Foto des Buches "Kein Opfer ist vergessen" von Michael Harvey
Drei Journalismus-Studenten untersuchen gemeinsam alte Mordfälle auf möglicherweise zu Unrecht verurteilte Häftlinge – und entdecken dabei einen erschreckenden Zusammenhang…

Ian Joyce, Sarah Gold und Jake Havens sind die drei ausgewählten Teilnehmer des begehrten Seminars der Medill School of Journalism in Illinois und sollen in diesem Rahmen unter der Leitung ihrer Professorin Judy „Z“ Zombrowski alte Mordfälle auf die Rechtmäßigkeit der gefällten Verurteilungen überprüfen. In der Vergangenheit konnte „Z“ mit ihren Studenten bereits vermehrt einige Justizirrtümer aufdecken und sorgte so dafür, dass zu Unrecht verurteilte Todeskandidaten in die verdiente Freiheit entlassen werden konnten.

Wurde ein Unschuldiger für den Mord an einem kleinen Jungen verurteilt?

Als Ian und Sarah gerade dabei sind, sich aus den alten Akten einen interessanten Fall herauszusuchen, zieht Jake jedoch für alle anderen überraschend einen Umschlag hervor, der ihm kurz zuvor anonym zugespielt worden ist. In diesem befindet sich eine geheimnisvolle Notiz mit der Botschaft „98-2425 … Ich hab den Jungn gekillt“ sowie ein kleiner Stofffetzen. Laut Jake, der bereits erste Recherchen angestellt hat, bezieht sich die Nummer auf die Ermittlungsakte eines alten Mordfalls, in dem der damals 14-jährige Skylar Wingate brutal ermordet wurde. Verurteilt wurde für das Verbrechen ein Mann namens James Harrison, der damals anhand von Blutspuren des Opfers auf seiner Kleidung überführt wurde. Harrison beteuerte jedoch stets seine Unschuld und bezahlte den DNA-Test sogar aus eigener Tasche – welcher dann aber schließlich die letzten Zweifel an seiner Schuld beseitigte. Zwar kam der Verurteilte in der Zwischenzeit bei einem Übergriff in der Haft ums Leben, doch Jake ist davon überzeugt, dass Harrison zu Unrecht verurteilt und ihm der Mord nur in die Schuhe geschoben wurde. Die drei Studenten nehmen daraufhin die Recherche auf und machen kurz darauf bereits eine schockierende Entdeckung…

Ein Cold-Case-Thriller vom Drehbuchautor der Fernsehserie „Cold Case“

Autor Michael Harvey hat sich bisher vor allem einen Namen als Drehbuchautor und Produzent einen Namen gemacht und war in dieser Tätigkeit unter anderem für die Drehbücher zur US-Serie „Cold Case – Kein Opfer ist je vergessen“ verantwortlich. Auch sein neuer Roman dreht sich um einen bereits zu den Akten gelegten Mordfall und so hat man das Buch (im Original „The Innocence Game“) unglaublich kreativ dann auch „Kein Opfer ist vergessen“ genannt. Da ich aber großer Fan der TV-Serie bin (und immer noch auf die utopische DVD-Veröffentlichung hoffe…), war meine Neugier geweckt und ich ging mit durchaus hohen Erwartungen an die Lektüre heran.

Kurzweiliger, wenn auch etwas gestellt wirkender Einstieg

Der Einstieg in die Geschichte fällt dann auch recht gelungen aus: Drei ambitionierte Studenten streben nach Gerechtigkeit und nehmen an einem elitären Seminar teil, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, alte Mordfälle auf mögliche Justizirrtümer zu untersuchen. Die Art und Weise, wie der Cold Case um James Harrison dann auf den Tisch gebracht hat, wirkt vielleicht etwas gezwungen, aber Harvey legt ausreichend Köder aus, um die Neugier des Lesers zu wecken – denn irgendwas ist an der Angelegenheit offenbar faul, auch wenn alles gegen den verurteilten Täter spricht. Dass wenig später auch noch die erste Leiche auftaucht, scheint diese Erwartungen dann auch zu bestätigen und das neugierige Trio stürzt sich immer tiefer in die Nachforschungen.

Solide geschrieben, aber nur selten wirklich packend

Die Story ist solide aufgebaut und Michael Harvey hält das Erzähltempo stets auf einem guten Niveau, allerdings konnte mich das Buch dann leider doch nur selten wirklich mitreißen. Irgendwie wirkt alles ein wenig gestellt und gekünstelt und man öfter mal das Gefühl, dass der Autor den Fall zu mehr aufbauschen will, als er eigentlich ist. Bereits nach wenigen Rechercheschritten der Studenten bringt Harvey einen unbekannten Gegner ins Spiel, dessen überstürzte Handlungen fast schon ein wenig paranoid und reichlich übertrieben wirken. Außerdem wird der Cold Case um den ermordeten Jungen und seinen vermeintlichen Mörder selbst wenig konkret bearbeitet und bleibt stets an den immer gleichen Anhaltspunkten hängen, sodass man trotz fortschreitender Handlung immer ein wenig den Eindruck gewinnt, dass die Hauptfiguren ihrem eigentlichen Ziel kaum näher kommen und dies teilweise fast sogar etwas aus den Augen verlieren.

Farblose und unnahbare Charaktere

Ebendiese Protagonisten betrifft dann auch das zweite große Problem des Buches, denn leider bleiben sowohl der als Ich-Erzähler auftretende Ian Joyce sowie seine Mitstreiter Sarah und Jake überraschend blass und wirken dauerhaft ein bisschen unnahbar, sodass es schwer fällt, sich mit ihnen zu identifizieren. Gerade die beiden männlichen Charaktere werden nur sehr schwach voneinander abgegrenzt, was teilweise noch gegen Ende des Buches dafür gesorgt hat, dass ich Ian und Jake ständig verwechselt habe. Während sich Michael Harvey bei den beiden Männern jedoch immerhin Mühe gegeben hat, seine Protagonisten zumindest ein wenig rätselhaft und undurchsichtig zu gestalten, bleibt Sarah über die gesamte Dauer des Buches komplett farblos und fungiert lediglich als Mittelpunkt einer eher befremdlichen Dreiecksbeziehung, bei der man aber nie so wirklich weiß wie gerade der aktuelle Stand ist.

Leider nur 08/15-Thrillerkost

Man kann Michael Harvey nicht wirklich grobe Schnitzer vorwerfen und auch wenn sein Schreibstil nicht gerade der eleganteste ist, lässt sich „Kein Opfer ist vergessen“ durchaus flüssig „weglesen“. Es fehlt aber einfach das gewisse Etwas, das den Leser an das Buch fesselt, denn der Roman bietet nun einmal weder sympathische Hauptfiguren zum Mitfiebern noch eine wirklich packende Story, sodass das Buch irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes ist. Richtig geärgert habe ich zudem über das komplett überkonstruierte Ende und den an den Haaren herbeigezogenen Story-Twist, der völlig aus heiterem Himmel kommt und wie ein schlechter Scherz wirkt. Ich bin ja sonst immer ein Freund von überraschenden Schlusswendungen, aber sie sollten doch zumindest ein bisschen plausibel und glaubwürdig sein. So sorgte der Schluss leider für einen katastrophalen letzten Eindruck, auch wenn der Roman im Gesamten betrachtet eigentlich gar nicht so schlecht ist.

Fazit:
Solider Cold-Case-Thriller, der aber aufgrund von seltsam farblosen Hauptfiguren und einer arg konstruierten Story nur selten wirklich mitreißen kann (6/10).

Cover des Buches
Autor: Michael Harvey; Originaltitel: The Innocence Game; Umfang: 384 Seiten; Verlag: Piper; Erscheinungsdatum: 01. Oktober 2013; Preis: Taschenbuch 9,99 €/eBook 8,49 €.

Vielen Dank an Petzi und den Piper Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

 

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Eine Anwort zu diesem Beitrag

  • Danke, dass du dich zur Verfügung gestellt und es gelesen hast und auch danke für die tolle Rezension. „Leider nur 08/15-Thrillerkost“ klingt nicht so berauschend. Tut mir leid, dass es nicht besser war.

    Liebe Grüße
    Petzi