Böser Traum oder schockierende Realität? In seinem Thriller „Der Nachtwandler“ spielt Bestsellerautor Sebastian Fitzek erneut ein perfides Spiel mit Hauptfigur und Lesern…

Als der junge Architekt Leon Nader eines Morgens aufwacht, traut er seinen Augen kaum: Seine Frau Nathalie ist gerade dabei, Hals über Kopf ihre Koffer zu packen und aus der gemeinsamen Wohnung zu verschwinden. Leon ist verwirrt, doch als er das Gesicht seiner Frau sieht und dort einen üblen Bluterguss entdeckt, dämmert in ihm ein schlimmer Verdacht. Mit Schrecken erinnert er sich an seine Jugend, in der er häufig schlafwandelte und dabei stellenweise auch gewalttätig wurde. Eigentlich galt er seit einer erfolgreich absolvierten Therapie als geheilt, doch der Zustand seiner Frau veranlasst ihn zu der Vermutung, dass seine Schlafstörungen möglicherweise zurückgekommen sind.

Hat Leon Nader beim Schlafwandeln seine Frau misshandelt?

Leon ist entsetzt über den Gedanken, dass er Natalie möglicherweise so schlimm zugerichtet hat und will nun mithilfe eines Selbstversuches seinen Verdacht überprüfen. Dazu befestigt er an seinem Kopf eine Spezialkamera, die seine nächtlichen Aktivitäten aufzeichnen soll. Doch als er sich das aufgenommene Videomaterial am nächsten Morgen anschaut, macht er eine unheimliche Entdeckung…

„Huch, schon wieder ein neuer Fitzek!“…

…war mein erster Gedanke, als ich die Ankündigung zu seinem aktuellen Buch „Der Nachtwandler“ gelesen habe. Dabei war doch gerade mal ein halbes Jahr vergangen, seit „Abgeschnitten“, Fitzeks Gemeinschaftswerk mit dem bekannten Rechtsmediziner Michael Tsokos, erschienen war. Als Fan des Berliner Autors habe ich mich aber natürlich auf den neuen Thriller gefreut und mir wie gewohnt direkt am Erscheinungstag das Hörbuch heruntergeladen. Dabei ging ich aber durchaus mit gemischten Erwartungen an die Geschichte heran, da mir die jüngeren Fitzek-Werke gerade seit „Der Augensammler“ fast schon ein wenig zu abgedreht und zu konstruiert wirkten.

Anfangseuphorie: Einfaches Setting mit großer Wirkung

Umso positiver war ich dann über die ersten Stunden des Hörbuches überrascht, denn es hatte den Anschein, als hätte Sebastian Fitzek wieder zurück zu seinen Wurzeln gefunden und eine Story entwickelt, die mehr auf das leise Grauen statt auf die großen Schockeffekte setzt. Das Ausgangsszenario ist vergleichsweise simpel: Ein Mann wacht morgens auf und sieht seine verängstigte Frau, die gerade dabei ist ihn zu verlassen. Der Grund dafür ist ihm völlig rätselhaft, bis er ihr blaues Auge entdeckt und schmerzhafte Erinnerungen an seine gewalttätigen Schlafwandler-Aktivitäten längst vergangen geglaubter Tage hochkommen.

Die Frau bleibt zunächst verschwunden und ist von Leon auch nicht aufzufinden, sodass ihm erst einmal nichts anderes übrig bleibt, als seinen Anteil an den Ereignissen aufzuarbeiten. Dabei macht er schnell einige überraschende und äußerst beunruhigende Entdeckungen, die gleichermaßen beim Protagonisten als auch beim Leser für Ungläubigkeit und leisen Grusel sorgen. Zu diesem Zeitpunkt hatte mich Fitzek voll gepackt und ich war begeistert über die scheinbare Einfachheit der Geschichte, die doch so viel Potenzial in sich bot. Darüber hinaus erinnerte das räumlich sehr begrenzte Setting (die Story spielt eigentlich komplett im Haus der Hauptfigur) und weitere Zutaten wie eine schrullige Nachbarin oder versteckte Türen fast schon an die großen Klassiker des Genres.

Es wird immer absurder…

Leider war meine Euphorie jedoch nur von kurzer Dauer, denn je weiter die Geschichte voranschreitet, desto mehr fällt der Autor in seine alten Muster zurück. Fitzek belässt es nicht beim ruhigen Ton, sondern setzt wieder verstärkt auf heftige Schockeffekte und mehr als überraschende Wendungen, die in so manchem Cliffhanger resultieren. Daran ist zunächst einmal nichts auszusetzen, zumal die Story weiterhin spannend bleibt, doch irgendwann ist dann der Punkt erreicht, an dem es der Berliner einfach übertreibt. Die Handlung driftet immer mehr ins Absurde ab und präsentiert dem Leser immer neue Unglaubwürdigkeiten, die mit normalem Menschenverstand kaum noch zu erklären bzw. zu verstehen sind. Nun könnte man dem Autor zugute halten, dass er damit immer mehr die Grenzen zwischen Leon Naders Träumen und seinen wahren Erlebnissen verschwimmen lassen will, was ich teilweise als Erklärung auch noch gelten lasse. Allerdings überzieht Sebastian Fitzek sein Verwirrspiel maßlos, was mich ab einem gewissen Punkt immer mehr dazu gebracht hat, mich von dem Buch abzuwenden. Ab da konnten mich dann auch die zum Ende hin immer wilderen Enthüllungen nicht mehr packen.

Eine Goldene Himbeere für die Auflösung

Die Krönung ist dann aber die Auflösung, die dem Buch dann wirklich den Todesstoß versetzt. Ich kann mich nicht erinnern, in einem Thriller oder Krimi schon einmal einen derart absurden, unglaubwürdigen und einfach nur noch albernen Schluss vorgesetzt bekommen zu haben. Dieses in meinen Augen wirklich grottenschlechte Ende brachte das Fass dann zum Überlaufen und hat mich doch sehr verärgert zurückgelassen. Ich hoffe wirklich inständig, dass der Autor beim nächsten Werk wieder zurück in die Spur findet und „Der Nachtwandler“ nicht richtungsweisend für seine kommenden Bücher ist. Für einen richtig guten Psychothriller aus der Hand des Autors würde ich auch eine längere Wartezeit in Kauf nehmen, es muss ja nicht immer zwanghaft jedes Jahr ein neues Buch auf den Markt geschmissen werden…

Fazit:
Haarsträubender Psychothriller, der nur in der ersten Hälfte für Spannung sorgt und im Schlussteil komplett ins Lächerliche abdriftet (5/10).

Hörbuchcover
Autor: Sebastian Fitzek; Sprecher: Simon Jäger; Spieldauer: 07 Std. 26 Minuten (ungekürzt); Anbieter: Audible GmbH; Veröffentlicht: 2013; Preis: 19,50 €.

Link zum Hörbuch

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4 Antworten zu diesem Beitrag

  • Tolle Rezension ;-). Ich hab genau heute das Buch beendet und du denkst in vielen Punkten so wie ich. Besonders bzgl. des Endes sind wir uns wohl mal wieder einig. Bin gespannt, wann Fitzek mich mal wieder vom Hocker hauen kann. 😉

    Grüße, Petzi

    • Haha, das passt ja zeitlich perfekt 😀

      Ich hab das Buch schon vor ein paar Monaten gehört aber die Rezension musste noch abgearbeitet werden 😉

      Ich find’s einfach schade dass es scheinbar von Buch zu Buch immer noch spektakulärer werden muss. Warum nicht mal wieder einen einfachen Plot mit feinen Kniffen, der nicht nur auf Brutalität und billige Schockeffekte setzt?

      Aber egal, ich werde mir das nächste Buch eh wieder anschaffen… 😀

      LG,
      Sebastian

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