hört sich zunächst viel an, allerdings gehören sechs davon zur gleichen Familie, sodass auch die anderen Charaktere jeweils in den Kapiteln der anderen auftreten, was die Eingewöhnungsphase deutlich erleichtert. Ich habe ungefähr 75 Seiten gebraucht, um mir einen ersten Überblick zu verschaffen, was in Bezug auf den Gesamtumfang auch nicht so schrecklich viel ist. Außerdem macht es durchaus Spaß, sich selbst nach und nach die Figurenkonstellation zu erarbeiten und es erfüllt einen schon ein wenig mit Stolz, wenn man dann so langsam die diversen Beziehungen auf die Reihe bekommt.

Tolle Charaktere zum Lieben und Hassen

Dann entpuppen sich die vielen Erzählperspektiven nämlich als äußerst cleverer Schachzug George R. R. Martins, denn so erhält man als Leser wirklich ein sehr umfassendes Bild über die Ereignisse und vor allem die Motive der einzelnen Charaktere. Schnell hat man sich aus den Hauptfiguren seine zwei bis drei persönlichen Favoriten herausgepickt und fiebert dann förmlich deren nächsten Kapiteln entgegen, was beim Lesen eines solch dicken Schinkens eine sehr hilfreiche Motivation ist. Vom rebellischen Kind über einen erfahrenen und respektierten Krieger, einen verschmähten Bastard oder einen belächelten Zwerg ist wirklich die gesamte Bandbreite an Figuren geboten – mit dem einen wird man schnell warm und fiebert mit ihm mit, andere verachtet man hingegen ab dem ersten Auftritt. Allerdings sorgen gerade die verhassten Charaktere oft für die meiste Spannung, da diese immer wieder neue Intrigen aushecken. Sehr schön ist auch, dass sich die Figuren im Verlauf des Buches weiterentwickeln und man diese in vielen Fällen am Ende des Romans mit ganz anderen Augen sieht als zuvor.

Düster, dreckig, kompromisslos

Über die Geschichte selbst möchte ich eigentlich gar nichts verraten, dafür ist diese einfach zu komplex, um in wenigen Sätzen zusammengefasst zu werden. Grob beschrieben geht es um die Machtkämpfe im Land Westeros, in dem sich mehrere Familien gegenseitig bekriegen, Bündnisse schmieden und hintergehen. Folglich geht es im Buch auch äußerst drastisch zu, und der Autor beschönigt hier glücklicherweise auch nichts: Es gibt jede Menge Gewalt, Sex, Intrigen, es wird gemetzelt, gemordet, vergewaltigt, herumgehurt oder zwangsverheiratet, sodass es trotz des gewaltigen Umfangs nur selten langweilig wird. Das alles ist eingebettet in ein sehr stimmiges und düsteres Setting, das vom herannahenden jahrelangen Winter geprägt ist und von prächtigen Landsitzen, eisigen Außenposten, dunklen Wäldern oder exotischen Landschaften eigentlich alles bietet, was das Fantasyherz begehrt.

Ein Epos mit Suchtfaktor – auch für Fantasy-Muffel

Somit konnte auch ich mich dann nicht lange der Faszination der Geschichte entziehen und bin schnell dem Suchtfaktor erlegen. Für meinen Geschmack ist das Setting auch nicht allzu fantasylastig und bis auf ganz wenige Szenen geht es sogar weitestgehend „realistisch“ zu. Martins Schreibstil ist wirklich beeindruckend und auch wenn man gut und gerne mal die ein oder andere Passage überfliegen kann, ohne groß etwas zu verpassen, schafft es der Autor fast die ganze Zeit, seine Leser an das Buch zu fesseln. Besonders gut hat mir auch gefallen, dass Martin wirklich sehr kompromisslos vorgeht und auch nicht davor zurückschreckt, wichtige Figuren über die Klinge springen zu lassen. So ist man ständig besorgt um seine persönlichen Lieblinge und hat fast schon Angst vor dem Weiterlesen, was aber auch einen Reiz des Buches ausmacht. Somit war „A Game of Thrones“ für mich wirklich eine positive Überraschung und sei daher auch allen ans Herz gelegt, die wie ich eher wenig mit High Fantasy anfangen können.

Fazit:
Stimmiges und faszinierendes Setting, Charaktere mit Tiefgang, kompromisslose Story, packender Schreibstil – „A Game of Thrones“ bietet trotz kleiner Längen alles, was eine epische Geschichte braucht (8/10).

Game of Thrones
Autor: George R.R. Martin; Deutscher Titel: Die Herren von Winterfell (Teil 1)/Das Erbe von Winterfell (Teil 2); Umfang: 837 Seiten; Verlag: Bantam; Erscheinungsdatum: 6. August 1996; Preis: Taschenbuch 6,00 €/eBook 5,12 €.

Link zur englischen Ausgabe
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20 Antworten zu diesem Beitrag

  • Interessante Einschätzung! Ich habe den ersten Band (also nur Teil 1.1) auch gerade erst auf deutsch gelesen. Da es nur der halbe erste Band ist, konnte ich letztlich nicht über das gesamte Buch urteilen, aber meine Bewertung viel doch etwas ungnädiger aus 😉 Mir war es letztlich nur viel Wind um nichts, auch wenn es ohne Zweifel toll erzählt ist. Kannst ja mal in meine Rezension reinlesen, wenn Du magst:
    http://wortgestalt-buchblog.blogspot.de/2014/02/rezension-george-rr-martin-die-herren.html

    Wünsch Dir noch eine schöne Woche! LG, WortGestalt

    • Hab deine Rezension gerade gelesen und kann deine Meinung schon auch nachvollziehen. Man muss sich halt oft ein wenig durchbeißen, gerade auch was den zweiten (englischen) Band betrifft, dafür ging es dann im dritten Schlag auf Schlag.

      Wie ich gesehen habe, hast du dir ja auch jetzt den zweiten deutschen Teil zugelegt. Bin mal gespannt ob der dich mehr begeistern kann 😉

      • Ja, ich wollte wenigstens den ersten Band richtig abschließen und dazu gehört ja bei der deutschen Übersetzung der zweite Teil. Ich bin auch wirklich gespannt, wie mein abschließendes Fazit ausfallen wird und ob ich die Reihe dann noch weiterverfolge. Aber ich kenn mich Serien-Socke ja, man will ja wissen, wie es weitergeht 😀

  • Sehr schöne Rezension! Macht auch GOT-Anfängern Mut, die noch zögern. Und ich sollte vielleicht doch mal wieder Band 2 in die Hand nehmen, bei dem mir zwischendurch irgendwie die Luft ausgegangen ist.

    • Gerade bei Band 2 ist meiner Meinung schon großes Durchhaltevermögen gefragt, da passiert leider nicht wirklich viel (aber du kennst die Handlung ja von der Serie, oder?).

      Dafür fand ich den dritten dann wirklich super, vor allem die Hochzeiten 😀

  • Genau die Gründe, die du aufzählst sind die, weshalb ich bisher einem riesengroßen Bogen um die Bücher gemacht habe. Aber wer weiß, vielleicht lese ich sie jetzt auch. Danke für die Rezension!

    • Du musst dir ja nicht gleich den ganzen Schuber anschaffen (auch wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis da wirklich top ist) und kannst ja mal vorsichtig in den ersten reinschnuppern. Die ersten 100 Seiten sind zwar etwas anstrengend, aber danach kann man eigentlich schon sagen ob das was für einen ist oder nicht.

  • Diese Reihe würde ich auch gerne anfangen, aber bisher habe ich mich nicht so recht getraut. Denn eigentlich lese ich nie High Fantasy und weiß daher natürlich nicht, ob mir ASOIAF auch gefallen wird. Es wäre schade, wenn ich das Buch anfange und dann zu dem Schluss komme, dass es nichts für mich ist – daher meine Zurückhaltung.
    Wenn ich Deine Rezension so lese, hört es sich schon toll an. Und Du schreibst ja auch, dass es nicht nur was für Genre-Leser ist. Vielleicht sollte ich dem Buch einfach mal eine Chance geben – vielleicht überrascht es mich ja sogar.

    LG, Katarina 🙂

  • Von donni am 26. Feb 2014 um 03:46

    Übrigens ist Game of Thrones NICHT „High Fantasy“ – das wäre mit Elfen, Orks, Zauber & Magie. GoT ist „nur“ Fantasy weshalb ich auch kein Fan geworden bin. Bin zwar auf dem aktuellsten Stand, aber für mich zu wenig Fantasy und zuviel Mittelalter. Lese momentan die Sturmlicht-Chroniken von Brandon Sanderson (gibts auch als Hörbücher) – der wahnsinn ;))

  • Von donni am 26. Feb 2014 um 13:08

    Meinst du weil es später auch bei GoT „hoch“ hergeht? Ja, darüber könnte man wirklich diskutieren…mir war es allerdings zu wenig ;))

  • Tolle Rezension! Macht mir auch Mut, dass Buch doch mal zu lesen, weil ich auch eher kein Fan von High Fantasy bin (von Ken Follett komischerweise schon xD). Aber bei der Serie habe ich ja auch schon gemerkt, dass es eigentlich ziemlich realistisch bleibt. Irgendwann einmal…

    • Ich finde die historischen Romane von Ken Follett soooo langweilig, da lese ich lieber dessen Thriller 😀

      Aber es wird echt Zeit dass du mal mit den Büchern anfängst, nicht immer nur durch die Serie suchten! ;P

      • Ich kann die Serie ja gar nicht mehr suchten, bin ja auf dem aktuellen Stand ^^. Wobei’s bald weitergeht *.*. Aber nach dem Abi mache ich mich mal an die Bücher, spätestens dann habe ich Zeit xD.

Pings: